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Leserumfrage // © portishead1

Leserumfrage Ein bisschen bi schadet nie

vvg - 10.09.2016 - 10:00 Uhr

Ich bin vor zwei Jahren aus Berlin ins Rheinland gezogen und arbeite als Personaltrainer, Wellnessmasseur und Escort. Ich bin bisexuell, finde aber, dass das nichts Besonderes ist. Meine Neigung habe ich von jeher. Zuerst habe ich nur mit Frauen was gehabt und erst kurz vor meiner Jugendweihe hab ich zum ersten Mal Erfahrungen mit einem Nachbarsjungen gemacht. Richtig frei konnte ich meine Sexualität leben, als ich meine eigene Wohnung hatte. Das war schon mit 16, da meine Eltern berufsbedingt nach Bayern zogen und ich in Sachsen-Anhalt blieb. Als meine Eltern von meiner Bisexualität erfuhren, war das zuerst ein riesiges Problem. Obwohl sie Toleranz vorgaben, war es schon etwas anderes, wenn es den eigenen Sohn betraf. Vor allem schmerzte sie, vielleicht niemals eigene Enkel zu haben. Da kann ich meinen Eltern aber sagen: Entspannt euch mal. Ich bin gerade mal 30 Jahre alt und wir sind nicht mehr in der DDR, wo wir mit 20 verheiratet sein sollten. Ich möchte Karriere machen, Spaß haben und wenn ich später Lust habe, eine Beziehung zu führen, können auch Kinder dazugehören.

Mich reizen Frauen sehr, wenn sie bisexuell und/oder dominant sind. Frauen wollen erobert werden, und es ist viel komplizierter, eine Frau für sich zu gewinnen. Zwischen Männern ist Sex doch eine viel einfachere Sache, da sind die Triebe stärker. Bei beiden Geschlechtern bin ich zu 95% der Aktive und nur ganz selten habe ich bei einem Mann soviel Respekt und Vertrauen, dass ich mich penetrieren lasse. Für mich ist Sexualität etwas sehr Privates und sicher kenne ich auch andere bisexuelle Menschen. Ich bewege mich aber nicht in einer Community, auch wenn es eine LSBTI*-Szene gibt, der ich als Bisexueller angehöre. Ich bin ein Mann, sehe mich als Mann und muss mich nicht über meine Sexualität definieren. Ich bin glücklich mit meiner Sexualität und so, wie ich sie leben kann.
Basti aus Erckrath
 

Basti // © vvg

Ich lebe in einer heterosexuellen Beziehung und bin seit neun Jahren verheiratet. Ich finde es allerdings auch recht spannend, mit Männern zu interagieren. Erste Erfahrungen habe ich in einer Frankfurter Sauna gemacht. Gemerkt, dass mich Männer interessieren, habe ich schon früher; wenn ich mir z.B. einen Porno im Internet anschaute, habe ich mir nicht nur die Frauen angesehen. Ich schaue auch auf der Straße gerne mal einem hübschen Mann nach, so wie man auch mal einer gutaussehenden Frau nachblickt. Aber darüber rede ich auch direkt mit meiner Frau. Meine Frau ist großartig und ich weiß sie zu schätzen. Im Prinzip sind ja nicht nur die Frauen, sondern potentiell auch Männer Konkurrenz für sie. Das ist sicherlich doppelt schwer: Gegen eine Frau kann sie „ankämpfen“, gegen einen Mann nicht. Aber sie sieht das trotzdem alles recht locker. Sie ist clever, vertraut mir und setzt mir keine Verbote. Sollte meine Frau den Wunsch nach ähnlichen Freiheiten verspüren, dürfte sie das selbstverständlich ebenso. Meine Erfahrungen in schwulen Saunen halten sich in Grenzen, das ist bisher ein- bis zweimal im Jahr vorgekommen. Es gibt eine feste Regel für mich, an die ich mich halte: „So weit und nicht weiter“ –  erlaubt ist anfassen und fummeln – aktiv wie auch passiv, auch mal bis zum Ende kommen. Verboten ist dafür jede Art von „reinstecken“.

