Ein Jahr SBGG in Deutschland Kritik und Lob rund um das Selbstbestimmungsgesetz
Am ersten November vor einem Jahr trat das neue Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) in Kraft, rund 22.000 Menschen haben seitdem ihren Personenstand in Deutschland gewechselt, die meisten davon in Berlin, Leipzig und Hamburg. In einer gemeinsamen Erklärung zieht der Verband Queere Vielfalt (LSVD+), der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), der Bundesverband Trans*, der Deutsche Frauenrat sowie der Verein der Evangelischen Frauen in Deutschland jetzt eine erste Bilanz.
Mehr Arbeit für Selbstbestimmung
Zwar sei das Gesetz ein „Meilenstein“ für queere Menschen, das das bisherige „diskriminierende Transsexuellengesetz“ abgeschafft habe, doch trotzdem bleibe festzuhalten: „Das Selbstbestimmungsgesetz ist zwar ein wichtiger Fortschritt, jedoch nicht das Ende der Arbeit für echte Selbstbestimmung.“
Die fünf Verbände kritisieren dabei, dass der Zugang zum Gesetz bis heute eingeschränkt sei, da nur Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit oder einem unbefristetem beziehungswese verlängerbarem Aufenthaltstitel davon profitieren können. Des Weiteren sehen die Vereine die dreimonatige Anmelde- und Sperrfrist als Problem, denn diese unterstelle den Betroffenen, sich in ihrer Entscheidung nicht sicher zu sein.
„Auch Sonderregelungen im Spannungs- oder Verteidigungsfall zeigen, dass geschlechtliche Selbstbestimmung noch immer nicht bedingungslos anerkannt wird. Echte Gleichberechtigung bedeutet, dass alle Menschen die gleichen Rechte auf Anerkennung und Würde haben – unabhängig von Herkunft, Pass oder Lebenssituation. Das SBGG war ein notwendiger Schritt, aber kein abschließender. Ein Jahr nach seiner Einführung ist klar: Dieses Gesetz muss weiterentwickelt werden – hin zu einer rechtlichen Realität, die geschlechtliche Vielfalt ohne Einschränkungen respektiert, schützt und stärkt“, so der LSVD+ und die vier Partnerorganisationen mit ihrer Forderung.
Der BDKJ-Bundesvorsitzende Daniela Hottenbacher nimmt zudem Bezug auf die Regelung, dass Personenstandsänderungen für Kinder und Jugendliche nur mit Zustimmung der Erziehungsberichtigen möglich sind: „Das SBGG steht für Selbstbestimmung volljähriger Menschen. Echte Selbstbestimmung muss jedoch auch für Kinder und Jugendliche gelten, unabhängig von der Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter*innen oder gerichtlicher Entscheidungen.“
Debatten rund um das SBGG
Außerdem kritisieren die fünf Vereine die politischen Debatten rund um das Gesetz in Bezug auf den Schutz von Frauen und Kindern. Nach Einschätzung der Verbände handele es sich dabei um einen „konstruierten Konflikt“. Das SBGG ist dabei bist heute umstritten, Kritik kommt von einigen Frauenverbänden und schwul-lesbischen Vereinen. Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag deswegen vereinbart, das Gesetz 2026 evaluieren lassen zu wollen, wobei möglicherweise Änderungen vorgenommen werden könnten. In der Koalitionsvereinbarung wurde dazu explizit festgehalten, dies mit Fokus auf Frauen und Kinder machen zu wollen. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) deutete ebenso Sicherheitsbedenken in diesem Bereich an, ähnlich wie Bundesfamilienministerin Karin Prien (SPD).
Der LSVD+ und die weiteren Verbände kritisieren dabei, dass sich die geplante Evaluierung „stark an der gesellschaftlich polarisierten Debatte“ orientiere. „Eine Evaluation muss sich jedoch an den Menschenrechten und Grundfreiheiten orientieren, die dem Gesetz zugrunde liegen (…) Nur so kann sie dazu beitragen, bestehende Schwachstellen zu benennen und zukünftige Weiterentwicklungen im Sinne echter Selbstbestimmung zu gestalten“, so das Bündnis der Vereine weiter.
Final halten die Organisationen allerdings fest, dass das SBGG funktioniere, wie Erfahrungsberichte aus der Community aufzeigen würden, und dass es sich bewährt habe und damit zur Entstigmatisierung beitrage. Außerdem sei das SBGG „Ausdruck einer demokratischen Reife“ und stehe für eine „Gesellschaft, die Vielfalt nicht nur anerkennt, sondern schützt.“