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Assi Azar // © Archiv
Regional

Im Interview Assi Azar

id - 07.07.2019 - 07:00 Uhr

„Ich glaube an Frieden, und ich möchte in Frieden neben meinen Nachbarn leben!“

Mitte Mai fand der diesjährige Eurovision Song Contest in Tel Aviv statt. Zum vierköpfigen Moderatorenteam gehörte dabei auch der 40-jährige smarte und offen schwule israelische Moderator Assi Azar. SCHWULISSIMO hatte die Chance, und konnte sich mit ihm über den ESC, sein Leben und das Land, in dem er lebt, zu unterhalten.

Hallo Assi! Danke, dass du für dieses Interview Zeit gefunden hast.
Shalom!

Durch den ESC sind sicher etliche Leute auf dich aufmerksam geworden, welche dich vorher noch gar nicht kannten. In Israel bist du ja schon länger bekannt, doch plötzlich interessieren sich auch Leute aus ganz Europa für diesen smarten Moderator. Erzähle uns doch zunächst einmal etwas über deinen beruflichen Werdegang.
Zunächst einmal danke ich euch für dieses Interview. Ich bin froh, dass ich die Gelegenheit habe, mich all eueren schönen, lustigen, klugen und sexy Lesern vorzustellen (und ja, Leute, ihr seid all das!). In meiner Karriere war ich die letzten 15 Jahre vor allem Fernsehmoderator. Ich moderierte Primetime-Shows wie „Big Brother Israel“ und „Rising Star“. Das ist die Show, in der jedes Jahr ausgewählt wird, wer Israel beim Eurovision Song Contest repräsentiert - wir haben z.B. auch Netta ausgewählt! Zudem bin ich auch Drehbuchautor.

Der ESC ist dann natürlich eine ganz andere Größe, allein, wenn man nach den Zuschauerzahlen geht. Wie fühlt man sich, wenn man solch ein Ereignis moderieren darf?
Ich fühle mich so großartig dabei, das tue ich ehrlich. Dies ist eine so einmalige Erfahrung und es hat genauso viel Spaß gemacht, wie ich gehofft hatte. Ich bekam danach so viele E-Mails und direkte Messages von Leuten, von Teenagern aus ganz Europa und vor allem aus Russland, die tief im Verborgenen sind und sich dafür bedanken wollten, dass ich in der Show so offen in Bezug auf meine Sexualität war, auch von Leuten aus dem Iran, welche mir erzählten, dass sie auch die Show gesehen haben, und dass sie auch einmal eine andere Seite Israels sehen konnten. All diese Botschaften brachten mir Tränen in die Augen. Und genau DAS ist es, weshalb ich den ESC so liebe. Es bringt Menschen wirklich zusammen! Und es bringt das Schöne in uns allen zum Vorschein.

Im Vorfeld musstest Du dich in Bezug auf deine Favoriten ja diplomatisch zeigen. Doch jetzt nach dem ESC… kannst du uns deine Favoriten nennen?
Sicher. (lacht) Meine Top 5 waren:

5. Mahmood – Soldi (Italien)
4. Chingiz – Truth (Aserbaidschan)
3. Miki - La venda (Spanien)
2. Der Gewinner” Der fabelhafte Duncan Laurence – Arcade (Niederlande)
1. Natürlich unser Kobi Marimi – Home (Israel)

Ich muss sagen, ich mochte euer Lied von Sisters auch. Ich glaube nicht, dass es die Punkte bekommen hat, die es verdient hätte. Es hätte in den Top Ten sein sollen!


Und dann auch noch Madonna…
Ja, meine zukünftige Ehefrau! (lacht) Was für eine Ehre, sie kennenzulernen, mit ihr zu plaudern, sie zu interviewen und mit ihr zu teilen, dass ich wegen ihr meinen spanischen Ehemann Albert getroffen habe! Wir haben uns nämlich kennengelernt, als ich nach Barcelona kam, um ihr Konzert zu sehen. Madonna wird immer einen Platz in meinem Herzen für die Musik haben, und weil sie so viel für die LGBTI*-Community getan hat. Es ist mir egal, ob sie großartig oder weniger großartig sang - sie ist meine Königin!

Es heißt ja immer, der ESC soll nicht politisch sein, doch es passiert immer wieder, dass manches doch passiert. Nehmen wir beispielsweise die isländische Band Hatari, welche bei der Punktevergabe die Palästinische Flagge zeigte – was gar nicht gut ankam. Oder eben halt auch Madonna mit ihren beiden Tänzer*innen und den Flaggen der beiden Länder auf deren Rücken. Wie ist deine Meinung dazu? Wird man das politische in der heutigen Zeit gänzlich aus solch einem Wettbewerb raushalten können?
Ich denke, dass wir genug Politik in unserer Welt haben. Die Entscheidung, um Politik aus der Eurovision Show herauszuhalten ist meines Erachtens richtig. In der Show soll es sich um das drehen, was uns vereint – nämlich die Musik. Aber ich glaube auch an die Redefreiheit, und ich glaube fest an Frieden, solange die Botschaft darum geht. Damit bin ich dann auch einverstanden. Ich denke, dem Rest meiner Brüder und Schwestern in Israel geht es genauso! Wir alle wollen in Frieden leben.

Sicher ist es auch für dich nicht ganz einfach für Leute aus anderen Teilen der Welt zu erklären, was da zwischen Israel und Palästina eigentlich nicht funktioniert. Das ist für eine öffentliche Person wie dich sicher auch eine Gradwanderung, hierzu eine klare Stellung zu beziehen, oder?
Als Fernsehmoderator, Künstler und auch als Israeli möchte ich nur eine Botschaft laut rufen: Ich glaube an Frieden, und ich möchte in Frieden neben meinen Nachbarn leben! Ich bete jeden Tag dafür!

