Ein Jahr SBGG in Deutschland Mehrere tausend Menschen vollzogen eine Personenstandsänderung
Vor knapp einem Jahr am ersten November 2024 ist das neue Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) in Kraft getreten – die Nachrichtenagentur KNA hat jetzt die aktuellen Daten rund um das neue SBGG in Deutschland recherchiert. Mehrere tausend Menschen haben bundesweit vor allem in den größeren Städten ihren Geschlechtseintrag ändern lassen, zuletzt ging die Nachfrage indes stark zurück.
Spitzenreiter Berlin, Leipzig und Hamburg
Allein in Berlin haben rund 2.500 Menschen die neue einfache Möglichkeit eines Personenstandswechsels genutzt, darunter ein Kind unter fünf Jahren; den größten Andrang gab es in der Regenbogenhauptstadt direkt nach dem Inkrafttreten des Gesetzes im November letzten Jahres mit 1.476 Anmeldungen. Auf Platz 2 im Städteranking landet Leipzig mit 1.308 Meldungen, wovon bereits 922 Änderungen vollzogen sind.
In Hamburg haben sich bislang 1.144 Menschen gemeldet, in Köln wurde der Eintrag 692 Mal geändert. Danach folgen München mit rund 500 Personenstandsänderungen, Dresden mit 455, Frankfurt mit 443 und Stuttgart mit 256. Dahinter kommen Rostock mit 218 Erklärungen, Chemnitz mit 194, Potsdam mit 189 und Münster mit 183. Die KNA hat dabei die Daten der zwanzig größten Städte in Deutschland direkt von den Standesämtern erfragt.
Ein Jahr neues SBGG
Das neue Selbstbestimmungsgesetz trat zum ersten November 2024 in Kraft und ermöglicht die Änderung des Geschlechtseintrags und des Namens binnen einfacher Erklärung beim Standesamt, bisherige psychologische Gutachten oder ein richterlicher Entschluss entfielen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass in den kommenden Jahren rund 4.000 Menschen jährlich einen Personenstandwechsel vollziehen werden.
Das SBGG ist dabei bis heute umstritten, Kritik kommt unter anderem von einzelnen Frauenverbänden wie aber auch mehreren schwul-lesbischen Vereinen. Die große Mehrheit der queeren Organisationen befürwortet das neue Gesetz. Aktuell wird zudem um mögliche Änderungen des SBGG gestritten, Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) plant ein neues Gesetzesvorhaben, das die Übermittlung der personenbezogenen Daten beim Personenstandwechsel an alle maßgeblichen Behörden vorsieht, um so "Missbrauch" vorzubeugen, so Dobrindt.
Queere Vereine wie der LSVD+ kritisieren das Vorgehen scharf, die Linksfraktion spricht von der Wiedereinführung „Rosa Listen“ und zieht einen indirekten Vergleich zum Nationalsozialismus. Eine geplante Entscheidung im Bundesrat darüber wurde im Oktober auf unbekannte Zeit vertagt. Daneben will die schwarz-rote Regierung das SBGG generell 2026 auch evaluieren lassen und möglicherweise weitere Änderungen vornehmen. Dobrindt betonte in diesem Zusammenhang, dass er Sicherheitsbedenken für Frauen sehe. Auch Familienministerin Karin Prien kritisierte zuletzt die „Schwächen“ des Gesetzes.
Queerbeauftragte betont sachliche Debatte
Die Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sophie Koch, betonte, dass die Evaluation des Selbstbestimmungsgesetzes „Positives bringen“ könne und wünscht sich zudem mehr Sachlichkeit in der Debatte, gerade auch bei vereinzelten Missbrauchsfällen des SBGG: „Wir sind gut beraten, solche extremen Einzelfälle nicht zum Maßstab unseres Handelns zu machen“, so Koch. Hier müsse man Einzelfallabwägungen in Betracht ziehen, wie sie gegenüber dem Spiegel weiter erklärte. „Das Selbstbestimmungsgesetz bedeutet für sehr viele Menschen nicht weniger als gesellschaftliche Teilhabe in Würde – ein Recht, das selbstverständlich sein sollte“.