Ein Jahr „Don´t Say Gay“ Mobbing und Angriffe nehmen zu, legitimiert durch das homophobe Gesetz in North Carolina
Ein Schuljahr unter North Carolinas neuen „Don't Say Gay“-Richtlinien: LGBTI*-Schüler zogen jetzt eine erste Bilanz über das Gesetz, das seit Beginn des Schuljahres 2023 jedwede Information oder Diskussion zum Thema LGBTI* an Schulen verbietet, ähnlich dem umgangssprachlich namensgleichen Gesetz im US-Bundesstaat Florida.
Mehr Elternrechte oder Zwangsouting?
Die Überschneidungen der beiden Gesetze sind frappierend. In North Carolina will das „Parents Bill of Rights“ die „geistige Gesundheit der Kinder“ fördern und die „elterliche Kontrolle über die Erziehung“ stärken. In gewissen Aspekten geht das Gesetz an der Ostküste Amerikas sogar noch weiter als im Sunshine State – so sind Lehrkräfte beispielsweise unter Strafandrohung angewiesen, alle Jugendliche ihren Eltern zu melden, die sich in der Schule als homosexuell oder queer outen oder den Wunsch nach einer Ansprache mit einem neuen Pronomen formulieren. Für die einen ist dies ein klassisches Zwangsouting, für die anderen die Stärkung von Elternrechten.
Angst vor Ablehnung
Ein erstes Schuljahr unter dem neuen Gesetz zeigt nun, dass ein feindliches Lernumfeld und Mobbing gegenüber (vermeintlichen) LGBTI*-Schülern offenbar massiv zugenommen haben, wie Recherchen von NBC News nahelegen. Gegenüber dem TV-Sender beteuerten einige homosexuelle und queere Jugendliche ihre Ängste: „Ich habe mehrere Freunde, die, wenn ihre Eltern herausfinden würden, dass sie in irgendeiner Weise homosexuell sind, sei es durch ein gewaltsames Outing oder wenn sie sich ihren Eltern gegenüber outen würden, wahrscheinlich aus dem Haus geworfen würden“, so ein Schüler. Mit Klarnamen mag sich aus Furcht kein Schüler zu erkennen geben.
Das kann hier nicht passieren – oder doch?
Einige schwule Jugendliche erzählten zudem, wie sehr sie von dem Gesetz selbst überrascht worden sein: „Als ´Don´t Say Gay´ in Florida verabschiedet wurde, war mein erster Gedanke: 'Das ist ja furchtbar. Ich bin froh, dass das hier nicht passiert.´ Ich dachte einfach, so ein Gesetz wäre hier zu abwegig, um jemals wirklich beschlossen zu werden. Ein paar Monate später kam es dann. Es fühlt sich noch immer verrückt an“, so ein 17-Jähriger.
Und sein gleichaltriger Freund ergänzt: „Schüler können grausam sein. Teenager lieben es, 'schwul' als Schimpfwort zu benutzen. Und ich denke, dass der Staat mit dieser Gesetzgebung dieses Verhalten noch fördert. Die Regierung eröffnet die Möglichkeit, dass man jetzt sozusagen von ganz oben erlaubt auf homosexuelle und queere Schüler herabsehen darf.“
Gebündelte Aktionen gegen LGBTI*
Die LGBTI*-Organisation Campaign for Southern Equality will außerdem eine neue Herangehensweise von konservativen und rechten Kräften in den USA erkannt haben – Ziel sei es dabei jetzt, schnell und gebündelt zu agieren, so Direktor Craig White: „Was die Rechten gelernt haben, ist, dass man diese Gesetze nicht in einem Staat nach dem anderen einführt, das könnte Gegenwind geben. Deshalb sehen wir diese Gesetze jetzt in einem Dutzend Staaten oder zwanzig Staaten auf einmal, weil die Hälfte des Landes nicht gleichzeitig boykottiert werden kann.“ Die Campaign for Southern Equality reichte in diesem Jahr eine Bundesbeschwerde gegen North Carolina ein – Ausgang offen.
Politisches Engagement wächst
Eine bedingt positive Entwicklung hat die neue Gesetzgebung allerdings doch, wie mehrere homosexuelle Schüler und auch die LGBTI*-Organisation bestätigen: Immer mehr LGBTI*-Schüler engagieren sich verstärkt politisch. „Es ist manchmal wirklich schwer und es fühlt sich an, als gäbe es eine Menge Leute, denen es lieber wäre, dass man gar nicht existiert. Der größte Mittelfinger, den man diesen Menschen zeigen kann, ist, dass man einfach weiter da ist, dass man weiter existiert“, so der 17-jährige Schüler abschließend.