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BAUER SUCHT MANN Landliebe mal andersrum

Advertorial - 14.05.2018 - 07:00 Uhr

Dass es uns Schwule in mittlerweile jedem Beruf gibt (Friseur, Flugbegleiter und Arzthelfer eingeschlossen), ist wohl kein allzu großes Geheimnis mehr. Für diejenigen unter meinen werten Lesern, die an dieser These immer noch hartnäckig zweifeln, hier der ultimative Beweis, dass wir auch wirklich jede Domäne für uns erobert haben.

»Es gibt zwei Dinge, die mich nerven«, sagt Hauke* und macht mit dem rechten Arm eine Geste, die die ganze Welt einschließen könnte, aber wohl nur den Hof meint. »Das hier und dass wir hier nur Modem haben.« Ich bin in der Nähe, es könnte auch die Nähe von jeder anderen Stadt sein, denn es sieht so aus, wie es in der Nähe einer jeden Stadt wohl aussieht: Um uns herum ist viel Grün, viel frische Luft und ziemlich wenig Zivilisation. Seit RTL uns »Bauer such Mann« zeigte, wissen wir, dass es Menschen wie Hauke gibt, schwule Landwirte. Wer sich für den Beruf des Landwirts entscheidet, entscheidet sich auch für ein Leben in der Isolation, nicht nur wegen der geografisch bedingten stadtfernen Lage, sondern auch wegen dem zweifellos zweifelhaften Ruf, den diese Metier mit sich bringt, gelten Landwirte doch gemeinhin als latent dümmlich, finanziell eher schlecht situiert und übel riechen sollen sie auch noch. Hier, in der Nähe von Itzehoe, kann ich davon nichts feststellen. Der Hof ist groß und gut gepflegt, gerade erst gab es einen neuen John Deere für fast 200 Mille, und nachdem mir Hauke erklärt hat, dass es sich bei einem John Deere um einen Trecker handelt, weiß ich auch, was er meint. Im Umkreis von soweit ich gucken kann liegt Natur, ich kann nur zwei weitere Gebäude ausmachen, ein paar Strommasten, nur wenige Zeichen von menschlicher Anwesenheit. Ich finde es schön. Für den Moment. Für einen Tag im Grünen. Länger will ich hier aber auch nicht sein. Die wenig prominente Lage ist es jedoch nicht unbedingt, die Hauke Probleme bereitet. »Wenn ich jemandem im Chat sage, ich wohne ziemlich weit außerhalb von Itzehoe, ist das meistens kein Problem, da die Leute mobil sind. Aber irgendwann kommt eben die Frage, was ich so mache, dann sage ich, ich bin Landwirt – lügen möchte ich ja auch nicht. Und dann ist der Chat meistens auch schon Vergangenheit. « Und dann ist da noch die Komponente »Zeit«, die Hauke im Wege steht: »Kaum einer weiß, wie viel Arbeit so ein Hof macht.

Meine Freizeit ist knapp bemessen, ich kann nicht laufend nach Kiel oder Hamburg fahren, um eine Beziehung aufzubauen.« Mit einem Grinsen fügt er hinzu: »Und eine Beziehung ist auch nicht wirklich das, was ich suche.«
Hauke ist längst nicht der einzige Schwule in den sogenannten »Grünen Berufen«. Sie sind Winzer, Förster, Landwirt oder Hirte und sie alle verbindet... bislang eher wenig. Was sich aber ändern soll, das ist das Ziel von »Gay Farmer«, die »Vereinigung Schwuler und Lesben in Grünen Berufen« (www.gayfarmer.de), die es sich zum Ziel gemacht hat, die zumeist isoliert lebenden Menschen miteinander zu verbinden zum Zwecke der beruflichen und sozialen Verständigung: Partnersuche, Austausch von Know-How und gegenseitige Hilfe, um den Homosexuellen ein Leben im ländlichen Raum zu ermöglichen. Es werden Rundbriefe, Faxe und E-Mails verschickt, Regionalgruppen gegründet und Treffen abgehalten. Die »Gay Farmer« haben nach eigenen Angaben inzwischen mehrere hundert Mitglieder. Die Saat wurde auf den Boden geschmissen und es keimt ein neues Selbstbewusstsein auf, ein zartes Pflänzchen, das hoffentlich zu einer ertragreichen Ernte führen wird. Schlecht sieht es gar nicht aus, so finden sich auch bei unserer Übermutter Gayromeo inzwischen neben zwielichtigen Einrichtungen, wie »BauernWorkerSiff« auch seriös gemeinte Clubs, in denen sich Landwirt & Co. vernetzen können. Der eigene Club der »Gay Farmer« zählt inzwischen über 1.000 Mitglieder.

Das ist bemerkenswert. Zurück in die Nähe von Itzehoe. Wir haben unsere Tour über den Hof beendet und sitzen nun in der gemütlichen Stube, die modern eingerichtet ist, trinken Kakao mit Schuss und sehen nebenbei die Simpsons im Fernsehen. Ein allabendlicher Pflichttermin für Hauke, der alle Staffeln auf DVD hat. Trotzdem werden die Simpsons ihm nie langweilig. »Die wirklich guten Folgen kann ich auch zwei, drei Mal hintereinander gucken und lache mich immer noch tot.« Hauke entspricht so wenig dem Klischee, wie es ein Landwirt nur tun kann: Er ist gut gekleidet, womit ich jetzt nicht Anzug und Krawatte meine, sondern eine solide H&MGarderobe mit bunten T-Shirts und Levi’s-Jeans, dazu Chucks und eine Frisur, die er sich wohl in Hamburg besorgt hat. Er ist ja auch gerade mal Anfang dreißig, warum in Sack und Asche rumlaufen, wie es viele seiner Kollegen tun: »Es ist ja nicht so, dass ich keine Angebote kriegen würde.

