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Bambergs Glory Hole

Bambergs Glory Hole Gibt es eine heimliche schwule Szene in der bayerischen Kleinstadt?

ms - 20.03.2023 - 10:00 Uhr
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Immer mehr Städte in Deutschland rühmen sich mit modernen Parkhäusern, die sich allesamt trefflich als „Park-&-Ride“-Anlagen vermarkten lassen, sobald in der Nähe eine Haltestelle für den öffentlichen Personennahverkehr bereitsteht. Eine ganz anderes und doch eher ungewolltes Park-and-Ride-Angebot bot jetzt die Stadt Bamberg. Anders gesagt, das Thema Personennahverkehr ist für die bayerische Kleinstadt mit rund 77.000 Einwohnern eine besondere Herzensangelegenheit.

Dieser Nahverkehr, der historisch bedingt unter Homosexuellen oftmals durch eine kleine runde Öffnung zwischen zwei Toilettenkabinen im öffentlichen Raum stattfand, schockierte nun einen 39-jährigen zweifachen Familienvater. Der entdeckte in der Herrentoilette der „Park-&-Ride“-Anlage am Heinrichsdamm ein Glory Hole. Schlimmer noch, an den Wänden außerhalb der Toilette fanden sich bereits mehrere hingeschmierte Hinweisinformationen für den geneigten und interessierten Endkunden mit der Aufschrift „Gloryhole im WC!“

Wurde Park & Ride zu wörtlich genommen?

In allen Details berichtete der Herr dann verstört von seinen Erfahrungen der örtlichen Presse: „Es war ein Loch, etwa zwanzig Zentimeter hoch und etwa fünfzehn Zentimeter breit“. Die Öffnung war also groß genug, um problemlos für einen Ride in der „Park-&-Ride“-Anlage zur Verfügung zu stehen. Nur notdürftig war das heilige Löchlein dabei mit Toilettenpapier verhangen. Historisch betrachtet muss festgehalten werden, dass eben jene Glory Holes eine lange Geschichte in der Gay-Community haben und neben Lustgewinn auch immer der Ausdruck des Kampfes für Gleichberechtigung mit von Bedeutung war. Wo sonst konnten schwule Männer in früheren Zeiten ihrem Recht auf gleichgeschlechtlichem Sex nachkommen als in öffentlichen Toiletten mit eben jenen Glory Holes? So manche große Revolution um mehr Akzeptanz fand ihren Anfang auf einem stillen Örtchen.  

Ein neues Highlight für Bamberg?

Natürlich ist es ein Leichtes, das pikante Loch mit stattlichen Ausmaßen leichtfertig als Abartigkeit abzutun, doch Bamberg hätte auch einfach die Chance ergreifen können, und nebst dem Dom, dem Rathaus und der Neuen Residenz hiermit der Stadt ein weiteres touristisches Highlight hinzuzufügen. Immerhin gab es die ersten Glory Holes geschichtlich verbrieft bereits um das Jahr 1700 in London. Bis heute halten sich zudem dabei hartnäckig die Gerüchte, dass über die Jahrhunderte hinweg mindestens genauso viele heterosexuelle Herren den Weg zur oralen Kontaktaufnahme suchten wie schwule Jungs – einfach deswegen, weil zu Hause die brave Gattin mit dem Abendessen und den Kindern wartete.

Neidisch auf andere Städte?

In Bamberg freilich machte man trotzdem kurzen Prozess, Historie hin, Tourismusgewinn her. Die verantwortlichen Bamberger Stadtwerke versuchten zuerst mit einer „sofort angebrachten Metallabdeckung“ das Problem zu lösen, doch offensichtlich waren einige homosexuelle Historiker von der Glättung der Geschichte nicht begeistert. Kurz darauf war das heilige Loch wieder da, so die Stadtwerke. Eine neue Abdeckung wurde angebracht und diese sei nun absolut „vandalismussicher“. So bleibt Bamberg um eine Attraktion ärmer und dass, obwohl ihre Stadtväter auf der offiziellen Homepage der Stadt für Schwule werben und erklären: „Man muss nicht neidisch auf die Großstädte schielen: Auch Bamberg hat eine lebendige Szene.“ Nur zu lebendig sollten die schwulen Jungs dann bitte doch nicht werden, zumindest nicht in „Park-&-Ride“-Anlagen.

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