Diktaturen auf dem Vormarsch Warnsignal für alle LGBTI*-Menschen weltweit
Im Grunde ist es ein Donnerschlag in den heutigen Nachrichten: Nur noch 45 Prozent der Weltbevölkerung leben in einer Art von Demokratie. Die Zahl der autoritär regierten Staaten nimmt in dramatischer Weise zu – ein massives Warnsignal für alle marginalisierten Minderheiten, insbesondere aber für LGBTI*-Menschen. Innerhalb eines Jahres ist die Demokratie um rund fünf Prozent zurückgegangen, so die britische Economist-Organisation in ihrem jährlichen Demokratie-Index. Ein düsterer Rekord, wie die Gruppe resümiert. In einer „vollständigen Demokratie“ leben so nur noch rund 6 Prozent der Menschen, rund 37 Prozent dagegen in einer kompletten Diktatur. Die Zahl der autoritären Staaten steigt dabei von Jahr zu Jahr an. Positiv-Spitzenreiter ist Norwegen, dahinter folgen weitere nordische Staaten wie Schweden, Finnland, Dänemark und Island. Deutschland belegt den fünfzehnten Platz und reiht sich auch in die Riege der vollwertigen Demokratien ein. Schlusslichter sind Nordkorea, Myanmar und Afghanistan.

Nun mag man anführen, dass Staaten unter autoritärer oder despotischer Führung niemals eine positive Ausgangslage für die Bevölkerung sind. Warum also im Speziellen ein Blick auf die LGBTI*-Community? Die Antwort ist ganz einfach: Keine andere Gruppierung von Menschen hat in den letzten Jahren so viel Positives für sich erstritten, so viele Rechte dazugewonnen. Einer der Hauptgründe, warum beispielsweise Russlands Präsident Wladimir Putin die queere Community als Hauptziel seiner Attacken ausgemacht hat. Andere Despoten wie jene in Ungarn, Polen oder der Türkei sehen das ähnlich. Die LGBTI*-Community hat nicht nur ein neues Verständnis von freiheitlicher und liberaler Lebensweise in diverse westlich geprägte Länder getragen, sie hat auch gezeigt, wie erfolgreich und schnell sie für Rechte eintreten und diese schlussendlich auch erringen kann. Die LGBTI*-Community hat gelernt, Verbündete auf allen politischen Ebenen zu suchen, Mehrheiten in Gesellschaften zu motivieren und andere Menschen von ihrem Recht auf Freiheit, Gleichberechtigung und Akzeptanz zu überzeugen. Für Despoten auf der ganzen Welt, die bisher ihren Machterhalt mit dem Versprechen auf nationale, alte, zumeist religiöse Werte erhalten, eine große Gefahr.
Keine andere Menschenrechtsgruppe ist in den letzten Jahren so mächtig geworden wie die LGBTI*-Community. Damit hat sie sich automatisch auch zum Hauptangriffsziel für alle anderen gemacht. Zudem spielt den Machthabern ein zweites Grundprinzip in die Hände: Gerade im ländlichen Raum haben viele Menschen noch immer wenig oder gar keine Kontakte zu queeren Menschen. Der Homosexuelle ist noch immer der „Fremde“, das „unbekannte Wesen“. Genau jene Fremdheit fürchten all jene Menschen, die in einer globalen Welt immer mehr auf Vertrautes und Altbekanntes setzen. Das Neue ist das Böse. Es ist ein leichtes, die LGBTI*-Community so zum Sündenbock für alle anderen Probleme eines Landes zu machen – von Armut bis zur sozialen Ungerechtigkeit. Die Strukturen solcher Probleme und die wahren „Täter“ dahinter sind zumeist komplex, wie einfach ist es da doch, all jene Probleme den Homosexuellen in die Schuhe zu schieben.

Wie brutal dieser Kampf aktuell geführt wird, sieht man bereits heute in diversen Ländern. Unabhängige Medien werden abgeschafft, queere Lebenswelten medial wie digital verboten und Schulen werden als LGBTI*-freie Zonen instrumentalisiert – das geschieht aktuell in Polen wie in über 30 Bundesstaaten in Amerika. Wir sollten also sehr schnell und sehr entschieden diesen Tendenzen entgegentreten. Die heutige Nachricht über den Demokratieverlust in der Welt ist keine „nette“ Meldung, die unsere queere Lebenswelt in Europa nicht betrifft. Das Gegenteil ist der Fall – sie sollte uns in Alarmbereitschaft versetzen und uns motivieren, noch aktiver und lauter zu werden.