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Das neue Gesetz schaffe Freiräume für Exhibitionisten
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Juristen kritisieren Self-ID „Hier wird ein derartiges Missbrauchspotenzial präsentiert, da kann man sich nur an den Kopf fassen.“

ms - 19.08.2022 - 10:30 Uhr

Scharfe Kritik am geplanten neuen Selbstbestimmungsgesetz (kurz auch Self-ID genannt) kommt jetzt von mehreren Strafverteidigern, die seit Jahrzehnten Kriminelle, Sexualstraftäter und Exhibitionisten verteidigen – einer von ihnen ist Udo Vetter, der in den letzten Jahrzehnten mehrere hundert Sexualstraftäter verteidigt hat. Für ihn ist klar: „Ich weiß, dass dieses Gesetz für Teile der Klientel, die ich vertrete, verführerisch wäre“, wie er im Interview mit der NZZ sagt. Nach den letzten Plänen der Ampel-Koalition sollen sämtliche, bisherigen Kontrollen vor einem Geschlechtswechsel, beispielsweise eine psychologische Begutachtung, gestrichen werden. Künftig können Menschen einmal im Jahr via Sprechakt juristisch ihr Geschlecht ändern – weitere Anpassungen oder Kontrollen gibt es nicht mehr. Befürworter des neuen Gesetzes argumentieren damit, dass gerade psychologische Gutachten menschenunwürdig seien, denn nur jeder Mensch selbst könne wissen, welches Geschlecht er habe.

Strafverteidiger Vetter sieht das sehr kritisch: „Dieses Gesetz macht mich fassungslos. Die Rechte transsexueller Menschen müssen erleichtert werden, das ist ein berechtigtes Anliegen. Was mich als Juristen aber irritiert, ist das Schrankenlose. Alle Menschen, auch diejenigen, die nur Spaß daran haben, ihr Geschlecht zu ändern, sollen das durch eine einfache Erklärung bei einer Behörde tun können. Für mich ist das unbegreiflich. Wer als Bürger zum Beispiel Wohngeld beantragen will, muss auch nachweisen, dass er anspruchsberechtigt ist.“ Befürworter des Selbstbestimmungsgesetzes setzen dem oftmals entgegen, dass niemand “nur aus Spaß“ sein Geschlecht ändern würde. Dazu erklärt der Jurist und Experte: „Wenn Sie als Bürger nicht darlegen müssen, warum Sie staatliche Hilfe benötigen, sind Sie unter Umständen verleitet, das auszunutzen. Beim geplanten Selbstbestimmungsrecht soll es noch einen Schritt weiter gehen. Da wird das Geschlecht zur Disposition des Einzelnen gestellt. Ich als Mann muss nicht einmal begründen, warum ich künftig eine Frau sein möchte. Es reicht, dass ich es möchte. Ich kann dazu nur Folgendes sagen: Wo immer der Staat solche Möglichkeiten eröffnet, werden sie auch genutzt.“ Vetter bezieht sich dabei auch auf zahlreiche Vorfälle, die in der jüngsten Vergangenheit immer wieder in den USA oder auch Großbritannien aktenkundig geworden sind. Es gäbe laut Vetter diverse Gründe, warum Männer kurzzeitig ihr Geschlecht künftig auch in Deutschland ändern wollen würden, wenn dies so einfach möglich wird: Als politischer Protest, um sich einen beruflichen Vorteil zu verschaffen (Stichwort Frauenquote), um bessere oder schneller Leistungsbezüge zu erhalten, bei männlichen Gefängnisinsassen, um als Mann in ein Frauengefängnis verlegt zu werden oder auch als Teenager als Ausdruck der Rebellion während der Pubertät.

In Ländern wie Großbritannien oder den USA würde sich bereits durch die Möglichkeit zur Selbstidentifizierung ein “Sturm zusammenbrauen“, ähnliches könnte künftig auch in Deutschland geschehen: „Ich bin seit dreißig Jahren ausschließlich als Strafverteidiger tätig und habe Hunderte Sexualstraftäter verteidigt. Das gibt mir Einblicke in Täterpersönlichkeiten. Dieses Gesetz würde nicht nur für rational denkende Menschen gelten, sondern auch für Menschen, die triebgesteuert sind. Wenn der Staat jetzt die Möglichkeit eröffnet, dass man durch eine bloße Erklärung zum Beispiel keinen Exhibitionismus mehr begehen kann, dann kann das ein Exhibitionist ausnutzen. Dieser Straftatbestand ist auf Frauen nicht anwendbar.“ Vetter spielt darauf an, dass der Paragraf 183 des Strafgesetzbuches exhibitionistische Handlungen als eine Straftat nur für Männer definiert. Für eine, per Ausweis als Frau definierte Person ist Exhibitionismus straffrei.    

