Gewalt unter Homosexuellen Auch in der Gay-Commmunity grassiert viel Unwissenheit!
Erschütternde Daten veröffentlichte jetzt die Glasgow Caledonian University – nach ihren Untersuchungen erlebt jeder vierte schwule Mann in einer Beziehung Gewalt von seinem Partner. Die repräsentative Studie wurde teilweise selbst von Männern durchgeführt, die in ihrer Beziehung Opfer von Gewalt geworden sind. Die Angriffe reichen dabei von körperlichen Übergriffen über psychischen Missbrauch bis hin zu Vergewaltigungen. Dabei kam es sowohl bei Gelegenheitspartnern wie aber auch in langfristigen Partnerschaften zu Gewaltausbrüchen.
Gewalt unter schwulen Männern ist ein Tabu
Die Studienergebnisse sind eine der ersten ihrer Art, denn noch herrscht einerseits das Klischee vor, dass Männer in einer Beziehung keine Gewalt erleben können, andererseits wird der Fokus noch einmal weniger auf schwule Beziehungen gelegt. Die Wissenschaftler fordern deswegen auch eine stärkere Sensibilisierung für dieses Thema und eine Verbesserung der Unterstützungsdienste, um zu verhindern, dass „Generationen von Männern“ mit denselben Problemen konfrontiert werden.
Bisher nur zwei weitere Forschungsarbeiten befassten sich mit dem Thema und kamen in den letzten drei Jahren zu sehr ähnlichen Ergebnissen. Die leitenden Wissenschaftler Prof. Jamie Frankis und Dr. Steven Maxwell bezeichneten das Problem als „dringende Frage der öffentlichen Gesundheit“. Viele Menschen seien sich des massiven Problems bis heute nicht bewusst. „Wir hoffen, dass diese Forschung dazu beitragen wird, die Wissenslücke zu schließen, das öffentliche Bewusstsein zu schärfen und zu politischen Veränderungen auf nationaler Ebene zu führen“, so Maxwell gegenüber der BBC.
Spezielle Beziehungsprobleme bei schwulen Männern
Dr. Edgar Rodriguez-Dorans ist Berater und Dozent für Psychotherapie an der Universität von Edinburgh – er betreut bis heute schwule Klienten, die ein breites Spektrum an traumatischen Gewalterfahrungen in ihren Beziehungen durchlebt haben. Bei schwulen Männern spielen dabei wohl spezielle Faktoren hinein, die in ähnlich gelagerten Gewaltsituationen unter heterosexuellen Paaren weniger verzeichnet werden.
Ein Klient erzählte dem Facharzt so zum Beispiel, er habe seinem Freund wiederholt erlaubt, mit ihm Sex zu haben, obwohl er das gar nicht wollte, doch er die Verpflichtung verspürte, „für ihn immer verfügbar sein zu müssen.“ Ein anderer Mann berichtete von einer Chemsex-Party, zu dem sein Partner ihn überredet hatte. Dort wurde der Mann so stark unter Drogen gesetzt, dass er unfähig war, dem Gruppensex klar zu widersprechen beziehungsweise sich zu wehren – nach Aussage des Facharztes wurde sein Klient dann von mehreren Männern vor Ort vergewaltigt.
Polizei nimmt Gewalttaten nicht ernst
Ein weiteres Problem stellt der Umgang solcher Taten seitens der Polizei dar – selbst, wenn ein schwules Opfer den Vorfall offiziell anzeigen will, gibt es offenbar vielerorts immer noch Beamte, die die Aussagen schlicht nicht ernstnehmen, nicht sensibilisiert für die Thematik oder homophob eingestellt sind oder einfach nicht nachvollziehen können, dass auch ein Mann das Opfer von Gewalt sein kann – gerade auch dann, wenn das Opfer beispielsweise muskulös ist.
Unverständnis auch innerhalb der Community
#Auch innerhalb der Gay-Community gebe es mitunter laut Rodriguez-Dorans diese Probleme, wie er ebenso gegenüber der BBC bestätigt: „Ein Teil des Problems liegt darin, dass das Leben schwuler Männer ´hyper-sexualisiert´ ist und sie oft über sexuelle Aktivitäten miteinander in Beziehung treten.“ Gerade im dominant-devoten Wechselspiel sei so oftmals nicht klar, ob ein „Nein“ tatsächlich auch so gemeint sei oder nicht, oder vielleicht doch nur ein sexuelles Lustspiel darstelle.
Barrieren im eigenen Kopf
Für viele Opfer ist das Erlebte oftmals auch Jahre später noch traumatisierend, viele trauen sich nach Angaben des Experten nicht, das Haus zu verlassen oder Lokalitäten mit schwulen Männern aufzusuchen. Viele Anlaufstellen für Missbrauchsopfer sind zudem zumeist auf Frauen ausgerichtet, was die Aufarbeitung zusätzlich erschweren kann. Hinzu kommen oft eigene Barrieren im Kopf: „Männer sehen sich nicht als Objekte des Missbrauchs. Männer, die Opfer von sexuellem Missbrauch wurden, brauchen oft bis zu zwanzig Jahre, um Hilfe zu suchen.“
Täter im Kampf mit verinnerlichter Homophobie
Und zu den Tätern erklärt Facharzt Rodriguez-Dorans weiter: „Viele haben möglicherweise mit verinnerlichter Homophobie, Scham, Isolation von ihren Familien und emotionalem Analphabetismus zu kämpfen - was unter Männern unabhängig von ihrer Sexualität weit verbreitet ist. Die Ausübung von Macht gegenüber ihrem Partner könnte sie in eine Position bringen, in der sie das Gefühl haben, dass ihre Männlichkeit bestätigt wird.“
Eines sei dabei schlussendlich klar, so Dr. Rodriguez-Dorans abschließend: „Wenn wir diese Probleme nicht angehen, wird sich daran nichts ändern. Wir werden damit enden, dass eine Generation nach der anderen denselben Weg einschlägt.“