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Wie wählt die LGBTI*-Community in Frankreich? // IMAGO / Panoramic International
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Mit Angst auf Stimmenfang bei LGBTI* Bis zu 40 Prozent der Queers wählten bereits einmal rechtsextrem

ms - 08.04.2022 - 15:40 Uhr

Am kommenden Sonntag wählt Frankreich in einem ersten Schritt, wer künftig der Präsident der Republik sein soll – nach fünf Jahren bewirbt sich dabei auch Staatspräsident Emmanuel Macron um eine zweite Amtszeit. Da nach den aktuellen Umfragen in einem ersten Wahlgang kommenden Sonntag nicht mit einer absoluten Mehrheit für einen Kandidaten zu rechnen ist, werden die beiden Anwärter mit den meisten Stimmen am 24. April in die Stichwahl gehen – gut möglich, dass gegenüber von Macron dann die rechtsnationale Marine Le Pen stehen wird. Und dann? Was können die zwei Wahlen in Frankreich für die LGBTI*-Community bedeuten?

2017 stellte sich bereits einmal eine ganz ähnliche Frage – auch damals kämpfte die Politikerin für das mächtigste Amt des Staates, auch mit Unterstützung der LGBTI*-Community. Zunächst war man jetzt davon ausgegangen, dass ihre Nähe zum russischen Präsidenten Putin schädlich für ihre Chancen im Rennen um den Élysée-Palast sein dürfte. Die jüngsten Daten sprechen allerdings eine andere Sprache – die Politikerin des rechtsextremen "Rassemblement Nationale" (RN, ehemals "Front Nationale") hat in den letzten Umfragen noch weiter aufgeholt – wenn es in zwei Wochen tatsächlich zur finalen Stichwahl zwischen Len Pen und Macron kommen wird, könnte die rechtsnationale Politikerin tatsächlich gewinnen. Nach Auskunft des Institut Harris Interactive würden 51,5 Prozent der Wähler für den amtierenden Präsidenten und 48,5 Prozent für Le Pen stimmen – ein extrem enges Ergebnis, dass sich in zwei Wochen Wahlkampf noch ändern könnte.

Bereits in den vergangenen Wahlen zeigte sich dabei immer wieder, dass homosexuelle Menschen eine starke Zuneigung zu Le Pen haben – bei den Regionalwahlen 2015 beispielsweise wählten fast 40 Prozent der verheirateten schwulen Männer und jede vierte verheiratete lesbische Frau Le Pens Partei. Eigentlich ein massiver Widerspruch, denn Le Pen will die gleichgeschlechtliche Ehe wieder abschaffen und durch eine Lebensgemeinschaft (PACS) ersetzen. Ihr Vater, Gründer der ursprünglichen Partei, fiel immer wieder mit homophoben Sprüchen und Einstellungen auf. Sie spricht davon, ähnlich wie die deutsche AfD, ein „Europa der Vaterländer“ entstehen zu lassen und strebt die „Orbánisierung“ Frankreichs an – was Victor Orbáns Politik für queere Menschen bedeutet, konnte man zuletzt deutlich im vergangenen Jahr sehen, als er LGBTI*-Themen an Schulen verbieten ließ. Das alles scheint für queere Fans der rechtsextremen Politikern nicht so wichtig zu sein – wahrscheinlich auch deswegen, weil Le Pen es perfekt beherrscht, auf der Klaviatur der Angst zu spielen. Immer wieder äußerte sie sich gegen den Islam und gegen Muslime, die gerade auch gegenüber Homosexuellen Gewalt ausüben würden. In ihrem Wahlprogramm fordert sie, den Familiennachzug generell abzuschaffen. Zudem sollten arbeitsberechtigte Ausländer das Land verlassen, wenn sie länger als ein Jahr ohne Job sind.

Ein weiterer Punkt kommt ihr zugute – sie ist nicht die einzige und bei weitem nicht die schlimmste rechtsextreme Politikerin, die sich aktuell zur Wahl stellt. Der rechtsradikale Präsidentschaftskandidat Eric Zemmour, der die Verfolgung von Homosexuellen während der Nazi-Zeit leugnet und deswegen jüngst von mehreren LGBTI*-Verbänden verklagt wurde, lässt Le Pen dagegen beinahe vernünftig erscheinen. Zudem kippte in den letzten Tagen einmal mehr auch in Teilen der französischen LGBTI*-Community die Stimmung in Bezug auf die Ukraine-Krise. Massiv ansteigende Preise und eine schwindende Kaufkraft – schon immer eines der wichtigsten Themen der Franzosen – lassen die Rufe nach einer „Putin-Versteherin“ lauter werden, die den Krieg scheinbar schneller beenden könnte.

Die wahre Gefahr für Homosexuelle, so Le Pen, gehe nicht von rechtsradikalen Politikern sondern von Muslimen und Ausländern aus. Ein Satz, der umso mehr seine Wirkung erzielt, weil in Frankreich wie teilweise in Deutschland auch die Deutungshoheit über Gewalttaten von ausländischen oder stark religiösen Menschen gegenüber LGBTI*-Personen weitestgehend den rechten Parteien überlassen wird. Anstatt sich tatsächlich kritisch gerade auch mit Übergriffen von religiösen Muslimen gegenüber Homosexuellen auseinanderzusetzen, erlaubt man rechten Politikern, das Feld allein für sich zu besetzen. Ein gefährliches Spiel, das in Teilen bereits die queere Community in Frankreich wie in Deutschland gespalten hat und so auch den Zulauf ins rechte Lager wenigstens aktuell in Frankreich noch mehr erklärbar macht.

Für die Sicherheit gerade auch der queeren Community in Europa hätte Le Pens Sieg wahrscheinlich weitreichende Folgen – sie fordert „weitestgehend neue Beziehungen“ zu Deutschland und will raus aus der Nato. Marine Le Pen beherrscht aktuell die Kunst in Perfektion, sich die queere Community zu Freunden zu machen, obwohl sie in der Hinterhand wahrscheinlich massive Einschnitte ihrer Rechte einplant. Dabei versucht die rechtsextreme Politikerin auch für LGBTI*-Menschen stets wählbar zu bleiben und drückt sich deswegen zumeist vage aus, wenn es um konkrete LGBTI*-Ziele geht. Ein klassischer Wolf im Schafspelz.   

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