Entschädigung Homosexueller 10.000 Euro für alle schwulen Opfer von homophoben Gesetzen in Frankreich?
Frankreich hat diese Woche erstmals über ein neues Gesetzesvorhaben beraten, dass die Entschädigung von schwulen Männern vorsieht, die aufgrund von homophoben Gesetzen in der Vergangenheit verurteilt und inhaftiert worden sind. Damit würde sich Frankreich den grundsätzlichen Entschädigungsrichtlinien anschließen, die in Spanien sowie in Deutschland bereits existieren und zuletzt auch vor kurzem in Österreich beschlossen worden sind. In puncto Entschädigungshöhe geht Frankreich dabei allerdings weit über die Vorgaben anderer Länder hinaus.
60.000 schwule Opfer in Frankreich
Betroffen davon sind schätzungsweise rund 60.000 Schwule, die zwischen 1942 und 1982 verurteilt worden waren. Dem französischen Senat ist dabei zudem wichtig, Frankreichs unrühmliche Rolle bei der Verfolgung von Homosexuellen in Europa anzuerkennen. Ähnlich wie in Deutschland wurden ebenso in Frankreich schwule Männer auch nach Kriegsende weiterhin verfolgt und inhaftiert. Das Land entkriminalisierte dabei eigentlich bereits 1789 während der Revolution erstmals Homosexualität, führte später aber erneut Strafen ein.
Die angedachten Entschädigungszahlungen konzentrieren sich dabei auf einen Zeitraum von 40 Jahren, beginnend 1942. Unter anderem sah die damalige Gesetzgebung so unterschiedliche diskriminierende Schutzalter vor, bei Schwulen lag dieses bei 21 Jahren. Erst 1982 wurden die Verbotsgesetze endgültig abgeschafft. Davon betroffen waren rund 10.000 schwule Männer, zumeist Personen aus der Arbeiterklasse – 90 Prozent von ihnen wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt.
Weitere 50.000 homosexuelle Männer wurden nach einem zweiten Gesetz verurteilt, das „öffentliche Unzucht“ verurteilte und dabei einen erschwerenden Faktor speziell für Schwule beinhaltete, der zu einem doppelt so hohen Strafmaß führte.
Frankreichs unrühmliche Vergangenheit
Fachmann Régis Schlagdenhauffen von der französischen Elite-Hochschule für Sozialwissenschaften in Paris (EHESS) erklärte dazu gegenüber France24: „Frankreich war nicht die Wiege der Menschenrechte, an die wir gerne denken. Die Revolution versuchte, Homosexualität zu entkriminalisieren, aber die nachfolgenden Regime fanden andere Strategien, um Homosexuelle zu unterdrücken. Diese Unterdrückung wurde 1942 und erst recht 1960 gesetzlich verankert. Die Menschen neigen zu der Annahme, dass Frankreich Homosexuelle im Vergleich zu Deutschland oder dem Vereinigten Königreich geschützt hat. Aber wenn man sich die Zahlen ansieht, ergibt sich ein ganz anderes Bild.“
Der Soziologe und Autor Antoine Idier gab gegenüber der Zeitung Le Monde zu bedenken, dass die Verfolgung von Homosexueller auch in früheren Zeiten deswegen nicht in Vergessenheit geraten dürfe: „Die staatliche Unterdrückung der Homosexualität reicht bis weit vor 1942 zurück. Im 19. Jahrhundert gab es außergerichtliche Verfolgungen von Homosexuellen durch die Polizei, eine tägliche Routine des Spottes, der Demütigung, der Kontrolle und der Schikanen.“ Ferner verwies er auf die missbräuchliche Verwendung von Anklagen wegen „öffentlicher Unanständigkeit“, die bereits 1810 unter Napoleon eingeführt und zur Verfolgung von Schwulen im privaten Bereich instrumentalisiert worden waren.
Pauschalentschädigung von 10.000 Euro
Der französische Senat sieht vor, allen Schwulen, die unter den homophoben Gesetzen gelitten haben, einen Pauschalbetrag von 10.000 Euro zukommen zu lassen. Darüber hinaus ist eine Entschädigung von 150 Euro für jeden Tag im Gefängnis und die Erstattung von Geldstrafen angedacht. Dabei drückten Mitglieder des Senats auch ihr Bedauern darüber aus, so spät erst zu agieren, in vielfacher Hinsicht bleibt die Entschädigung dabei ein symbolischer Wert, die meisten betroffenen Opfer sind bereits verstorben.
Allerdings betont Schlagdenhauffen weiter: „Die Anerkennung und Wiedergutmachung von historischem Unrecht ist ein wichtiger Bestandteil der Haltung eines Landes zum Schutz der Rechte von LGBT. Wenn dieses Gesetz angenommen wird, wird es Frankreich mehr in Einklang mit den europäischen Standards bringen.“
Entschädigung noch nicht sicher
Die Verabschiedung des Gesetzes sei allerdings nach wie vor alles andere als sicher, warnte Schlagdenhauffen und verwies auf die Zusammensetzung des Senats. Das Oberhaus des französischen Parlaments wird von der konservativen Partei Les Républicains dominiert, deren Mitglieder die gleichgeschlechtliche Ehe noch vor zehn Jahren mit überwältigender Mehrheit ablehnten.