LGBTI* in der Ukraine Ukrainische Bevölkerung blickt heute anders auf LGBTI*-Menschen
Seit einem guten Jahr sorgt der grausame Krieg zwischen Russland und der Ukraine für viele furchtbare Bilder, tausende von toten Soldaten und Zivilisten und auch innerhalb der LGBTI*-Community vor Ort für viel Schrecken. Nach Schätzungen von internationalen Organisationen wie Forbidden Colours sind bisher rund 400.000 LGBTI*-Menschen aus der Ukraine geflohen. Dabei hat der Krieg offenbar auch einen gewissen positiven, und sicherlich von Russland nicht beabsichtigen Nebeneffekt: Die Ukrainer entwickeln offenbar immer mehr Verständnis für LGBTI*-Menschen.
Ukrainer vereint wie nie zuvor
Zu diesem Schluss kommt die LGBTI*-Organisation Kyiv Pride, die bis heute jeden Tag versucht, LGBTI*-Menschen vor Ort wie aber auch bei der Flucht selbst zu helfen. Der Verein arbeitet eng mit dem deutschen Bündnis Queere Nothilfe zusammen, das binnen eines Jahres bereits rund eine Million Euro an Spenden für LGBTI*-Flüchtlinge aus der Ukraine einsammeln konnte. Die Leiter der Kyiv Pride, Jul Sirous und Olha Onipko, erklärten nun gegenüber der Nachrichtenagentur PA, dass der Krieg das Land geeint hat: „Ich bin davon überzeugt, dass sich die ukrainische Gesellschaft verändert hat und deswegen anfing, sich gegenseitig zu helfen. Das ist der Hauptgrund, warum Russland nicht gewinnen kann, denn wir sind nicht getrennt. Wir sind wie eine einzige Nation“, so Onipko, die weiter erklärt, dass sich so auch die Sichtweise auf die LGBTI*-Community insgesamt deutlich verbessert habe.
Erstaunliches Umdenken in der Gesellschaft
Das Land hat bis heute nur begrenzte Rechte für LGBTI*-Menschen, es gibt keine gleichgeschlechtliche Ehe und nur einen geringen Schutz vor Diskriminierung. Eine Umfrage aus dem Jahr 2019 ergab noch, dass nur 14 Prozent der Ukrainer Homosexuelle und queere Menschen akzeptieren würden. „Die Meinung über LGBT-Menschen hat sich dramatisch verändert. Es ist eine gute Veränderung, weil viele Menschen verstehen, dass solche Dinge wie sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität nicht sehr wichtig sind, wenn man von diesen Menschen gerettet wird. Ich finde das erstaunlich!", so Onipko weiter.
Kaum noch Angst, mehr Wut innerhalb der Community
Inzwischen erlebt die Organisation auch, dass immer mehr LGBTI*-Menschen aus dem sicheren Ausland zurück in die Ukraine kommen – sie wollen vor Ort helfen und für ihr Land kämpfen wie beispielsweise Edward Reese, ein weiterer Mitarbeiter von Kyiv Pride: „Wir wollen wirklich, dass Russland so schnell wie möglich aus unserem Land verschwindet. Wir wollen den Sieg. Wir wissen, dass wir diesen Krieg gewinnen werden, dass wir unseren Sieg haben werden, aber es ist definitiv sehr schwer, all die Dinge zu ertragen, die wir durchmachen – vom Tod unserer Angehörigen bis hin zu Bombenangriffen. Aber wir sind nicht mehr verängstigt. Wir sind müde, wütend und aktiv!“
Tiefe Verbundenheit zwischen LGBTI*-Menschen
Kyiv Pride konzentriert derzeit darauf, einen Schutzraum für LGBTI*-Menschen vor Ort aufrecht zu erhalten. Auch dieses physische Zusammenrücken bewirke zudem eine mentale tiefe Verbundenheit zueinander. Das bestätigte zuletzt auch die ukrainische Botschafterin Oksana Markarova bei ihrem Besuch in den USA: „Die LGBTI*-Community ist untrennbar mit uns verbunden, ob hier oder in der Ukraine. Je schneller wir jegliche Diskriminierung beenden können, desto schneller werden wir gewinnen, nicht nur auf dem Schlachtfeld in der Ukraine, sondern auch weltweit!“