Gesichtserkennung im Job Recruiting mittels KI – Gefahr für die Community?
Die Einführung von Künstlicher Intelligenz (KI) in den Recruiting-Prozess hat das Potenzial, die Art und Weise, wie wir Jobs finden, zu revolutionieren. Eine neue Studie der University of Pennsylvania legt jetzt jedoch nahe, dass KI-Systeme nicht nur dazu in der Lage sind, den beruflichen Werdegang und die Persönlichkeit eines Menschen anhand seiner Lebenslaufdaten zu bewerten, sondern auch seine Gesichtszüge zu analysieren, um bestimmte Persönlichkeitsmerkmale wie Vertrauenswürdigkeit oder Offenheit zu erkennen – oder vielleicht auch seine sexuelle Orientierung?
Was das Gesicht verrät
Dies wirft nicht nur ethische Fragen auf, sondern könnte auch weitreichende Auswirkungen auf die Wahrnehmung und Bewertung von Bewerbern haben – besonders im Hinblick auf die Sichtbarkeit von LGBTIQ+-Personen. Die Studie der University of Pennsylvania bezieht sich auf ein KI-System, das aus den Gesichtszügen von Menschen bestimmte Persönlichkeitsmerkmale ableitet. Die Forscher verwendeten dafür LinkedIn-Profilbilder von rund 96.000 Absolventen im Managementbereich, um fünf Schlüsselkategorien der Persönlichkeit zu identifizieren: Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus. Sie fanden statistische Zusammenhänge zwischen den, durch die KI ermittelten Merkmalen und dem späteren beruflichen Erfolg der analysierten Personen.
Ein bemerkenswerter Befund der Studie war, dass Extraversion der stärkste Prädiktor für ein hohes Einkommen ist. Ein Persönlichkeitsmerkmal, das eine nach außen gerichtete Haltung beschreibt, bei der Menschen aus sozialen Interaktionen Energie schöpfen. Wer ein offenes, geselliges Erscheinungsbild hat, wird in der Arbeitswelt häufiger als erfolgreich wahrgenommen, was zu besseren Jobchancen und höheren Gehältern führen kann. Offenheit hingegen, so die Forscher, könne dagegen das Gegenteil bewirken und mit einer geringeren Vergütung in Verbindung stehen.
Gefahr für queere Menschen?
Die zunehmende Verwendung von Gesichtserkennungstechnologien birgt auf der anderen Seite nicht nur die Gefahr der Diskriminierung, sondern könnte auch ungewollte Folgen für die LGBTIQ+-Gemeinschaft haben. Eine Technologie, die aus den Gesichtsmerkmalen einer Person auf deren Persönlichkeit schließt, könnte auch homosexuelle Menschen oder Menschen mit nicht-binären Identitäten erkennen – oder schlimmer noch, sie dazu zwingen, ihre Erscheinung oder ihr Verhalten zu verändern, um den Anforderungen des Systems gerecht zu werden.
Gerade in einem Bewerbungsprozess könnte dies besonders problematisch werden. Beispielsweise könnte eine KI, die auf subtilen Gesichtsmerkmalen basiert, das Vertrauen in Bewerber aus der Community erschüttern, da solche Systeme möglicherweise unbewusst Homosexualität oder Gender-Diversität erkennen und somit unbewusste Vorurteile im Auswahlprozess verstärken können. Arbeitgeber könnten unbemerkt eine Vorauswahl treffen, die beispielsweise Schwule und Lesben ausschließt.
Ein weiteres Risiko liegt darin, dass queere Menschen so dazu gedrängt werden könnten, sich an gesellschaftliche Normen anzupassen oder ihr Aussehen durch kosmetische Eingriffe zu verändern, um für den Arbeitsmarkt dann doch noch als „vertrauenswürdig“ oder „offen“ zu gelten. Kurz gesagt: Zurück im Schrank, das Versteckspielt würde von neuem beginnen.
Gesichtserkennung im deutschen Kontext
In Deutschland unterliegt die Gesichtserkennung durch KI bisher noch strengen gesetzlichen Rahmenbedingungen, da sie einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Dennoch gibt es auch hier erste Versuche, Gesichtserkennungstechnologien zu testen – so etwa in Pilotprojekten der Polizei, wie zum Beispiel am Frankfurter Hauptbahnhof, wo automatische Gesichtserkennung eingesetzt wird, um gesuchte Personen zu identifizieren. Allerdings darf diese Technologie nur dann zum Einsatz kommen, wenn ein entsprechender richterlicher Beschluss vorliegt.
Diskriminierende Algorithmen
Trotz dieser strengen Vorschriften zeigt die Studie der University of Pennsylvania, dass Gesichtserkennungstechnologien immer mehr auch außerhalb des Sicherheitsbereichs Anwendung finden könnten – auch im Bereich des Recruitings. Die Frage, ob KI-Systeme im Bewerbungsprozess eingesetzt werden sollten, ist nicht nur eine technische, sondern auch eine zutiefst ethische. Kritiker warnen davor, dass der Einsatz von Gesichtserkennung und anderen KI-Technologien im Recruiting zu einer oberflächlichen Bewertung von Bewerbern führen könnte, die den gesamten Menschen ausklammert.
Dazu sind queere Jobsuchende dann einer KI ausgeliefert, die unbemerkt diskriminierende Algorithmen verwendet. Inwiefern diese Technologien also in Zukunft im Rekrutierungsprozess eingesetzt werden dürfen, sollte mit Bedacht entschieden werden. Der Weg zu einer faireren und inklusiveren Arbeitswelt erfordert, dass die Rechte und die Privatsphäre aller Bewerber auch in Zukunft gewahrt bleiben.