Es gibt auch bei Gayromeo Clubs, wo sich schwule Bauern treffen und miteinander reden können. Aber ich habe auch Ansprüche!« Lieber einen Justin Timberlake? Er lacht: »Nein, der ist eindeutig zu jung für mich. Er darf auch gerne etwas älter sein als ich, aber bitte kein Sugardaddy.« Das klingt ziemlich abgeklärt. Erfahrungen? »Wenige. Wenn ich mal im Urlaub bin oder so, was wirklich nicht oft vorkommt. Und einmal hatte ich was mit einem Typen auf einem Autobahnrastplatz, das war toll. Aber ich hätte inzwischen doch gerne etwas mit mehr Niveau.« Und Romantik, ewige Liebe? »Wenn irgendwann mal der Richtige dabei ist, ist mir das nur Recht. Es wird aber wohl unmöglich sein, jemanden zu treffen, der meinen Ansprüchen genügt und sich dann auch noch für ein Leben wie dieses hier entscheidet. Das wäre einfach zu perfekt!« Hast du »Bauer sucht Mann« auf RTL geguckt? »Klaro!« Und? »Naja... nein!« Er lacht wieder. Dann wird er ernst und seufzt. »Weißt du, nur weil ich ein schwuler Landwirt bin, habe ich nicht dieselben Bedürfnisse, wie andere schwule Landwirte.

Inzwischen haben Ralf und sein Freund Michael geheiratet, die Hochzeitskutsche wurde sogar von einem nicht-schwulen bekannten Bauern gefahren und die Akzeptanz im Dorf könnte größer wohl kaum sein. So beobachten wir gespannt, was bei den schwulen Landwirten und ihren Genossen aus den Grünen Berufen vor sich geht, denn dieser Kampf um Toleranz, Anerkennung und die Freiheit, das Leben zu führen, in dem man glücklich sein kann, wird da gefochten, wo dieser Kampf am nötigsten ist: In den ländlichen Gebieten, die – nicht nur einem Vorurteil folgend - mit Unverständnis und teilweise sogar Aggression auf das unbekannte Objekt »Homosexueller« reagieren. In Gegenden, in denen die nächste Schwulenkneipe, Jugendgruppe oder Cruising-Area in unerreichbarer Ferne liegen, in denen die Norm es vorsieht, dass nach der Schule sogleich Frau und Kind gefunden, bzw. gezeugt werden.

Im Gegensatz zu uns wohlstandsverwahrlosten Großstädtern, die wir zum großen Teil ebenfalls eine Jugend im kleinstädtischen bis dörflichen Milieu zu verleben hatten, sind die Landwirte örtlich gebunden, wollen sie den Betrieb nicht aufgeben – ein Unterfangen, das ihnen Tradition und Familie verbieten. So bleibt ihnen nichts anderes übrig, als zu kämpfen - oder aufzugeben. Aber die Hoffnung ist es bekanntlich, die zuletzt stirbt. Und so kämpft die Minderheit der Minderheit weiter um Anerkennung. Beziehungsweise darum, erst einmal überhaupt wahrgenommen zu werden, denn ein Bub, der Buben begehrt, wird auf dem Dorf immer noch nicht ernst genommen, kennt man doch dererorts solche Exorbitantien nicht. Oder wie die dicke Frau in Schrowanges »Extra« so schön sagte: »Ich glaube, dass es keinen schwulen Bauer überhaupt nicht gibt!« Stimmt, davon sogar ziemlich viele! Beruf bin ich auch noch ein Mensch. Es ist schön zu wissen, dass es noch mehr Menschen wie mich gibt, aber ich möchte mich doch nicht mit denen zusammensetzen und Probleme wälzen. Das ist doch deprimierend.«

Bei Hauke und dem Rest der schwulen Bauern ist es wohl so wie bei allen, die sich zusammen alleine fühlen: Man rottet sich zusammen, rückt aneinander, organisiert sich. Weil man es muss. Weil es sonst niemanden interessiert.
Es gibt aber auch Beispiele, in denen es wunderbar funktioniert. So geschehen bei Ralf Schaab, Gründer von »Gay Farmer«. Er betreibt in der Nähe von Wiesbaden einen Hof für Obstanbau, der auf mehr als 100 Jahre Tradition zurückblicken kann. Tradition verpflichtet, auch dazu, einen solchen Hof nach dem Ausstieg des Vaters weiterzuführen und dafür zu sorgen, dass er auch nach dem eigenen Ausscheiden weitergeführt wird. Für viele ist diese Verpflichtung zuviel, sie sehen nicht die Möglichkeit, ihre homosexuellen Neigungen mit dem landwirtschaftlichen Alltag und der Tradition eines jeden Betriebes zu vereinbaren und wählen den Freitod.

Ein Schicksal, das Ralf Schaab zum Glück erspart geblieben ist. Zuverdanken ist dies nicht nur seinem eisernen Lebenswillen, sondern auch seinen - in dieser Branche eher unüblich - liberalen Eltern und guten Freunden, die ihm zur Seite standen und ihn vor der kompletten Isolation bewahrten. Mit ihrer Hilfe brachte er den Mut auf, ein offenes und freies Leben zu führen. Und er wurde belohnt.

*Name von der Redaktion geändert

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