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Queerer Blick auf Walter Bockmayer

Theatersternstunde in Köln Theaterstück über den einzigartigen Kultregisseur

ms - 28.11.2025 - 16:00 Uhr
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Der schwule Regisseur und Theatermacher Walter Bockmayer (†66) ist bis heute Kult – in Köln sowieso, aber auch in der Community. Das Dreiergespann des queeren Produktionsbüros Petra P. nimmt sich nun in ihrem neuen Theaterstück dem Leben des Ausnahmekünstlers auf besondere Weise an. SCHWULISSIMO sprach darüber mit Daniel Breitfelder und Sebastian Kreyer. 

Schwule Männer 35+ erinnern sich bei Bockmayer vor allem gerne an Filme wie „Im Himmel ist die Hölle los“ oder „Die Geierwally“. Was kann das Wirken von Bockmayer heute jungen queeren Menschen mitgeben?

Sebastian: Ich denke, die selbstbewusst stolze Art, mit der Bockmayer sein Schwulsein gelebt und ausgelebt hat, dass er sich von Anfang an immer zu sich bekannt hat, das kann auch junge queere Menschen heute noch beeindrucken – gerade, wenn mensch bedenkt, dass Bockmayer früher ja noch mit deutlich mehr Diskriminierungen und Ressentiments queeren Menschen gegenüber zu kämpfen hatte als es heute der Fall ist. Und natürlich: der Humor! Gerade in einer Zeit wie heute, in der junge Menschen natürlich mit einigem Recht nicht gerade euphorisch auf die Welt und in ihre Zukunft blicken, ist Bockmayers so schön albern anarchischer Humor natürlich doppelt wertvoll.

Daniel: Und er war ein Macher, hat immer einfach losgelegt, war immer produktiv – just do it! Da ist er für uns als Theatermachende auf jeden Fall auch ein Vorbild.

Ihr sagt so schön: Bockmayer war der Millowitsch der Subkultur und der Kölsche Fassbinder. Das ist wunderbar zusammengefasst. Bockmayer konnte „der Bockmayer“ werden, weil er jahrelang künstlerisch experimentieren durfte. Er hatte außerdem niemals Angst, Trash mit Hochkultur zu verbinden. Fehlt uns diese Experimentierfreudigkeit heute? 

Sebastian: Ich denke, dass es heute auch noch diese Verbindung von Unterhaltung, Humor bei gleichzeitigem Beherrschen des Handwerks gibt. Aber es ist heute eben viel schwieriger, damit auch an den etablierten Theaterhäusern zu reüssieren. Ich hab‘ viel an großen Häusern gearbeitet, in Hamburg oder Zürich zum Beispiel, da gab es aber nicht immer Verständnis für queeren Humor, mit dem ich mich auch damals schon ernsten oder klassischen Stoffen angenommen habe. Auch Daniel war viel an großen Häusern, auch fest in Ensembles, aber so richtig losgeschwuchtelt hat er erst, seitdem wir frei arbeiten. 

Bockmayer war der Entdecker und Förderer von vielen Community-Lieblingen wie Dirk Bach, Hella von Sinnen oder auch Ralph Morgenstern. Wie sieht es da heute in der Theaterwelt aus? 

Sebastian: Ich wünschte, dieses Klischee, dass das Theater so ein Hort von queeren Paradiesvögeln ist, würde ein bisschen mehr stimmen. Leider ist das Theater aber eben auch nicht weniger spießig als andere Institutionen in unserer Gesellschaft auch, inklusive Machtmissbrauch und Homophobie. 

Daniel: Deshalb haben wir ja zusammen mit Johannes Brüssau auch sehr bewusst unser Kollektiv, das Produktionsbüro Petra P., gegründet – auch als eine Art Safe Space, um queere Inhalte so erzählen zu können, wie wir es an festen Häusern oft nicht konnten.

Wie gelingt euch das? 

Daniel: Ich finde es vor allem wichtig, dass wir einen queeren Blick auf Stoffe werfen, auch auf nicht-queere. Dass die Zuschauenden sehen können, dass queere und nicht heterosexuelle Menschen sich da eines Themas annehmen und das mit ihrer Lebenswirklichkeit, die eben eine queere ist, durchdringen. Zumindest ist mein Bedarf an heteronormativen Inszenierungen, die ich über all die Jahre immer wieder im Theater anschauen musste, erst mal gedeckt.

Sebastian: In einer unserer letzten Arbeiten haben wir uns mit Traudl Junge auseinandergesetzt, Hitlers Sekretärin. Mitnichten ein queeres Thema. Aber weil Daniel sie so toll spielt und weil wir auch an so einem Abend zeigen, wer wir sind und wie wir lieben, ist auch das ein queerer Abend.

In Zeiten von Rollback und Rechtsruck in der Gesellschaft, wie wichtig ist eurer Meinung nach da das Theater? 

Daniel: Die Zeiten sind politisch gerade so finster, dass es jetzt vor allem wichtig ist, dass sich auch das Theater stark macht für den generellen Erhalt unserer demokratischen Zivilgesellschaft. Diese Aufgabe geht alle an, so wie es auch allen, die nicht im Sinne der Rechtsextremist*innen ticken, an den Kragen gehen wird, wenn wir jetzt nicht laut werden.

Sebastian: Vielleicht würd‘ ich mir diesbezüglich wünschen, dass die Theater da ein bisschen aus ihrem pseudo-intellektuellen Elfenbeinturm rauskommen.

Daniel: Sebastian darf das sagen, er hat nämlich Philosophie studiert. 

Sebastian. Genau! Nein, ich mein‘, es geht einfach darum, dass sich das Theater nicht zu sehr von der Lebenswirklichkeit der Menschen entfernt. Das war ja auch das Tolle an Bockmayer, dass er mit seiner unterhaltsamen Art, Theater zu machen, so viele „normale“ Menschen ins Theater locken konnte, ohne dabei populistisch oder anbiedernd zu sein. 

Was dürfen die Zuschauer von eurer Inszenierung erwarten? Und was erwartet ihr von den Zuschauern? 

Daniel: Zunächst mal, dass die Zuschauenden auch kommen! Wir können nämlich sehr ungehalten werden, wenn der Saal nicht voll ist. 

Sebastian: Ich möchte, dass dieser Abend kein reines Bio-Stück über Bockmayer wird, sondern, dass wir uns auch diesem Stoff persönlich annehmen – für mich waren Leute wie Bockmayer, aber auch Rosa von Praunheim, Lothar Lambert oder der wunderbare, nicht-queere Klaus Lemke, in meiner Pubertät ganz wichtig und verkörperten eine Art Gegenkultur zu den ganzen heteronormativen Lebensentwürfen. Sie haben diese Zeit der Einsamkeit, die die Pubertät für mich auch war, oft erhellt, haben mir Humor als Überlebensstrategie beigebracht und mich bis zum heutigen Tag geprägt. 

Bockmayer war zeitlebens egal, was andere über ihn dachten. Können wir heutzutage viel von ihm lernen, in denen so viele Wert auf digitale Likes legen? 

Daniel: Diese Frage lässt sich eindeutig beantworten: Ja!!!

Vielen Dank euch zwei und Toi Toi Toi!

 

WALTER BOCKMAYER. DER ANDERE MILLOWITSCH

Premiere 05. Dezember

Weitere Termine: 06.+31.12.2025 sowie 28.+29.01.2026

Karten unter Theater der Keller Köln

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