Drogen: Jeder (in)direkt von betroffen „In Deutschland starben im Jahr 2021 mehr als 1.800 Menschen an den Folgen von Drogenkonsum und vor allem der gescheiterten Drogenverbotspolitik!“
Der neue Bericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) stellt in seinem jüngsten Bericht für Europa klar: Jeder ist direkt oder indirekt von Drogen betroffen. Für den Report wurden Daten aus allen EU-Staaten sowie aus der Türkei und Norwegen untersucht. Dabei erklärt die Fachstelle weiter: Angebote zur Schadensminimierung und Behandlung sind nach wie vor unzureichend und die Drogenproduktion sowie auch der Konsum sind wieder auf einem Level wie vor der Covid-19-Pandemie angekommen. Ein weiteres Problem, das sich auch in der Partyszene der LGBTI*-Community offenbart, ist: Es kommen ständig neue, potenziell gefährliche psychoaktive Substanzen hinzu, wobei sich die Vertriebswege immer mehr in die Sozialen Medien verlagern und somit noch schwerer zu verfolgen sind.
Die positive Nachricht: Nebst dem Anstieg des Drogenkonsums auf ein Level vor der Pandemie sind dabei wenigstens auch wieder die Drogenbehandlungsangebote und andere Gesundheitsdienste verfügbar – auch hier gab es während den Lockdowns oftmals einen Mangel. Die Deutsche Aidshilfe betont in diesem Zusammenhang, dass es gerade in diesem Bereich auch zu Innovationen gekommen ist, die eine positive Langzeitwirkung haben können – Stichwort Telemedizin. Beispielsweise soll beibehalten werden, dass leichtere und längere Mitgaben von Substitutionsmedikamenten nach Hause möglich sind.
Die beliebteste illegale Droge in Europa bleibt dabei Cannabis – beinahe jeder dritte Europäer (27 % +) konsumiert dies mindestens einmal in seinem Leben. In Frankreich ist die rauschhafte Wirkung der Pflanze besonders beliebt – 43 Prozent der Bürger sind Konsumenten. Problematisch sei dabei allerdings, dass Cannabis immer öfter mit synthetischen Beigaben vermischt werden würde, sodass Nutzer am Ende nicht wirklich sicherstellen können, was sie konsumieren und wie gefährlich es schlussendlich werden könnte. Es bestehe daher Bedarf an umfassenderen analytischen und toxikologischen Tests von Cannabisproben sowie an einer schnellen Kommunikation der Ergebnisse, so die EMCDDA weiter.
Synthetische Drogen sind auch in der queeren Community sehr beliebt – hier droht laut EMCDDA aber tatsächlich Lebensgefahr. Zum einen verlagere sich der Markt immer mehr ins Darknet, zum anderen kommen ständig neue synthetische Varianten auf den Markt, deren Gefährlichkeit sich kaum noch kontrollieren oder zeitnah untersuchen lasse. Ebenso ein “Revival“ erleben Kokain und Crack, der Konsum steigt hier abermals an. Das belegt auch die Anzahl der Menschen, die aufgrund von Crack eine Drogenbehandlung aufgenommen haben – binnen von sechs Jahren hat sich die Zahl auf rund 7.000 Patienten verdreifacht. Hotspots der Crack-Szene sind dabei vor allem inzwischen die Städte geworden, in Deutschland beispielsweise Berlin. Der Heroinkonsum ist dagegen auf einem stabilen Niveau angekommen und bleibt das am häufigsten konsumierte illegale Opioid in Europa - zuständig für die meisten drogenbedingten Todesfälle.
Immer auch im Blickpunkt ist dann die Kombination von HIV und Drogenkonsum: Die gemeinsame Benutzung von Spritzbesteck zum intravenösen Drogenkonsum ist mit dem Risiko von HIV- oder Hepatitis-Übertragungen verbunden, so die EMCDDA. 2020 wurden in der Europäischen Union 563 HIV-Diagnosen und 128 Aids-Diagnosen in Zusammenhang mit injizierendem Drogenkonsum gestellt. Auch die Hepatitis C-Prävalenz bei injizierenden Drogennutzern liegt je nach Land zwischen 13 und 86 Prozent – abhängig vor allem von den Angeboten zur Schadensminderung und Behandlung. Die Ziele der Weltgesundheitsorganisation, dass bis 2020 jede Drogen injizierende Person jährlich 200 sterile Spritzbestecke bekommen solle und mindestens 40 Prozent der Opioid-Konsumenten mit riskantem Konsum in einer Substitutionsbehandlung ist, wurden bisher lediglich von Luxemburg, Norwegen, Spanien und Tschechien erfüllt.
Björn Beck aus dem Vorstand der Deutschen Aidshilfe dazu: „In Deutschland starben im Jahr 2021 mehr als 1.800 Menschen an den Folgen von Drogenkonsum und – vor allem – der gescheiterten Drogenverbotspolitik, fast 16 Prozent mehr als 2020 und 44 Prozent mehr als 2017. Dieser dramatische Anstieg erfordert einen unverzüglichen Politikwechsel hin zu Entkriminalisierung und staatlicher Regulierung. Um Menschenleben zu retten, sind eine staatlich kontrollierte Abgabe auch sogenannter harter Drogen und die Entkriminalisierung der Drogenkonsumenten erforderlich – und ein Ausbau schadensmindernder Angebote. Die Kriminalisierung von Drogen konsumierenden Menschen zerstört das Leben Hunderttausender, darunter auch derjenigen, die ihnen nahestehen.“ So sei am Ende jeder direkt oder indirekt mit dem Thema Drogen konfrontiert.