In einigen Gay-Saunen gibt es heutzutage bestimmte Zeiten, wo man seine Frau/Freundin mitnehmen darf. Da sind schon aufregende Momente dabei, aber wir sind sozusagen noch im Anfangsstadium. Ob das sexuelle Interesse, mit anderen zu agieren, zunimmt, kann ich nicht sagen. Wenn andere mich und meine Frau „dabei“ stören, würde mich das schon abturnen. Ob sich das irgendwann ändert, wird man sehen; dafür hat sich das noch nicht weit genug entwickelt.
Felix aus Aschaffenburg
 

Felix // © vvg

Ich habe schon sehr früh bemerkt, dass ich das gleiche Geschlecht gut fand. Meine erste sexuelle Erfahrung habe ich mit einem gleichaltrigen Jungen gemacht, der später geheiratet und Kinder in die Welt gesetzt hat. Ich habe danach lange Zeit meine Gefühle unterdrückt, weil gleichgeschlechtlicher Sex ein absolutes No-Go war. Zum einen weil ich auf dem Land aufgewachsen bin, zum anderen weil das in meiner Religion nicht erlaubt war. Ich kam damals in einen starken Zwiespalt. Für mich lag der Gedanke nahe, dass ich krank sei, meine Gefühle betäuben könnte und sich das alles im Laufe der Jahre geben würde. So habe ich dann mit 21 Jahren meine Frau geheiratet, mit der ich zusammen in die Schule ging. Als unser Sohn auf die Welt kam, waren wir schon sehr glücklich, ich liebte meine Frau ja auch. Dann schlichen sich aber irgendwann der Alltag und die Routine in unsere Ehe und meine Gefühle und das Verlangen nach dem männlichen Geschlecht kamen zurück. Als ich meiner Frau das offenbarte, war sie natürlich geschockt. Sie glaubte aber, mit Hilfe eines Therapeuten und eines Kinesiologen würden wir das in den Griff bekommen. Die Problematik heute: Wir wohnen zwar immer noch zusammen und haben eine starke Bindung, aber es ist auch ein Leben zwischen Verzweiflung, immer wieder neuaufkeimendem Mut und der ständigen Suche nach dem, was man nicht hat. Und das kann auf Dauer nicht so weitergehen.
Gerd aus München
 

Gerd // © vvg

Ich habe Erfahrungen sowohl mit dem männlichen als auch mit dem weiblichen Geschlecht gemacht. Ich habe auch eine feste Beziehung mit einem Mann gehabt. Wir haben uns erst getrennt, als ich zur Bundeswehr musste und wir die gemeinsame Wohnung nicht mehr halten konnten. Auf der anderen Seite habe ich eine zehnjährige Ehe mit der Mutter meiner beiden Kinder hinter mir. Seit den letzten zehn Jahren lebe ich als Single, weil ich die richtige Person für mich nicht finde. Vielleicht habe ich ja zu hohe Erwartungen. Ich möchte aber keinen Sex mit Personen, zu denen ich mich nicht hingezogen fühle und mit denen nicht 100%ig alles stimmt; dazu bin ich zu sehr Gefühlsmensch. Wenn ich eine richtige Person finden und mit dieser eine Beziehung eingehen sollte, bin ich auch treu. Die meisten Bi-Männer sehnen sich ja immer nach dem, was sie gerade nicht haben: Haben sie einen Mann, wollen sie eine Frau, und wenn sie eine Frau haben, schauen sie den Männern nach. Dabei ist doch das Positive an der Bisexualität, dass man(n) auch mit einem gleichgeschlechtlichen Partner Zärtlichkeiten austauschen kann. Das ist für viele Heteros gar nicht vorstellbar. Beglückend für mich ist es aber auch nur, wenn ich das richtige Pendant gefunden habe. So kann ich auch schlecht sagen, ob ich Männer oder Frauen besser finde; ich muss lediglich das Gefühl haben, in der Beziehung der dominantere Teil zu sein; ein Grund, warum ich auch eher auf femininere oder androgyne Männer stehe. Leider gibt es viele Männer, die eine nach außen hin funktionierende Ehe führen und ihre Partnerin einmal im Monat hintergehen. Offiziell werden irgendwelche Gründe vorgeschoben und inoffiziell geht es entweder auf den nächsten Parkplatz oder ins Erotik-Kino.
Heinz

 

