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KUNTERGRAU // © vvg

Im Interview KUNTERGRAU

vvg - 08.10.2015 - 10:00 Uhr

Marcel wird am 21. September 21 Jahre alt. Er ist Single und studiert in Aachen Physik. In seiner Freizeit fährt er bei seinen Eltern in der Eifel Mountainbike und im Urlaub steht er gerne mal auf dem Surfbrett. Marcel wohnt in Aachen und kommt jede Woche einmal nach Köln ins anyway. Dass er schwul ist, wusste er schon immer. Er hat nur lange nicht zu sich gestanden. Geoutet hat er sich vor eineinhalb Jahren, zuerst bei einem Freund, dann bei seinen beiden Schwestern. Den Eltern hat er es Weihnachten erzählt - kurz vor der Bescherung. Nach erstem Erstaunen hieß es dann nur: Dann kommen ja nicht nur durch unsere Töchter demnächst nur noch Männer zu uns.

Marcel, erklär mir doch mal das Wort „Kuntergrau“.
Das ist ein Adjektiv, das sowohl unsere Web-Serie als auch die Szenen der schwulen Welt beschreibt, die wir darin darstellen. Wir führen auf der einen Seite ein kunterbuntes Leben, erleben auf der anderen Seite aber auch den ganz normalen grauen Alltag. „Kuntergrau“ handelt also von der Gegenseitigkeit – vom durchschnittlichen Alltag bis hin zum bunten Szeneleben.

Worum geht es dabei?
Es geht schlicht und einfach um Liebe, Sex und Freundschaft, Coming-out, Aids und Fetisch im Leben von fünf Jugendlichen. Wir zeigen aber nicht nur die positiven und schönen Seiten, sondern auch die auftretenden Probleme und kleine Streitereien. Es soll ein Abbild des Alltags mit all seinen Höhen und Tiefen sein.

Welche Rolle hast du übernommen?
Ich spiele Leopold, den jüngsten Charakter, der zwischen dem 17. und 18. Lebensjahr steht. Er ist nicht der klassische Szenegänger und was seine Sexualität angeht, ist er eher zurückhaltend. Er ist ein sehr ruhiger Typ, sodass seine Oma, bei der er lebt, ihn immer antreibt, mehr aus sich herauszukommen. Leopold ist mehr die „Mutter der Clique“ und bis jetzt noch Single.

Wie seid ihr auf die Geschichte gekommen?
Das ganze Projekt entstand mit Hilfe vom anyway. Nach „Julian, junge Liebe anders“, der ersten schwulen Webserie im deutschen Raum, und der Nachfolgeserie „Zwei Gesichter“ ist „Kuntergrau“ nun das dritte Filmprojekt. Das Drehbuch entsteht im Brainstorming im Orga-Team. Das Projekt wird vom anyway und moviio unterstützt. Die Inhalte sind frei erfunden, tragen aber autobiografische Züge. Ich bin sowohl als Schauspieler als auch im Orga-Team dabei. Und beides macht ungeheuren Spaß.

Wer steht euch mit Rat, Tat und finanzieller Unterstützung zur Seite?
Wir haben in unserem Team Kai (er studiert noch) und Jonas, die beide Regiearbeit studiert haben, sodass wir von deren Know-how profitieren können. Jonas unterstützt uns mit moviio; er stellt die Technik und die Kamera bereit, macht den Schnitt und spielt den Ton ein. Außerdem haben wir einen Spendenaufruf gestartet, einen über SMS, den anderen über unsere Homepage. Dadurch haben wir einen Großteil des benötigten Geldes zusammenbekommen. Und es gibt Sponsoren, die uns unterstützen, zum Beispiel die Phoenix-Sauna und Herzenslust NRW. Und nicht zu vergessen: das reichhaltige Buffet an unseren Drehtagen, das bereitet unser Daniel immer mit Hilfe seiner Mama vor.

Wann wird „Kuntergrau“ zu sehen sein? Gibt es eine private Preview?
Heute
 ist der letzte Drehtag für die erste Staffel. Wir haben für die letzten drei Folgen 14 Drehtage gebraucht und für die ersten Folgen sieben Tage. Erscheinen wird „Kuntergrau“ Ende November/Anfang Dezember. Es wird natürlich eine öffentliche Premiere geben, den genauen Termin kann man auf unserer Homepage erfahren.

Wie viele Ähnlichkeiten hat Leopold mit dir?
Es gibt schon einige Gemeinsamkeiten zwischen uns, was wohl ein Grund war, dass ich beim Casting ausgesucht wurde. Wenn man sich im gewissen Maße selber spielt, ist das als Laiendarsteller wesentlich einfacher. Wir haben ja alle keine Schauspielausbildung. Aber es gibt auch Unterschiede: Leopold spielt beispielsweise im Gegensatz zu mir ein Instrument.

Die Serie spielt in Köln; glaubst du, dass die Jugendlichen, die im Rest der Welt wohnen, die gleichen Probleme haben?
Ich glaube schon, dass die Probleme unterschiedlich sind. Köln ist ja eine sehr offene Stadt, was das Thema Homosexualität anbelangt. Auf dem Land ist man da doch wesentlich konservativer.

Was ist das größte Problem der schwulen Jugendlichen heutzutage – neben der Schule natürlich?
Das Schwierigste ist, am Anfang zu sich selber zu stehen, weil man von außen sehr stark vorgelebt bekommt, dass man hetero zu leben hat. Und es ist oft schwierig, mit Eltern und Erwachsenen generell über Sex zu sprechen. Darum ist die Klärung des eigenen, inneren Coming-out ein Riesenschritt, mit dem jeder einzelne seine Probleme hat. Man weiß ja nie, wie Eltern und Freunde reagieren werden. Ich hatte zwar keine Angst vor dem Outing, sondern eher Lampenfieber, etwas zu sagen, worüber man nicht unbedingt spricht.

Was sagt denn die Community zu eurem Projekt, bekommt ihr da Feedback?
Es gibt sehr viel Lob. 250.000 Besucher aus 221 Ländern, davon 81% männlich (29% Deutschland, 25.000 USA, 12.000 Saudi-Arabien, 11.000 Brasilien und ebenso viele aus Indonesien) haben bisher die Serie gesehen. Aber es gibt natürlich auch negative Kommentare. Man kann es ja sowieso nicht allen recht machen.

Was steht jetzt nach dem letzten Drehtag noch an?
Jetzt muss der Film geschnitten und die Musik dafür komponiert und unterlegt werden. Wir müssen noch einmal die Finanzierung durchsprechen und es gilt, einen passenden Termin für die Premiere zu finden. Es gibt also noch einiges zu tun.

Auf jeden Fall drücken wir euch ganz fest die Daumen und wünschen viel begeistertes Publikum.

Foto: In der Mitte Interviewpartner Marcel zwischen Schauspielkollegen Daniel (l.) und Musti, hinten Regisseur Kai (l.) und Kameramann Jonas

Dieses Interview hat SCHWULISSIMO mit KUNTEGRAU im September 2015 geführt.

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