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Rainer Bielfeldt // © vvg

Im Interview Rainer Bielfeldt

vvg - 09.08.2015 - 10:00 Uhr

Rainer Bielfeldt ist einer der besten und namhaftesten Pianisten und Sänger innerhalb und außerhalb der Szene. Neben seinen Soloprogrammen spielte er u.a. mit Gayle Tufts, Ole Lehmann und bekanntester Weise mit Tim Fischer in zahlreichen Programmen.

Rainer Bielfeldt, Du bist auf der Kölner CSD-Gala mit Tim Fischer aufgetreten, den du ja schon oft begleitet hast. In dem Song „Wir zwei sind ein Paar“ versichert ihr: „Wir Zwei gehören lebenslang zusammen!“ Was ist dran an dieser gesungenen Liebesbeichte?
Mittlerweile sind wir kein Paar mehr, aber vor 25 Jahren – Anfang der 1990er – waren wir das tatsächlich mal für zwei Jahre. Ich glaube, man kann das Lied auch nur mit dieser Inbrunst singen, wenn man sich so gut kennt, wie wir zwei. Inzwischen ist da nach langer Zeit und viel Arbeit eine sehr enge, innige und wunderbare Freundschaft geworden.

Du hast das Geständnis ja auch schon mit Dirk Bach und Ole Lehmann gesungen.
Eigentlich müsste das jeder einmal mit mir singen, den ich begleite. Aber das Lied ist von Edith Jeske für Tim und mich geschrieben worden und es hat uns immer wieder durch all die Jahre begleitet.

Du behauptest auf einer CD, du hättest „Kein Glück mit den Männern“. Müssen wir jetzt „Oooooh“ sagen, weil du ein einsamer Single bist?
Das war ein bisschen Koketterie, denn ich hatte eigentlich immer Glück mit den Männern. Es war nur noch nichts Lebenslängliches dabei. Ich glaube, das stabilisiert sich: Ich bin momentan mit einem Brasilianer liiert, der jetzt in Berlin lebt. Wir planen mittelfristig, sechs Monate im Jahr in Brasilien und die anderen sechs Monate Deutschland zu leben. Und jetzt ratet doch mal, welche Jahreshälfte wir wo verbringen wollen?

Tim hat seinen Prinzen auf Kuba gefunden und geheiratet, du jetzt in Brasilien. Wie stehst du zu dem „Ja, ich will“?
Ich würde es noch einmal tun. Ich bin ja schon verheiratet, ebenfalls mit einem Brasilianer, und nur noch nicht von ihm geschieden. Ja, das Land hat es mir angetan; wie das Leben manchmal so spielt.

Gibt es denn eine CD von dir in portugiesischer Sprache?
Das wäre eine gute Idee! Ich würde gerne eine CD zu einen Hälfte auf Deutsch und zur anderen Hälfte auf Portugiesisch aufnehmen. Ich liebe die Sprache; du kannst die schrecklichsten Dinge besingen und es klingt immer noch toll. Ich werde bestimmt ein portugiesisches Lied texten, schon alleine aus dem Grunde, um auch in der Sprache meinem Mann die Liebe zu gestehen.

Das Motto der Gala war „Don`t Be A Drag, Just Be A Queen!“. Gibt es anstelle von „Zarah ohne Kleid“ auch mal einen „Rainer mit Kleid“?
Offen gestanden habe ich mein Fummel-Coming-Out noch nicht gehabt. Ich habe wirklich noch nie im Fummel gesteckt und ich habe da auch große Bedenken. Es gibt nicht viele Männer, die im Fummel als Frau schön aussehen. Und ich glaube, dass ich zu der hässlichen Sorte gehören würde. Alleine schon aus dem Gefühl der Hilflosigkeit heraus.

Seit Conchita wäre ja alles möglich.
Conchita ist einfach eine großartige, beeindruckende, unheimlich charismatische Person mit einer großen Stimme.