Heinz // © vvg

Ich weiß schon seit 15 oder 16, dass ich sowohl Männer als auch Frauen gut finde. Bei meinem ersten Mal mit einem Mädchen war ich 17, den ersten Kerl hatte ich mit 16. Ich kann nicht sagen, dass ich das eine oder das andere besser finde, es gibt da für mich keine Unterschiede. Zurzeit bin ich ganz frisch mit Nathalie zusammen und mit ihr sehr happy. Für sie ist das kein Problem, denn sie empfindet genauso wie ich. Bisher haben wir nicht erlebt, dass wir nach anderen Jungs oder Mädchen sehen. Wie das später einmal sein wird, können wir natürlich jetzt nicht sagen. Uns geht es beiden mehr um Beziehungsmöglichkeiten. Wenn ich eine Beziehung habe, brauche ich auch nichts nebenher. Ich habe mit meiner ersten Freundin, die auch bi war, erlebt, dass sie neben mir noch was mit einer anderen Frau hatte – was sie mir verheimlichte und mich sehr verletzte. Das fand ich sehr deprimierend und so etwas möchte ich Nathalie nicht antun. In einer festen, stimmigen Beziehung sind wir monogam, da brauchen wir nichts nebenher. Ob sich das mal ändert, ist schwer zu beantworten. Sollte es geschehen, müssten wir ehrlich und offen darüber reden.

Unsere Eltern wissen Bescheid. Mich haben sie mit meinem besten Freund im Bett erwischt. Während meine leiblichen Eltern gut reagiert haben, war die Reaktion meines Stiefvaters sehr konservativ. Auch bei Nathalie gab es keine Probleme; allerdings hatte man bei ihr erst vermutet, dass sie nur auf Frauen steht. Auch wenn man im Gegensatz zu Schwulen, Lesben und Transgendern Bisexuelle in der Öffentlichkeit kaum wahrnimmt, fühlen wir uns nicht ausgeschlossen; außerdem kennen wir auch mehrere Bisexuelle.
Lukas aus Duisburg mit Nathalie aus Siegen
 

Lukas und Nathalie // © vvg

Ich lebe seit sechs Jahren mit meiner Partnerin zusammen, hatte aber in meinem Leben auch schon Beziehungen zum männlichen Geschlecht. Mein Umfeld könnte meinen, dass ich bi bin; ich persönlich halte mich ein wenig fern von Kategorien und würde mich eher als queer bezeichnen. Bi heißt für mich, zwischen zwei Geschlechtern eingegrenzt zu sein. Queer bedeutet für mich, politisch sein, nicht auszugrenzen und somit auch das Zusammenkommen einer großen Begehrenspalette. Das heißt: Ich versuche in erster Linie, den Menschen zu sehen, ob irgendetwas passiert, mich neugierig macht, mich anmacht und ob der Funke überspringt. Mir war eine lange Zeit meines Lebens gar nicht klar, dass ich auch Frauen mag. Ich bin (in Niedersachsen) behütet und konservativ aufgewachsen und lernte keine andere Form des Zusammenseins als das Heteronormative kennen. Erst während meines Studiums in Bremen fand ich Kontakte. Für eine Party gründete ich mit Freunden die queere Performanceband „Sissy Boyz“. Wir wurden begeistert bejubelt und gingen schnurstracks auf Tour, traten europaweit auf Ladyfesten und Queer-Partys auf, wurden zu Podiumsdiskussionen geladen, gaben Dragking/QueenWorkshops etc.. Eine ganz neue, bunte und vielfältige Welt tat sich mir auf. Ich weiß nicht, warum Bisexuelle so viele Probleme haben, sich zu outen; ob die Angst aus dem eigenen Inneren oder der Druck von außen, dem sozialen Umfeld kommt. Die Uneindeutigkeit macht Menschen leider Angst, es muss immer klar in Schubläden sortiert werden, das gibt vermeidlichen Halt. Wir werden doch am Anfang alle als neutrale Wesen geboren, lieben unsere Eltern und Großeltern – egal welchen biologischen Geschlechts – bedingungslos, und Jahre später soll man sich plötzlich entscheiden – das ist doch eigentlich totaler Schwachsinn.
Martina aus Köln
 

Martina // © vvg

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