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Es wird immer schlimmer!
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Es wird immer schlimmer! 2022 war das gewalttätigste Jahr für LGBTI*-Menschen seit einem Jahrzehnt!

ms - 20.02.2023 - 12:00 Uhr

Es wird immer schlimmer – mit diesen traurigen Worten lässt sich der heute in Brüssel veröffentlichte Jahresbericht von ILGA-Europe zusammenfassen. Die LGBTI*-Menschenrechtsorganisationen hält einmal jährlich anhand zahlreicher Fakten die Situation für LGBTI*-Menschen in Europa und Zentralasien fest. Im Jahr 2022 stiegen die Fälle von Gewalt gegenüber Homosexuellen und queeren Menschen so stark an wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr! Ebenso beinahe in allen Ländern ist ein deutlicher Anstieg von Hassreden gegenüber LGBTI*-Personen zu verzeichnen, teilweise auch direkt von Vertretern des Staates wie beispielsweise in Österreich, Lettland oder Rumänien.

Gewalttaten werden immer brutaler

Blickt man noch mehr ins Detail, zeichnet sich ein noch dramatischeres Bild ab, denn binnen eines Jahres hat nicht nur die Gewalt selbst stark zugenommen, sondern auch die Schwere dieser Gewalttaten. Immer wieder kam es in Europa und Zentralasien sogar zu Folterungen und Morden, beispielsweise in Aserbaidschan, Norwegen, Irland oder der Slowakei. Zudem hält die ILGA auch einen Anstieg der Suizidfälle unter LGBTI*-Menschen fest: „Es wurde auch von weiteren Selbstmorden berichtet, darunter der eines jungen Paares in Armenien, das schikaniert wurde, nachdem ein Foto von ihnen, auf dem sie sich küssen, im Internet veröffentlicht wurde“, so die Feststellung im Bericht.

Insgesamt nehmen Anti-LGBTI*-Hassverbrechen in Frankreich, Deutschland, Ungarn, Island, Irland, Montenegro, den Niederlanden, Portugal, Rumänien, Russland, Serbien, Spanien, der Schweiz, Türkei, Ukraine und dem Vereinigten Königreich zu. In puncto Konversionstherapien hat die ILGA neue Fälle in Aserbaidschan, Spanien und Schweden dokumentiert – ein besonderer Blick richtet sich dabei zudem auf die Türkei, wo sogar neue psychiatrische Zentren eingerichtet worden sind, die die unseriösen “Homo-Heilungen“ anbieten.

Angriff auf die Bildung

Auch Familien und das Thema Bildung stehen oftmals im Mittelpunkt von Kulturkämpfen – und das auch in Europa. Die neue rechtsgerichtete italienische Premierministerin Giorgia Meloni habe sich so beispielsweise öffentlich für ein Verbot des Sexualkundeunterrichts in Schulen und den Ausschluss von LGBTI*-Personen in Kinderbüchern eingesetzt. Daneben berichtet die ILGA auch von der Verschärfung des "Anti-Homosexuellen-Propagandagesetzes" in Russland.

Daneben gibt es Probleme im Spannungsfeld zwischen Schule und LGBTI* auch in Ungarn, Serbien, den Niederlanden oder Belgien, wo Unterricht über sexuelle Orientierung nicht mehr in den Lehrplänen der Sekundarstufe enthalten ist. „Bildung ist ein wachsendes Schlachtfeld im Widerstand gegen LGBTI*-Personen und -Rechte und sowie gegen den Aufbau von Akzeptanz auf der zentralen Ebene der Gesellschaft. Die Fortschritte bei der Sexualerziehung werden inzwischen auf einer grundlegenden Ebene in Frage gestellt.“

Prides im Fokus von Hass

Auch CSDs und Prides sehen sich immer mehr Angriffen konfrontiert, befeuert sowohl von homophoben Regierungen wie aber auch der römisch-katholischen Kirche. Beispiele dafür verzeichnet die ILGA unter anderem in Serbien und in besonderer Weise abermals in der Türkei: „Der Anti-Pride-Marsch wurde im nationalen Fernsehen mit einem Video beworben, in dem LGBTI*-Menschen als Virus bezeichnet wurden. Einige Teilnehmer forderten die Tötung von LGBTI*-Menschen.“ Der Ausbruch der Affenbocken wurde zudem in einigen Ländern wie Zypern, Griechenland, Litauen, Portugal und Spanien benutzt, um Stimmung gegenüber homosexuellen Menschen zu machen.

Lage in Deutschland

Positiv bewertet die ILGA, dass die Bundesregierung erklärt hat, in einem ersten Schritt 80 LGBTI*-Menschen aus Afghanistan Schutz zu gewähren – allerdings steht hier nach wie vor die Frage im Raum, wie viele es davon aufgrund von bürokratischen Hürden tatsächlich nach Deutschland schaffen werden. Auch das Thema Hasskriminalität ist nach wie vor ein sehr ernstes in der Bundesrepublik, 90 Prozent der Fälle würden nach wie vor gar nicht erst zur Anzeige gebracht werden, wobei abermals selbst die Zahl der gemeldeten Angriffe weiter ansteigt, in Berlin im Jahr 2022 allein um 17 Prozent, so die ILGA weiter.

Positiv sei dabei, dass die Innenministerkonferenz nach jahrelangem Druck der Zivilgesellschaft erstmals eine unabhängige Arbeitsgruppe gegründet hat, die sich mit Anti-LGBTI*-Hasskriminalität beschäftigen soll. Zudem ergab laut ILGA die jüngste repräsentative Umfrage, dass die Mehrheit der Deutschen Lesben, Schwule und Bisexuelle (LGB) inzwischen akzeptieren würden. 81 Prozent wären so zum Beispiel für die Gleichstellung der Ehe und 75 Prozent hätten kein Problem mehr damit, wenn ihr Kind homosexuell wäre.

Positive Nachrichten

Auch aus anderen Ländern gibt es bei aller bitterer Entwicklung durchaus auch positive Nachrichten, dabei zeige sich, dass der Rechtsschutz von LGBTI*-Personen gestärkt werden konnte. Zudem erfuhren auch in anderen Aspekten viele Homosexuelle mehr Gleichberechtigung, so sei beispielsweise in neun weiteren Ländern das Verbot von Blutspenden aufgehoben oder die Fristen für die Zurückstellung von Blutspenden zumindest verkürzt worden.

Auch in Ländern wie Georgien, Bosnien und Herzegowina, Moldawien, Montenegro und Norwegen nimmt die gesellschaftliche Akzeptanz immer weiter zu – selbst in Ungarn hält eine Mehrheit der Einwohner die Anti-Homo-Propaganda von Premierminister Viktor Orbán für nicht wichtig. In Polen unterstützt eine Mehrheit die Gleichstellung der Ehe und 60 Prozent der polnischen Bürger wollen, dass Anti-LGBT-Beschlüsse abgeschafft werden. Selbst in Russland gebe es Verbesserungen, so habe sich die Zahl derjenigen Russen, die LGBT-Menschen in ihrem Umfeld kennen, auf inzwischen 15 Prozent verdoppelt.

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