Wie findest du, dass die 24. soeben stattgefundene Gala die allerletzte war?
Das finde ich natürlich sehr, sehr schade. Aber manchmal haben Dinge auch ihre Zeit und dann kommt etwas Neues. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es lange dauern wird, bis in Köln wieder jemand mit etwas Neuem an den Start geht.

Du lebst als Hamburger in Berlin und trittst in Köln auf. Wie sieht ein Community-Vergleich der drei Städte aus deiner Sicht aus?
Da gibt es ja einen grundsätzlichen Mentalitätsunterschied: Die Berliner Community ist vielleicht etwas unpersönlich, unverbindlich und unnahbar geworden. Berlin hat vordergründig etwas Pampiges, aber es steckt auch hinter einer rauen Schale ein weicher Kern. Die Kölner sind sehr familiär und wahnsinnig offen, aber das hat nicht immer unbedingt eine Tragweite und man sollte nicht gleich jede Einladung nach Hause ernst nehmen. Ich persönlich bin in der Seele ein Hanseat: es dauert zwar sehr lange, ehe man da mit anderen warm wird, aber wenn jemand sagt „Besuch mich doch mal zu Hause!“ dann ist das auch so gemeint. An Hamburger ist tatsächlich am Anfang sehr schwer ranzukommen; man hält uns oft für unterkühlt. Aber wenn man dann Freundschaften geschlossen hat, bleiben die auch erhalten. Wenn man allerdings als fremder Touri zum ersten Mal in eine dieser drei Städte kommt, hat man unbestritten in Köln den schnellsten Kontakt. Köln ist mit Abstand die kommunikativste Stadt.
 

Rainer Bielfeldt // © vvg

Deine ersten drei Alben hießen „Nachtzug“, „Herzen mit Koffer“ und „Absolutely unterwegs“. Warst du da noch rastlos oder auf der Suche?
Das ist ja immer metaphorisch zu sehen. Es ist grundsätzlich etwas Schönes, wenn man in seinem Leben unterwegs bleibt, neugierig bleibt und mal mit Dingen abschließt, anstatt sich mit ihnen eine Leben lang zu quälen. Von daher ist Unterwegssein klasse. Reisen ist sicherlich beschwerlich und manchmal auch nervig. Es gibt uninteressante Städte, in denen man eigentlich auch nur den Bahnhof, das Hotelzimmer und den Auftrittsort sieht. Das sind Reisen, auf die man auch verzichten könnte. Aber seit vielen Jahren ist Brasilien für mich ein Thema geworden, und das ist schon äußerst spannend, weil es dort unendlich viel zu entdecken gibt. Also: Ich reise sehr gerne; aber damit meine ich nicht die kleinen, eintägigen Städtetouren, sondern die, wo man Zeit findet, den Ort und seine Menschen kennenzulernen. Metaphorisch heißt das: Bleibe unterwegs und suche dir immer wieder deinen Weg. Und prüfe, ob es nicht ein bisschen weiter links oder rechts genau so schön ist – oder im Zweifelsfalle vielleicht sogar noch schöner.

Du willst laut einer CD immer „Sänger sein“. Bist du ja auch geworden. Wann entstand dieser Wunsch?
So blöde es klingen mag, aber ich wollte schon immer das machen, was ich heute mache. Ich habe ja nichts anderes gelernt.  Ich fing schon als 8-Jähriger, als ich den Begriff Musiker noch gar nicht kannte, mit dem Klavierspielen an. Und ich kann es wunderbar ertragen, auch andere mal Sänger sein zu lassen und sie nur aus dem Hintergrund am Piano zu begleiten. Unter „Sänger sein“ verstehe ich nicht nur singen, sondern komponieren, Texten, Songs schreiben und Bühnenpartner zu sein.

Du hast mit Edith Jeske die „Rinnsteinprinzessin“ komponiert, hast neben Tim Fischer mit Gayle Tufts, Georgette Dee, Julia Kock, Dirk Bach und Ole Lehmann gesungen. Fühlt man sich da als Teamplayer bei eigenen Solo-Auftritten nicht einsam?
Ja, auf jeden Fall; ich trete auch nicht mehr so oft solo auf. Ich fühle mich wohl, wenn so hochkarätige Sänger und Entertainer wie Tim dabei sind. Mit ihm ist das schon wie in einer alten Ehe. Ich singe gerne und oft und ich glaube auch ganz gut, aber ich kann durchaus auch mal „nur die zweite Geige“ sein.

