55 Jahre Stonewall Der Kampf um Freiheit und Gleichheit dauert weiter an
Es ist ein Ort der Geschichte, ein einzigartiger Platz für die LGBTI*-Community und der Beginn einer weltweiten Bewegung im Kampf um gleiche Rechte für Menschen jenseits der Heterosexualität. In der Nacht zum 28. Juni begannen im Jahr 1969 die fünftägigen Unruhen in Greenwich Village, erstmals wehrten sich dabei Schwule, Lesben und Drag-Queens gegen willkürliche Razzien in Schwulenlokalen und gegen die massive Polizeigewalt dieser Tage.
„Warum wehrt ihr euch nicht endlich?“
In jener Nacht auf den 28. Juni waren besonders viele Schwule in der kleinen Bar Stonewall Inn, weil am gleichen Tag die Schauspielerin Judy Garland („Somewhere Over The Rainbow“) beerdigt wurde, eine der großen „Schwulenikonen“ jener Zeit. Über 22.000 Menschen waren bei der Beerdigung am 27. Juni dabei, darunter allein rund 12.000 Homosexuelle.
Einmal mehr führte die Polizei in der Kneipe eine unangemeldete Razzia durch, doch dieses Mal wehrten sich die Gäste, rebellierten gegen Willkür, Gewalt und Verhaftungen aufgrund von „anstößigem Verhalten“, solidarisierten sich in ihrem Kampf und wurden damit zum Wendepunkt in der amerikanischen Gay-Geschichte. Auslöser der Unruhen war dabei die lesbische Aktivistin Stormé DeLarverie, sie schrie damals, während Polizisten versuchten, sie zu verhaften: „Warum wehrt ihr euch nicht endlich, Leute?“
Erst folgen Bierfalschen, kurz darauf prügelten sich Lesben, Schwule und Drag-Queens auf offener Straße mit den Polizisten, demolierten Polizeiwagen, bildeten Menschenketten und drängten die überforderten Polizisten immer weiter zurück. Der jahrelang aufgestaute Frust entlud sich explosionsartig. Es genügte der Polizei damals nicht, Schwule und Lesben einfach nur durch die Verhaftung selbst immer wieder zu demütigen, Bilder von ihnen landeten auch am nächsten Tag sehr gerne in der Presse, sodass viele von ihnen ihre Jobs verloren und bei Freunden oder der Familie zwangsgeoutet wurden.
Geburtsstunde des Pride
Ein Jahr nach dem Aufstand fand 1970 die erste Pride-Demonstration in New York statt, der Grundstein aller CSDs, benannt nach dem Treffpunkt, der Christopher Street. Seit Juni 2016 ist das „Stonewall Inn“ sowie der angrenzende Christopher Park ein Nationaldenkmal der Vereinigten Staaten von Amerika – ernannt vom damaligen US-Präsidenten Barack Obama. Anlass war der Amoklauf eines Islamisten im Schwulenclub Pulse in Orlando, Florida, kurz zuvor. 49 Menschen starben dabei – der Anschlag ist bis heute der folgenschwerste in der LGBTI*-Geschichte der USA.
Der Kampf ist nicht vorbei
Und die Angriffe gehen weiter, nicht nur durch hunderte Gesetze Jahr für Jahr, die gezielt versuchen, die Rechte von LGBTI*-Menschen zu terminieren, sondern auch durch eine stetig steigende Anzahl von Gewalttaten und Hasskriminalität gegenüber Homosexuellen und queeren Menschen in den USA.
Zuletzt verzeichnete das FBI 2022 einen Anstieg um rund 20 Prozent binnen eines Jahres auf rund 2.000 Vorfälle – die tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher liegen. Und auch das Nationaldenkmal Stonewall Inn ist bis heute das Ziel von Angriffen, immer wieder werden Regenbogenflaggen abgerissen und zerstört. Der Kampf um Gleichheit einerseits, und der gewaltbereite Hass gegen Homosexuelle andererseits, ist auch 55 Jahre später noch immer Alltag in den Vereinigten Staaten von Amerika.