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Fatale Entscheidung!

Fatale Entscheidung! Urteil aus Texas könnte zu über 2.000 vermeidbaren HIV-Neuinfektionen bei schwulen Männern führen!

ms - 31.03.2023 - 10:00 Uhr

Es ist eine fatale Entscheidung und sorgt seit gestern für einen Aufschrei in der amerikanischen Gay-Community sowie unter Menschen mit HIV: Ein texanischer Bundesrichter hat gestern entschieden, dass die Verpflichtung der Krankenversicherer, PrEP zur HIV-Prävention zusammen mit anderen Gesundheitsleistungen wie beispielsweise HIV-Tests zu übernehmen, gegen die religiösen Überzeugungen eines christlichen Unternehmens verstößt.

Direkter Angriff auf Obamacare

Im vergangenen Sommer hatte zuvor die US-Regierung noch erklärt, dass eine Bestimmung des Affordable Care Act (ACA oder auch „Obamacare“) vorschreibt, dass Krankenversicherungen die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) zur HIV-Prävention abdecken müssen, und dass sie dies ohne Kosten für die Patienten tun müssen. In den Bundesrichtlinien wird klargestellt, dass die Versicherungspläne auch die mit der PrEP verbundenen Gesundheitsleistungen wie Arztbesuche, Blutuntersuchungen und Tests auf HIV und sexuell übertragbare Infektionen (STIs) übernehmen müssen. Das Bundesgesetz schrieb bisher klar vor, dass Arbeitgeber und Versicherer all jene Präventionsmaßnahmen ohne Kostenbeteiligung übernehmen müssen.

PrEP fördere "sexuelle Promiskuität"

Mehrere Klagen von Einzelpersonen und christlichen Unternehmen wie zuletzt dem Braidwood Management hatten seit 2020 versucht, diese Richtlinien auszuhebeln – mit einem ersten Erfolg, wie das gestrige Urteil belegt. Die Begründung seitens der Kläger: „Das PrEP-Mandat zwingt religiöse Arbeitgeber dazu, die Kosten für Medikamente zu übernehmen, die homosexuelles Verhalten, Prostitution, sexuelle Promiskuität und intravenösen Drogenkonsum erleichtern und fördern. Es zwingt auch religiöse Arbeitgeber und religiöse Einzelpersonen, die eine Krankenversicherung abschließen, diese Verhaltensweisen als Bedingung für den Abschluss einer Krankenversicherung zu subventionieren. Dies stellt eine erhebliche Belastung für die Religionsausübung dar.“

Urteil kostet Menschenleben

Das Urteil könnte ganz real Leben kosten, wie ein Forschungsteam der Yale School of Public Health feststellte, denn viele Amerikaner können sich die PrEP oder auch andere Präventivmaßnahmen schlicht finanziell selbst nicht leisten, wenn sie nicht von der Krankenkasse oder dem Arbeitgeber übernommen werden – besonders davon betroffen dürften schwule und bisexuelle Männer (MSM) sein: „Wir schätzen, dass das Braidwood-Urteil mindestens zu mehr als 2.000 vollständig vermeidbaren HIV-Primärinfektionen unter MSM führen wird - und zu viel mehr Infektionen in anderen Bevölkerungsgruppen mit hohem HIV-Übertragungsrisiko - allein in einem Jahr“, so das finale Fazit.

PrEP verstößt nicht gegen Religionsfreiheit

Carl Schmid, Geschäftsführer des HIV+Hepatitis Policy Institute dazu: „Die Entscheidung von Richter Reed O'Connor, die sich unmittelbar auf die Kostenübernahme für HIV-Tests, Hepatitis-B- und -C-Tests sowie die PrEP auswirken wird, überrascht uns zwar nicht, aber es ist zwingend erforderlich, dass diese wichtigen Präventionsdienste für die Gesundheit unserer Nation weiterhin angeboten werden. Die PrEP, bei der es sich um ein von der FDA (Food and Drug Administration) zugelassenes Medikament handelt, das HIV wirksam vorbeugt, herauszugreifen und daraus zu schließen, dass ihre Kostenübernahme gegen die Religionsfreiheit bestimmter Personen verstößt, ist schlichtweg falsch, höchst diskriminierend und behindert die öffentliche Gesundheit unserer Nation. Die PrEP ist auch nicht nur für schwule Männer gedacht, sondern für jeden, der einem HIV-Risiko ausgesetzt ist. Tatsächlich sind nach Angaben der CDC (Centers for Disease Control and Prevention) von den 1,2 Millionen Menschen, die von der PrEP profitieren könnten, mehr als die Hälfte heterosexuell. Wir als Nation müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um HIV vorzubeugen, ganz gleich, wen es betrifft.“ Der richterliche Beschluss stellt auch ein fatales Zeichen angesichts der Tatsache dar, dass die Fälle von HIV wie auch von anderen Geschlechtskrankheiten in den USA wieder rapide ansteigen.

Attacke von rechts gegen LGBTI*-Menschen

Schmid wie aber auch mehrere LGBTI*-Verbände gehen davon aus, dass es zeitnah zu einem Berufungsverfahren kommen wird. „Während das Berufungsverfahren voranschreitet, fordern wir die Krankenversicherer auf, von sich aus zu handeln und diese präventiven Leistungen zum Nutzen ihrer Versicherten weiterhin ohne Kostenbeteiligung zu übernehmen“, so Schmid weiter.

Und Ivy Hill, die Leiterin des Gesundheitsprogramms der Campaign for Southern Equality, bekräftigte: „Bei diesem Urteil geht es nur darum, extreme religiöse Überzeugungen durchzusetzen - und nicht, wie behauptet, um den Schutz der Religionsfreiheit: Rechtsextreme Richter greifen die Privatsphäre und den Zugang zur Gesundheitsversorgung an. Wir müssen den Zugang zu lebensrettenden Medikamenten wie PrEP verbessern und dürfen ihn nicht als neuesten politischen Keil benutzen, um LGBTI*-Menschen im Süden anzugreifen.“

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