Wann war dein „erstes Mal“?
Ich war mit 23 mit der Sängerin Nana Gualdi auf Kreuzfahrt und habe mich dort in einen holländischen Tänzer verliebt, der dann mein erster Freund wurde. Unmittelbar danach habe ich dann sozusagen „klar Schiff gemacht“ und mich auch entschieden, weder in meinen Liedern noch auf der Bühne daraus einen Hehl zu machen. Es wäre unerträglich gewesen, wenn ich mich hätte verstellen müssen. Im Nachhinein ist mir bewusst, in wen ich schon in der Schule verliebt war, aber das konnte ich als Teenager gut verdrängen. Als ich mich dann in den Tänzer verliebt habe, brach alles aus mir heraus – und der erste Sex mit einem Mann war Bombe.

Wie haben deine Eltern auf dein Coming-Out reagiert?
Für die war es zuerst ein Riesenschock; zumal ich ja mit meiner damaligen Freundin dreieinhalb Jahre zusammen und so gut wie verlobt war. Sie hatten echt ein Problem, haben mich aber trotzdem am gleichen Abend auch in den Arm genommen. Und was ich ihnen nicht vergessen werde: Sie haben ziemlich schnell erkannt, dass nicht ich ein Problem habe, sondern sie. Sie haben nicht versucht, mich zum Psychologen zu schicken, sondern sich selber über lange Zeit (von einem Therapeuten) beraten und helfen lassen und dadurch eine Toleranz bekommen, die wirklich aus dem tiefsten Herzen kommt. Hut ab!

Ist der Text deines Songs „Im Cafe“ autobiografisch?
Nein, ist er nicht. So etwas habe ich in der Form nicht selbst erlebt: ein Traummann, der mich anmacht und den am Ende als Stricher nur das Geld interessiert. Aber natürlich erlebt man, dass man Gesten von Leuten schnell missversteht und falsch interpretiert. Da entsteht dann Enttäuschung, wenn man sich in eine Person „verguckt“ hat, weil man Gefühle falsch eingeschätzt hat.

Das Lied ist sehr traurig. Was macht dich traurig?
Ungerechtigkeit!

Du beruhigst mit deinem Titel „Komm, das wird schon wieder“.  Bei welchen politischen Ereignissen wünscht du dir das?
Mich tangiert das Thema Griechenland und Europa. Aber auch ein gefühlter Rückschritt in der Toleranz der Menschen, auch in Deutschland. Und mich beschäftigen soziale Dinge, die Brasilien angehen, wo vieles noch extremer ist. Es ist schlimm, zu sehen, wohin es führen kann, etwa was die Schere zwischen Arm und Reich in einem Land an Zerrüttung anrichten kann. Und ich kann Rückschritte nicht fassen. Ich dachte lange Zeit, der Weg der Toleranz und Einheit geht nach vorne. Ich nahm an, die Menschen würden in ihrem Denken klüger. Stattdessen habe ich den Eindruck, dass es langsam wieder rückwärts  geht. Das finde ich unglaublich!

Auf „Nachtzug“ ist dir alles „Immer noch zu wenig“. Welche Ziele stehen noch auf deiner To-Do-Liste?
Ich möchte mit meinem Freund glücklich und selbstbestimmt zusammenbleiben und die Winter mit ihm in Brasilien verbringen. Ich möchte am Glück arbeiten, ohne dabei das Glück anderer zu beschädigen. Ich bin stolz, dass ich jetzt fünf Jahre ohne Alkohol und Drogen ausgekommen bin und das soll auch so weitergehen. Und beruflich möchte ich nun endlich eine neue CD herausbringen und künstlerisch auf der Bühne gerne mit Tim alt werden.

Dieses Interview hat SCHWULISSIMO mit Die Sorellas im Juli 2015 geführt.

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