Start der Pride-Saison 2025 Ende April startet endlich die neue CSD-Saison - in Ostdeutschland unter besonders schwierigen Voraussetzungen
Endlich ist es bald soweit: Im April beginnt die diesjährige Pride-Saison, den Anfang macht Sachsen-Anhalt. Von Schönbeck geht´s über Dessau-Roßlau und Wernigerode nach Merseburg, Wittenberg und Köthen, bevor dann unter anderem in Magdeburg, Halle und Stendal weiter demonstriert wird. Ein Unterfangen zwischen Kampfeslust und Mut trotz hoher AfD-Werte. Falko Jentsch vom CSD Magdeburg hat SCHWULISSIMO mehr verraten.
Wie blickst Du auf die kommende Pride-Saison?
Ich blicke mit großer Vorfreude, aber auch mit Respekt auf die kommende Pride-Saison. In diesem Jahr finden erstmals tatsächlich elf CSDs in Sachsen-Anhalt statt – darunter zwei in Städten, die noch nie zuvor einen CSD veranstaltet haben. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass CSDs in Sachsen-Anhalt immer wichtiger werden – nicht nur als politische Demonstrationen, sondern auch als sichere Räume für queere Menschen. Viele CSD-Teams befinden sich bereits in der finalen Planungsphase und arbeiten mit Hochdruck an den Programmen, den Demonstrationsrouten und der Sicherheitsstruktur. Besonders spannend wird es in Städten, in denen der CSD erst zum zweiten oder dritten Mal stattfindet – dort wächst die Community gerade erst zusammen. Unser Ziel ist es, nicht nur Sichtbarkeit zu schaffen, sondern auch den Zusammenhalt zwischen den verschiedenen Organisationen im Bundesland zu stärken. Es macht mich wirklich stolz zu sehen, wie gut hier zusammengearbeitet wird.
Die AfD Sachsen-Anhalt kam bei der Bundestagswahl auf 37,1 Prozent. Was macht das mit LGBTIQ+-Menschen vor Ort?
Die Wahlergebnisse haben für große Unsicherheit und Angst gesorgt. Gerade in ländlichen Regionen erleben viele queere Menschen Feindseligkeit und offene Ablehnung. Die AfD betreibt eine gezielte Politik der Ausgrenzung und versucht, queeres Leben unsichtbar zu machen. Viele haben Angst, sich öffentlich zu zeigen oder politisch zu engagieren. Gleichzeitig gibt es aber auch einen starken Zusammenhalt in der Community – die Wut über diese Entwicklung führt dazu, dass sich mehr Menschen aktiv einbringen, Netzwerke stärken und sich nicht unterkriegen lassen. Wir erleben aber auch, dass teilweise auch die CDU versucht, uns Steine in den Weg zu legen. In einigen Regionen wird gezielt Druck auf Sponsoren und Geldgeber ausgeübt, um zu hinterfragen, ob die Finanzierung eines CSDs nicht möglicherweise gegen das Neutralitätsgebot verstoße. In Städten wie Wernigerode werden sogar gezielt Akteure gesucht, um gemeinsam gegen die Ausrichtung des CSDs vorzugehen.

Umso wichtiger ist es, verstärkt für LGBTIQ+ einzutreten. Wie motiviert ihr euch?
Wir erinnern uns immer wieder daran, warum wir das tun: für Sicherheit und für eine Zukunft, in der queere Menschen keine Angst mehr haben müssen. Die Angriffe auf unsere Rechte und Freiheiten zeigen, dass es umso wichtiger ist, laut und sichtbar zu sein. Unsere Motivation ziehen wir aus unserem starken Netzwerk. Über 20 Jahre lang gab es in Sachsen-Anhalt nur CSDs in Halle und Magdeburg. 2019 haben wir beschlossen, dass sich das ändern muss – und so wurde das Netzwerk CSD Sachsen-Anhalt ins Leben gerufen. Heute umfasst es rund 400 aktive Mitglieder im gesamten Bundesland. Die Vernetzung geht weit über die gemeinsame Organisation von CSDs hinaus – wir erleben ein ganzjähriges queeres Leben in Sachsen-Anhalt mit vielfältigen Veranstaltungen von Buchlesungen über Karaoke- und Kinoabende bis hin zu Picknickwanderungen. Sogar ein queeres Fernsehprojekt ist in Planung! Diese Vielfalt ermöglicht es jeder Person, sich einzubringen – und das motiviert uns alle enorm.
Zuletzt kam es vermehrt zu Angriffen auf Pride-Teilnehmer und Aufmärschen von Rechtsextremisten bei CSDs. Wie wollt ihr die Sicherheit gewährleisten?
Sicherheit ist ein zentrales Thema für uns. Wir arbeiten eng mit Polizei, Ordnungsämtern und privaten Sicherheitsdiensten zusammen, um unsere Veranstaltungen bestmöglich abzusichern. Zudem gibt es Notfallkonzepte und Awareness-Teams, die vor Ort ansprechbar sind. Wir empfehlen allen Teilnehmenden, aufmerksam zu bleiben, sich in Gruppen zu bewegen und im Notfall Ansprechpersonen aufzusuchen. Wichtig ist auch, Übergriffe zu melden – sowohl vor Ort als auch danach bei Beratungsstellen, damit sie dokumentiert und verfolgt werden können. Aus der Not haben wir eine Tugend gemacht und ein fest etabliertes Awareness-Team geschaffen. Zusätzlich haben wir eine ehrenamtliche Meldestelle für Übergriffe ins Leben gerufen.
Ihr wollt auch die LGBTIQ+-Sichtbarkeit im ländlichen Raum stärken, wo noch viele Vorurteile vorherrschen. Wie geht ihr das an?
Wir setzen auf lokale Netzwerke und ermutigen Menschen vor Ort, selbst aktiv zu werden. Besonders erfolgreich waren in den letzten Jahren niedrigschwellige Angebote wie queere Stammtische, Workshops und kleine Kulturveranstaltungen. Diese schaffen Begegnungen, bauen Vorurteile ab und stärken das Selbstbewusstsein queerer Menschen in kleineren Städten und Dörfern. Uns ist wichtig, dass sich Gruppen auf ihre eigene Weise entwickeln können. Deshalb schaffen wir Strukturen, die sie dabei unterstützen.
Deine finale Botschaft an die deutschlandweite Community?
Lasst uns zusammenhalten! Die Herausforderungen sind groß, aber wir sind viele – und wenn wir gemeinsam laut, sichtbar und entschlossen auftreten, können wir etwas bewegen. Pride ist kein Party-Event, sondern eine politische Notwendigkeit. Jede einzelne Person, die auf die Straße geht, macht einen Unterschied. Bleibt laut, bleibt mutig, bleibt solidarisch!
Falko, vielen Dank fürs Gespräch und alles Gute für die Pride-Saison 2025!