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Ukraine: Trans-Menschen dürfen nicht flüchten! // © Биография артиста

Dramatische Flucht aus der Ukraine Trans-Frau Zi Faámelu geflohen

ms - 29.03.2022 - 17:00 Uhr
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Die trans-Sängerin Zi Faámelu berichtete jetzt gegenüber dem Tagesspiegel von ihrer dramatischen Flucht aus der Ukraine und ihren neuen Zielen, sich von Deutschland aus für die queere Community in ihrer Heimat starkzumachen. Faámelu hatte große Schwierigkeiten, überhaupt das Land verlassen zu können, da ihr Personalausweis noch nicht geändert wurde und sie so offiziell immer noch männlich ist (SCHWULISSIMO berichtete) – ein Tatbestand, der sie dazu gezwungen hätte, selbst zur Waffe zu greifen und ihre Heimat zu verteidigen.

Faámelu berichtet, wie sie nach den ersten Bombeneinschlägen in Kiew panisch reagierte: „Ich hatte große Angst - vor der russischen Invasion, aber auch vor transfeindlichen Menschen in meinem eigenen Land.“ Faámelu ist in den letzten Jahren zu einer bekannten und umstrittenen Persönlichkeit in der Ukraine geworden, nachdem sie im Finale des Gesangswettbewerbs „The Voice of Ukraine“ gestanden und sich später als trans-Frau geoutet hatte.

Entgegen der Mobilmachung von Präsident Selenskyj wollte Faámelu nicht in diesem Krieg kämpfen und entschied sich zur Flucht, eine „psychisch extrem herausfordernde“ Reise. An den meisten Checkpoints wurde sie sofort von Beamten erkannt, man nahm ihr ihren Pass weg und sie wurde zudem immer wieder auch transfeindlich beleidigt. Mehrfach musste sie sich daraufhin auch medizinischen Untersuchungen unterziehen lassen, die alle ihre Tauglichkeit für den Wehrdienst feststellten. Unter erschwerten Bedingungen erreichte sie schließlich trotzdem heimlich die Grenze zu Rumänien – der einzige Ausweg war, durch die Donau zu schwimmen. „Ich wollte das nicht tun. Ich wollte nicht akzeptieren, dass das gerade wirklich geschah. Es war furchtbar, wie in einem Horrorfilm“, so Faámelu.

Sie verstaute ihre Dokumente in einer Plastiktüte nahe dem Fluss. Als ukrainische Soldaten auftauchten und ihre Waffen auf sie richteten, rannte sie durch das Dickicht und sprang schlussendlich in die eiskalte Donau. Mit letzten Kräften schaffte sie es ans rumänische Ufer, wo sie von Polizisten aufgegriffen wurde: „Mein Kopf tat so weh. Ich habe nur Wörter herausgeschrien: Trans. Gefahr. Töten. Hilfe.“ Aber die Polizisten verstanden sie und kurz darauf konnte sie Freunde aus Deutschland kontaktieren, die sie abholten.

Inzwischen lebt Faámelu bei einer Familie in Magdeburg, bei der sie in Sicherheit ist: „Es gab eigentlich keine Zeit der Ruhe und Stille, denn ich habe alles verloren. Alles, was ich noch habe, ist meine Stimme.“

Mit dieser Stimme möchte sie auf die Situation von trans-Menschen in der Ukraine aufmerksam machen. „In meinem Heimatland denken viele, ich sei eine Verräterin, ein Feigling. Sie wollen mich zum Schweigen bringen. Die Welt steht zusammen mit der Ukraine und ich rede das schlecht. Aber das stimmt nicht. Ich liebe mein Land, aber eben nicht diesen Aspekt, deshalb muss ich die Wahrheit erzählen, um meiner Community zu helfen. In den letzten Tagen wurden die Bedingungen für die noch in der Ukraine verbliebenen trans-Frauen immer schlimmer: Zum einen durch die vorrückenden russischen Truppen, zum anderen ist es aufgrund der Kriegssituation immer schwerer für die Frauen in der Ukraine die nötigen Unterlagen zu bekommen, um als nicht kampftauglich eingestuft zu werden.“

Gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) und weiteren Vereinen entstand so inzwischen eine eigene Facebook-Seite für geflüchtete trans-Personen, um trans-Flüchtlingen zu helfen und transfreundliche Unterkünfte zu finden.

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