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Ungarn verstößt gegen die Rechtsstaatlichkeit

EU will Ungarn Gelder streichen Ein tatsächliches Umdenken in puncto LGBTI* ist nicht abzusehen

ms - 19.09.2022 - 12:00 Uhr
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Es ist das erste Mal in der Geschichte der Europäischen Union, dass die Kommission einen derart drastischen Schritt aufgrund von Mängeln im Rechtsstaat eines Mitgliedslandes vorschlägt: Ungarn sollen Fördergelder in Höhe von 7,5 Milliarden Euro gekürzt werden. EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn hat dies nun in Brüssel vorgeschlagen, da in dem osteuropäischen Land nicht nur massiv Korruption vorherrsche, sondern auch permanent gegen die europäische Rechtsstaatlichkeit verstoßen werde. Eines dieser Rechtsverstöße betrifft auch das Anti-LGBTI*-Gesetz, das Ministerpräsident Victor Orbán 2021 eingeführt hatte und welches alle Themen rund um LGBTI* an Schulen sowie dank einer strikten Kontrolle auch in den Medien größtenteils verbietet.

Genau dieser Aspekt war auch ein wesentlicher Kritikpunkt im Rechtsstaatlichkeits-Bericht, den die EU-Kommission bereits im Juli vorgelegt hatte. Dabei hielt die Europäische Union auch fest, dass Ungarn trotz zahlreicher Rügen und erster kleinerer finanzieller Einschnitte nach wie vor an ihrem homophoben Kurs festhalte, ähnlich wie in Teilen auch Polen. Die EU-Kommission bezeichnete beide Länder im Bericht als die “Sorgenkinder Europas“. Die bisherigen Drohungen seitens der EU scheint Orbán dabei anscheinend unbeeindruckt gelassen zu haben, nun allerdings kommt offenbar Bewegung in die Sache. Nach Aussagen von EU-Haushaltskommissar Hahn gäbe es inzwischen erste Zusagen der ungarischen Regierung, bestehende Unzulänglichkeiten zu beseitigen. Man sei bereit, alle Verpflichtungen gegenüber der EU-Kommission einzuhalten, so auch der ungarische Entwicklungsminister Tibor Navracsics. Dabei betonte der Minister, dass auch eine neue Behörde zur Betrugsbekämpfung im November eingerichtet werden soll. Bezüglich der Ungleichbehandlung von Homosexuellen in Ungarn und der offenen Medienzensur diesbezüglich äußerte sich Navracsics allerdings nicht.

Es besteht die berechtigte Gefahr, dass Ungarn abermals versucht, die EU zu beschwichtigen und dabei weiter an ihrem rechtsfeindlichen und homophoben Kurs festhält. Bereits angelaufen ist der sogenannte EU-Rechtsstaatsmechanismus, der dafür sorgen soll, dass Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien wie die Gewaltenteilung nicht mehr ungestraft bleiben. Zudem blockiert die EU bereits mehrere Milliarden Euro an Corona-Hilfen, weil Ungarn als einziges Land in der EU bis heute keinen konkreten Plan zur Verwendung der Gelder vorlegen konnte. Zuvor war bereits eine Klage Ungarns vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die EU gescheitert. Damit Ungarn nun tatsächlich Mittel in Milliardenhöhe aus dem regulären EU-Haushalt gekürzt werden können, müssten mindestens fünfzehn Mitgliedsländer mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung zustimmen. So bewerten auch mehrere LGBTI*-Organisationen die zaghafte Zusage auf Besserung eher als erneuten Schachzug, denn als tatsächliche Umkehr – gerade auch mit Blick auf das immer noch eingesetzte Gesetz gegen LGBTI*-Themen, wie auch LGBTI*-Aktivist Rémy Bonny von der Organisation Forbidden Colors erklärt: „Ungarns Anti-LGBTI*-Gesetz hat nur ein Ziel: die Community zum Schweigen zu bringen. Orbán wählt Putins Spiel. Die Gleichstellung der LGBTI*-Community ist aber ein fester Bestandteil der europäischen Werte und Normen. Daran ist nicht zu rütteln!“

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