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Homo-Ehe in Polen?
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Homo-Ehe in Polen? Oberstes Verwaltungsgericht stärkt Homosexuelle

ms - 04.11.2022 - 11:25 Uhr

Die polnischen Medien überschlagen sich in diesen Stunden mit Eilmeldungen, denn das Oberste Verwaltungsgericht des Landes erklärte jetzt unmissverständlich, dass eine gleichgeschlechtliche Ehe nicht der Verfassung Polens widerspricht. Kurzum, theoretisch könnten Homosexuelle in Polen heiraten. Allerdings gibt es an der Geschichte noch einen Haken.

Fünf Jahre Kampf eines schwulen Paares

Ursächlich für die Freudennachricht ist das, in Polen sehr bekannte schwule Blogger-Paar Jakub und Dawid, die gestern Abend über ein "historischen Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts zur gleichgeschlechtlichen Ehe" berichteten. Das homosexuelle Paar hatte vor einigen Jahren in Portugal geheiratet, weil es in Polen bis heute keine gesetzliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften, geschweige denn eine Homo-Ehe gibt. Jakub und Dawid wollten ihre Heiratsurkunde in Polen allerdings legalisieren lassen, was sich nach zahlreichen Behördengängen als undurchführbar erwies, sodass sie schlussendlich vors Gericht zogen.

„Nach fünf Jahren erreichten wir mit der Legalisierung unserer Ehe die höchste Instanz in Polen - das Oberste Verwaltungsgericht (NSA). Während der Anhörung erklärte die NSA zum ersten Mal unmissverständlich, dass unsere Verfassung die gleichgeschlechtliche Ehe nicht verbietet. Dies sind historische Worte, die einen Mythos entlarven, der von der Rechten seit Jahren wiederholt wird. Heute hat das Gericht diese Lüge endgültig aufgeklärt", so das Paar in seiner Erklärung auf Facebook. Die Aussage des Verwaltungsgerichts hat insofern tatsächlich eine Schlagkraft, weil rechte Politiker und auch diverse Regierungsvertreter immer wieder erklärten, eine gleichgeschlechtliche Ehe sei in Polen mit der Verfassung nicht vereinbar. Dies stellt sich nun offensichtlich als Lüge heraus.

Blogger-Paar Jakub und Dawid kämpfen für die Homo-Ehe

Die Liebe wird siegen!

Mehrere LGBTI*-Verbände feierten den Erfolg im Land bereits, der linke Abgeordnete Krzysztof Śmiszek reagierte euphorisch und schrieb: „Wir haben es! Das Oberste Verwaltungsgericht hat entschieden, dass die polnische Verfassung gleichgeschlechtliche Ehen nicht verbietet! Das von der Linken verfasste Gesetz zu diesem Thema ist fertig und nach den Wahlen im nächsten Jahr werden wir dafür kämpfen, dass es in Kraft tritt!“ Ungetrübt ist die Freude allerdings nicht, denn auch wenn die Verfassung der Eheschließung gleichgeschlechtlicher Paare nicht im Wege steht, so tun dies jedoch nach wie vor einige andere Gesetze des polnischen Rechtssystem, die erst noch geändert werden müssten – unter der derzeitigen Regierung ist dies allerdings nicht vorstellbar.

Trotzdem haben die klaren Worte der obersten Richter nicht nur einen reinen Symbolcharakter, sondern stärken auch den Kampf der LGBTI*-Community vor Ort um mehr Rechte. Der Direktor der europäischen LGBTI*-Organisation Forbidden Colours Rémy Bonny zeigte sich so auch sichtlich erfreut und erklärte: „Das Oberste Verwaltungsgericht Polens hat entschieden, dass die Verfassung die Einführung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare nicht verbietet. Damit ist der Weg frei für die Einführung der Ehegleichheit, wenn die Demokratie nach Polen zurückkehrt. Die Liebe wird siegen!“

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