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Streit um Geschlechter-Vortrag an der Berliner Humboldt-Uni geht weiter
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Fronten: Biologie vs. Trans-Aktivisten „Was an der Aussage, es gibt nur zwei Geschlechter, ist transfeindlich?“

ms - 15.07.2022 - 09:00 Uhr

Als Anfang Juli die Berliner Humboldt Universität nach Drohungen einer queeren Aktivistengruppe (SCHWULISSIMOS berichtete) offiziell aus Sicherheitsbedenken im Rahmen der “Langen Nacht der Wissenschaften“ den Vortrag der Biologin Marie-Luise Vollbrecht absagte, entbrannte deutschlandweit eine hitzige Diskussion über die Wissenschaftsfreiheit. Die Debatte fand inzwischen auch international Beachtung. Am gestrigen Donnerstagabend durfte nach massiven Protesten von Seite zahlreicher Politiker und Medien Vollbrecht ihren Vortrag mit dem Titel “Geschlecht ist nicht (Ge)schlecht: Sex, Gender und warum es in der Biologie zwei Geschlechter gibt“ doch noch halten – zuvor hatte die Biologin und Doktorandin den Vortrag bereits online gestellt, über 120.000 Menschen haben diesen bis heute gesehen.

Der gestrige Vortrag war gut besucht und verlief ohne weitere Vorkommnisse im Hörsaal der Universität. Neben dem Universitätsgebäude protestierten queere Aktivisten mit Plakaten, auf denen stand: “Kein Platz für Transphobie“. Vollbrecht wird in diesem Zusammenhang immer wieder vorgeworfen, sie agiere transphob, weil sie sich in ihren Aussagen sowohl als Privatperson online wie auch in ihrem Vortrag auf die biologische Zweigeschlechtlichkeit bezieht. Vollbrecht referierte so auch im Vortrag am gestrigen Abend über Chromosomen und Gameten, erklärte primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale und bekräftigte, dass im deutschen Sprachgebrauch oftmals die englischen Begriffe von “sex“ für das biologische Geschlecht und “gender“ für die soziale Geschlechterrolle verwechselt werden. Am Ende machte Vollbrecht dabei klar: „Es gibt nur zwei biologische Geschlechter: männlich und weiblich.“ Im Saal selbst blieb es zumeist ruhig, ab und zu gab es Applaus. Eine 40-jährige Besucherin erklärt anschließend gegenüber dem Spiegel, sie störe vor allem die Aggressivität der Transgender-Aktivisten: „Ich will nicht als TERF beschimpft oder gebärendes Wesen genannt werden. Ich bin eine Frau, Punkt!“ Ins Rollen gebracht hatten die Proteste gegen Vollbrecht der selbsternannte “Arbeitskreis kritischer Jurist*innen“, die auch an dem Abend Flyer mit der Aufschrift “Kein Platz für TIN*-Feindlichkeit an der HU“ verteilten. Eine der queeren Aktivisten erklärte dabei gegenüber dem Spiegel: „Wir verstehen nicht, warum die Uni uns als gewaltbereit und radikal dargestellt hat. Wir finden es schade, dass ihr so eine Bühne gegeben wird.“

Bei der anschließenden Diskussion im Audimax der Humboldt-Universität diskutierten unter anderem der Präsident der Universität, Peter Frensch, zusammen mit dem Professor der Biologie und Doktorvater von Vollbrecht, Rüdiger Krahe, sowie mit Heiner Schulze vom Schwulen Museum Berlin und Jenny Wilken von der Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. über die hitzigen Diskussionen der letzten zwei Wochen sowie über die Freiheit der Wissenschaft mit Bezug auf die Meinungsfreiheit. Aus ihrem Urlaub zugeschaltet war Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger (FDP), die erklärte, dass esdie Wissenschaftsfreiheit zu schützen gelte.“ Vollbrecht selbst nahm an der Diskussion nicht teil und begründete dies bereits im Vorfeld: „Mir ging es in meinem Vortrag um die Vermittlung von biologischen Grundlagenwissen. Mein Vortrag war korrekt und muss nicht kontextualisiert werden. Die unausgewogene Zusammensetzung des Podiums lässt vermuten, dass es dort nicht um Biologie gehen wird.“ Am gleichen Abend nahm Vollbrecht allerdings an einer digitalen Diskussion zusammen mit dem Leitenden Oberarzt und Facharzt für Geschlechtsdysphorie bei Jugendlichen, Dr. Alexander Korte, sowie mit dem Philosophen Professor Uwe Steinhoff teil – das Gespräch steht inzwischen online via YouTube zur Verfügung. Vollbrecht selbst spricht mit Bezug auf die aktuellen Anfeindungen ihr gegenüber von einer Rufmord-Kampagne.

Bei der Podiumsdiskussion teilte sich das Publikum derweil in Befürworter und Gegner der biologischen Zweigeschlechtlichkeit auf und es kam sowohl zu Applaus wie auch immer wieder zu Buhrufen. Mehrfach wurde während der Veranstaltung auch Bezug auf den Gast-Beitrag in der Welt genommen, an dem Vollbrecht neben mehreren anderen Wissenschaftlern die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten dazu aufforderte, nicht einseitig sondern sachlich und wissenschaftlich fundiert über Themen wie Transsexualität und das geplante neue Selbstbestimmungsgesetz zu berichten. Queere Aktivisten und auch der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, bewerteten den Gast-Beitrag indes als menschenfeindlich und transphob. Die gestrige Diskussion in Berlin endete mit einer Publikumsfrage eines Mannes: „Was an der Aussage, es gibt nur zwei Geschlechter, ist transfeindlich?“ Ein anderer Gast brüllte daraufhin durch den Saal: „Der Welt-Beitrag war transfeindlich!“ Abermals fragte der Mann darauf nach: „Ja, aber begründe das doch mal!“ – eine Antwort bekam er darauf nicht mehr.

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