Hast du nach dem ESC eigentlich in den sozialen Medien, also z.B. auf Instagram, gemerkt: „Hoppla, da sind jetzt mehr internationale Follower dabei. Vielleicht sollte ich nun öfter auch mal etwas in Englisch zu schreiben!“. Nicht viele verstehen schließlich hebräisch.
Ich habe schon vor dem ESC auf Twitter und Instagram auf Englisch geschrieben. Ich habe viele Freunde auf der ganzen Welt und ich möchte, dass auch sie die dummen Dinge verstehen, die ich schreibe. Aber mit dem ESC ist das natürlich auf ein neues Level gekommen! Ich habe jetzt so viele Fans aus der ganzen Welt und ich liebe es! Von Zeit zu Zeit unterhalte ich mich mit einigen von ihnen, und ich habe auch ein paar nette Jobangebote bekommen, die mir gefallen. Die Chance, in anderen Ländern zu arbeiten und durch ganz Europa zu reisen, ist ein schönes Extra!

Nun kommt ja noch dazu, dass du schon einige Zeit als offen schwul auftrittst. Doch das war sicher nicht immer so, oder? Man hört ja, dass dein Outing auch nicht ganz freiwillig kam, weil die Presse dich wohl outen wollte.
Die Presse wusste schon, dass ich schwul war, bevor ich überhaupt mein Outing hatte. Ich war 24, habe gerade meine Karriere begonnen, hatte mich zum ersten Mal in einen Typen verliebt und bin dann da mit meinem Outing rausgekommen. Ich habe es nicht getan, weil ich von der Presse gedrängt wurde. Ich habe es getan, weil ich nicht der Typ sein wollte, der sein wahres Ich versteckt! Sobald ich zu 100% damit glücklich war, ich zu sein, sagte ich es der Welt. Alle um mich herum sagten mir, ich solle das Interview nicht machen und nicht sagen, dass ich schwul bin. Sie sagten, meine Karriere würde dann beendet sein - aber sie lagen alle falsch! Meine Karriere ging sogar besser weiter, nachdem ich mich geoutet hatte. Ich fühlte mich besser mit mir selbst und es machte mich zu einem besseren Fernsehmoderator! Die Menschen zu Hause schätzen Ehrlichkeit!

Neben deinen Moderationsjobs hast du nebenbei ja auch gleich zwei Dokumentationen über dein Outing gedreht. Um was genau geht es in diesen beiden Dokus?
„Mom and Dad, I have something to tell you“ ist eine 45-minütige Dokumentation über die Reise, die Eltern, deren Kinder ihnen sagen, dass sie schwul sind, unternehmen müssen. Durch den Film werden verschiedene Geschichten verschiedener Familien und deren unterschiedliche Reaktionen mit großer Ehrlichkeit gezeigt. Einige von ihnen sind optimistisch, andere herzzerreißend, aber alle offenbaren eine viel größere Tatsache im Leben: Die Liebe der Eltern zu ihren Kindern ist stärker als alles andere. Meine Eltern sind natürlich auch im Film zu sehen!

Bei „He's my god too“ dreht es sich darum, wie die Hochzeit mit meinem Partner von statten ging. Ich habe meinen Partner im Sommer 2016 in Barcelona geheiratet, und bevor wir das machten, habe ich mich mit der Möglichkeit befasst, die Lücken und Spannungen zwischen gleichgeschlechtlichen Beziehungen und dem Judentum zu überbrücken. Könnten jüdische Symbole ein Teil der Hochzeit sein? Kommt mein Vater zur Hochzeit, auch wenn er gegen eine Homo-Ehe ist?


Und das ist ja nicht alles, du hast auch die Serie „The Baker and the Beauty“ (dt. Titel „Die Schöne und der Bäcker“) erdacht und die Drehbücher verfasst. Bisher gibt es drei Staffeln, welche in Deutschland über Amazon Prime zu sehen sind. Nachdem schon die Amerikaner sich an eine Adaption wagen wollen, und auch aus Deutschland hört man ähnliches. Was hältst du davon? Macht dich dieser Erfolg stolz?
Oh ja! „Die Schöne und der Bäcker“ ist mein Lieblingsbaby! Ich bitte euch alle, es auf Amazon Prime zu sehen! Und ihr müsst einfach, schließlich ist Beyonce mit dabei… Ok, ich mache Witze, Beyonce ist nicht dabei - aber man muss es sehen, es ist lustig und romantisch und es wird einem ein gutes Gefühl geben, bevor man schlafen gehst! Wenn du es dir anschaust, schreib mir eine Message auf Instagram und sag mir, wie sehr du es geliebt hast! Und wenn du es hasst, schreib mir, dass du es geliebt hast! Ja, ich bitte dich, zu lügen! (lacht)

Was für Projekte stehen in der näheren Zukunft noch so bei dir an?
Ich drehe jetzt die zweite Staffel von „Ninja Warrior“, im September werden wir eine neue Staffel von „Rising Star“ drehen, um unseren nächsten Repräsentanten für Eurovision 2020 in den Niederlanden zu finden. Im November geht es dann an die dritte Staffel von „The Beauty and the Baker“ und ich hoffe, dass ich bis 2020 meine beste Arbeit abliefern werde, wenn wir ein neues Mitglied in unsere Familie holen werden. Aber hier is es noch ein bisschen zu früh, um darüber zu sprechen. (lächelt vielsagend)

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