Abschied von Sven Lehmann Lehmann macht der Community Mut und betont: „Liebe wird gewinnen“
Der erste Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann von den Grünen, verabschiedete sich heute Abend von der queeren Community und möchte sich bei den LGBTIQ+-Menschen „von Herzen“ für die Unterstützung, kritisch-solidarische Impulse und für die Zusammenarbeit bedanken: „Es war mir eine große Ehre und ich habe dieses Amt unglaublich gerne ausgeübt.“
Rückblick auf dreieinhalb Jahre Queer-Politik
Lehmann schreibt weiter: „Als die Ampel-Regierung vor rund dreieinhalb Jahren, im Januar 2022, das neue Amt geschaffen hat, war das ein starkes Zeichen: Queere Themen gehören ins Zentrum der Politik. Zum ersten Mal gab es eine offizielle Ansprechperson im Range eines Parlamentarischen Staatssekretärs in der Bundesregierung, die sich ganz konkret für die Belange von LSBTIQ* eingesetzt hat. Ich durfte eure Perspektiven in Gesetze und politische Entscheidungen einbringen – bei großen, aber auch bei vielen kleinen Vorhaben. Mit dem Amt haben queerpolitische Anliegen auch an öffentlicher und medialer Sichtbarkeit gewonnen. Ich hoffe, meine Arbeit hat euch gezeigt: Ihr werdet gesehen. Eure Anliegen sind wichtig. Die Politik hört zu.“
Errungenschaften der Ampel-Regierung
Als die wesentlichen Errungenschaften während seiner Zeit als Queer-Beauftragter benennt Lehmann das Ende der Diskriminierung bei der Blutspende für schwule und bisexuelle Männer, die ausdrückliche Benennung von Hassverbrechen gegen LGBTIQ+ im Strafrecht und die Streichung des „Diskretionsgebot“ für queere Flüchtlinge. Ebenso benennt Lehmann die Weiterentwicklung des Völkerstrafrechts und den Aktionsplan „Queer Leben“, dessen meisten Schwerpunkte erst in diesem Jahr mit finanzieller Ausstattung starten hätten sollen – ob der Aktionsplan unter der neuen schwarz-roten Regierung weitergeführt wird, ist offen. Das Amt eines Queer-Beauftragten könnte allerdings nach Auskunft des Focus möglicherweise bestehen bleiben.
Als seinen „persönlich wichtigsten Erfolg“ bezeichnet Lehmann dann die Abschaffung des Transsexuellengesetzes: „Das neue Selbstbestimmungsgesetz bedeutet für viele trans* und nicht-binäre Menschen ein großes Stück Würde, Freiheit und Anerkennung. Ich bekomme nach wie vor viele Nachrichten aus der Community, die mich tief berühren.“ Im Koalitionsvertrag von Union und SPD wurde indes festgeschrieben, dass das SBGG bis 2026 noch einmal überarbeitet werden soll.
Angriffe auf die Community
Selbstkritisch betont Lehmann aber auch die Zunahme von massiven Angriffen auf die Community in seiner Amtszeit, obwohl Deutschland in puncto Gleichstellung zuletzt aufholen konnte im europäischen Ranking: „Wir müssen nicht nach Russland, Ungarn oder in die USA schauen, um politische Kräfte zu finden, die LSBTIQ* mit forcierten Angriffen und Kampagnen in die Rechtslosigkeit und Unsichtbarkeit zurückdrängen wollen. Wir erleben, wie rechtsextreme Gruppen in Deutschland gezielt gegen LSBTIQ* hetzen – offener und aggressiver denn je. Der Verfassungsschutz warnt vor einer gewaltbereiten rechtsextremen Jugendkultur. Zeitgleich mit dem Aufstieg der AfD erleben wir, wie der Ton in der Gesellschaft rauer wird. Die Sprache wird härter, Menschen werden eingeschüchtert. Rechte Parolen und Hass werden immer lauter – und das bleibt nicht folgenlos. Sie stacheln Menschen an, wiegeln sie auf und ermutigen sie zu aggressivem Verhalten im Alltag. Der Rechtsruck ist eine reale Bedrohung – für queere Menschen, für unsere Demokratie, für unser Zusammenleben. Viele spüren das im Alltag ganz konkret. Akzeptanz ist leider keine Selbstverständlichkeit. Sie kann auch wieder verloren gehen. Deshalb bleibt es unsere gemeinsame Aufgabe, gegen Queerfeindlichkeit aufzustehen – und für eine offene, vielfältige Gesellschaft und Demokratie zu kämpfen.“
Mut und Hoffnung
Mit Blick auf die neue Regierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz hält Lehmann außerdem fest: „Ich hoffe jedoch weiterhin, dass die neue Bundesregierung an die Arbeit der letzten Jahre anknüpft. Das Amt der*des Queer-Beauftragten ersatzlos zu streichen wäre ein Rückschritt – und ein fatales Signal an unsere Community. Denn: Eine erfolgreiche Queerpolitik ist kein Selbstläufer. Kein Fortschritt fällt vom Himmel. Rechte und Freiheiten sind nie selbstverständlich. Sie müssen immer wieder neu erkämpft und verteidigt werden. Dafür braucht es Mut, Ausdauer und einen langen Atem. Und den haben wir. Unsere Community hat so oft bewiesen, wie stark sie ist. Wir sind mutig. Wir sind widerstandsfähig. Wir geben nicht auf. Und genau deshalb bin ich optimistisch und glaube an eine gute Zukunft. Wir lassen uns nicht wieder entrechten oder unsichtbar machen. Freiheit wird gewinnen. Demokratie wird gewinnen. Liebe wird gewinnen.“