„Der Staat eröffnet mit diesem Gesetz auch Exhibitionisten die Möglichkeit, sich ganz legal Zutritt zu Schutzräumen für Frauen zu verschaffen. Das ist ein Punkt, den man einfach sehen muss: Wenn sich der Mann per Selbstbestimmung zur Frau macht und damit vor dem Gesetz als Frau gilt, darf ich ihn am Eingang nicht mehr kontrollieren. Und ich darf ihn nicht rausschmeißen, wenn er sich in der Umkleide auszieht und sich in voller Pracht präsentiert. Hier wird ein derartiges Missbrauchspotenzial präsentiert, da kann man sich nur an den Kopf fassen. Eine Gesellschaft funktioniert nur, wenn die wechselseitigen Interessen der Bürger gesehen werden und in einen gerechten Ausgleich gebracht werden. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wieso derartige Rechte nun mit der Gießkanne gewährt werden sollen. Transpersonen, die wirklich im falschen Geschlecht gefangen sind, sind ja nicht das Problem. Die Frage lautet: Wieso muss das jeder machen dürfen? Mindestens fünfzig Prozent der Bevölkerung, nämlich Frauen, müssen Angst davor haben, dass ihnen künftig ihre Schutzräume genommen werden“, so Vetter weiter im NZZ-Interview. Dabei wäre es laut dem Juristen sehr einfach, das alte Transsexuellengesetz durch ein moderates Gesetz zu erneuern, allerdings bedürfe es eben Kontrollinstanzen, beispielsweise verpflichtenden Beratungen, die vorab prüfen, ob wirklich eine Geschlechtsdysphorie ursächlich für den Wunsch einer Geschlechtsanpassung ist. Solche Kontrollpunkte lehnen vor allem maßgeblich Mitglieder von Bündnis 90 / Die Grünen abermals ab.

Vetter betont dabei auch, dass es gar nicht erst bis zum Missbrauch selbst kommen müsse, das neue Gesetz würde bereits im Vorfeld die Rechte vieler anderer Menschen einschränken – beispielsweise melden sich schon jetzt viele Eltern bei dem Strafverteidiger, die ihre Kinder auch in fortgeschrittenem Alter nicht mehr allein ins Schwimmbad lassen wollen, aus Angst, dass diese in Umkleiden oder Duschen mit erwachsenen nackten Menschen des anderen Geschlechts konfrontiert werden würden. In den USA seien diese, sogenannten “chilling effects“ bereits Alltag und bezeichnen Bürger, die sich vorab selbst einschränken, um Schaden von sich und ihren Kindern abzuwenden. Zudem betont Vetter weiter: „Ein großes Missverständnis ist, dass Menschen, die per Gesetz ihr Geschlecht ändern wollen, auch in irgendeiner Form angehalten sind, ihr Erscheinungsbild zu ändern. Das wäre aber nicht so. Ich kann mein Leben als Mann normal weiterleben und bin nach außen der Macker, breitbeinig und mit Vollbart – und zugleich kann ich verlangen, dass ich als Frau behandelt werde und eben auch Zutritt zu solchen Schutzräumen erhalte. Ich habe in dreißig Jahren als Strafverteidiger wirklich alles erlebt. Ich habe große Missbrauchsfälle verteidigt, wo Kindern und Jugendlichen unsagbar schlimme Dinge passiert sind. Es gilt der Grundsatz: Gelegenheit macht Diebe.“

Ebenso kritisch sieht der Jurist die fest verankerte Gesetzespassage, demnach es künftig strafbar wird, wenn man einen Menschen beim alten oder falschen Namen nennt. Aktuell ist in den Plänen der Grünen und der FDP ein Bußgeld von 2.500 Euro vorgesehen. „Wenn das Gesetz so kommt, dann wird das biologische Geschlecht de facto für obsolet erklärt. Da kann auch kein Arbeitgeber mehr sagen: Bei uns gilt das nicht, wir haben unsere eigenen Regeln“, so Vetter. Der Strafverteidiger steht dabei mit seiner Meinung nicht alleine da, allein als Reaktion auf das Interview in der NZZ meldeten sich mehrere weitere Juristen und Strafverteidiger, die Vetters Aussagen eins zu eins bestätigen. Ein Kollege von Vetter schreibt so beispielsweise: „In meiner langen Praxis als Strafverteidiger mit einer Vielzahl unterschiedlichster Sexualstraftaten habe ich mich mit den Täterpersönlichkeiten intensiv auseinandersetzen müssen. Da es sich um Täter handelt, die überwiegend triebgesteuert sind, werden diese alles daran setzen, Erfüllung zu suchen. Bietet diesem Personenkreis nunmehr der Gesetzgeber die Möglichkeit, per einfacher Erklärung den ´Wirkungsbereich´ zu vergrößern, so werden sie von diesem Angebot gern Gebrauch machen.“ Andere Fachleute sprechen im weiteren Verlauf davon, dass geplante neue Selbstbestimmungsgesetz sei naiv und offenbare ein Wunschdenken, welches an der Realität vorbei ginge. Befürworter des neuen Gesetzes wie unter anderem auch der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, bewerten Kritik dieser Art als menschenfeindlich und transphob. Immer wieder kommen in solchen Debatten auch Argumente auf, frei nach dem Motto: Leben und leben lassen. Dazu hält Vetter abschließend fest: „Wir kennen das Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung. Die Grenzen dafür sind immer die Rechte anderer. Die wollen ihre Persönlichkeit auch frei entfalten.“

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