HIV-Forschung Neue Studien zeigen spannende Heilungschancen auf – jetzt beginnen die ersten Tests an Menschen mit HIV.
Im Bereich der HIV-Forschung legen australische Experten derzeit die Hoffnung verstärkt auf zwei Medikamente, die erstmals bei der HIV-Konferenz IAS in Brisbane in diesem Sommer kurz vorgestellt und jetzt detaillierter präsentiert worden sind. Die zwei Medikamente wurden aus einer für die HIV-Medizin neuen Klasse, den sogenannten BH3-Mimetika, vorgestellt. Sie könnten zu einer Heilung von HIV beitragen, indem sie langlebige Zellen abtöten, die HIV-Gene in ihrer DNA enthalten. Bemerkenswert ist, dass die beiden Medikamente Venetoclax und Obatoclax dabei nur Zellen abtöten, die intakte DNA enthalten, aus der neue Viren entstehen können, nicht aber Zellen mit defekter, harmloser DNA.
Nur wenige HIV-Heilungen weltweit
Bisher gelangen „HIV-Heilungen“ bei nur einer Handvoll Patienten weltweit in Folge einer Stammzellentransplantation bei einer Krebstherapie – als „Nebeneffekt“ erfolgte dabei auch die Heilung von HIV. Bis heute ist das Verfahren aber viel zu riskant, radikal lebensgefährlich und mit gesundheitlich massiven schädlichen Nebenwirkungen verbunden, um daraus eine breit angelegte HIV-Bekämpfung ernsthaft in Betracht ziehen zu können. Spannend sind nun allerdings offenbar einige Medikamente aus dem Arsenal der Krebsbekämpfung, beispielsweise HDAC-Inhibitoren, PD-1-Inhibitoren und therapeutische Impfstoffe.
Spannende Gemeinsamkeiten bei HIV und Krebs
Das Expertenteam des australischen Walter and Eliza Hall Institute of Medical Research hält dies dabei keineswegs für einen Zufall, denn Krebs und AIDS seien beide das Ergebnis von Mutationen in der DNA einiger Zellen. Im Falle von Krebs entstehen sie in der DNA des Wirts, bei einer HIV-Infektion werden sie von einem Virus eingebracht, aber beide sind das Ergebnis von „abtrünnigen Genen“. Auch bei der Bekämpfung der Krankheitsbilder gibt es Gemeinsamkeiten, denn in beiden Fällen fällt es dem Immunsystem schwer, mit Krebs oder HIV infizierte Reservoir-Zellen zu erkennen, da diese die meisten der offensichtlichen Signale nicht zeigen, die virusinfizierte Zellen normalerweise aufweisen.
Dabei stellten die HIV-Forscher in Brisbane eine weitere Ähnlichkeit zwischen Krebs- und HIV-Reservoir-Zellen fest – beide scheinen „unsterblich“ zu sein. Irgendetwas scheint sie daran zu hindern, das normale und notwendige „Beschneiden“ von Zellen, die sogenannte Apoptose, zu durchlaufen, bei der Zellen abgetötet werden, die nicht mehr brauchbar sind oder deren Alterung zu Fehlfunktionen führen kann – in Verdacht stehen dabei derzeit bestimmte Proteine, die den Prozess ausschalten.
Die australischen Krebsforscher entdeckten dabei nun eine Klasse kleiner Moleküle, die sogenannten BH3-Mimetika, die sich in diesen Proteinen einnisten und so die „Unsterblichkeit“ befeuern. Der neuste Forschungsstand geht nun davon aus, dass HIV-infizierte Zellen nach einem sehr ähnlichen Muster verfahren, weswegen die Hoffnung groß ist, dass sich beide Krankheiten vielleicht in der Zukunft auch ähnlich bekämpfen lassen könnten.
Hoffnungsvolle Labortests
Am weitesten fortgeschritten ist die Forschung dabei bei Venetoclax, welches bereits zur Bekämpfung bestimmter Leukämiearten zugelassen ist. Dr. Philip Arandjelovic vom australischen Institut erläuterte nun, dass die Forschung mit HIV-infizierten Mäusen dabei bereits spannende Fortschritte gezeigt habe – den Tieren war das Virus infiziert und dann eine antiretrovirale Dreiklassen-Therapie verabreicht worden. Nach einem Monat war das Virus ähnlich wie beim Menschen vollständig unterdrückt, sodass die Behandlung mit Venetoclax begann. Anschließend wurde die Therapie wieder abgesetzt, sodass die HIV-Viruslast bei den Placebo-Mäusen sehr schnell wieder anstieg – ganz im Gegensatz zu den Tieren, die Venetoclax verabreicht bekommen hatten.
Kann ein Medikament lebensfähige HIV-DNA erkennen und eliminieren?
In den letzten Monaten folgten weitere Labortests, die bisherigen Ergebnisse seien dabei „statistisch signifikant“, vor allem auch deswegen, weil Venetoclax offenbar viel mehr tut, als nur wahllos zelluläre virale DNA zu zerstören. Es deutet darauf hin, dass Venetoclax nur jene Immunzellen markiert, die lebensfähige HIV-DNA enthalten, und Zellen ignoriert, die nur Fragmente davon enthalten. Diese Fähigkeit, aktive oder potenziell aktive Reservoir-Zellen anzugreifen, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die praktikabelsten HIV-Heilmittel. Aktuell laufen auch an der Universität Kalifornien in San Francisco weitere Studien mit ähnlichen Medikamenten. Neben Venetoclax scheint ansonsten vor allem Obatoclax die beständigsten Ergebnisse zu liefern.
Erste Studienreihe an HIV-positiven Menschen
Der nächste Schritt ist nun eine erste Studie am Menschen – noch im September dieses Jahres startet die erste Studienreihe mit Venetoclax an 18 HIV-positiven Probanden. Die ersten Ergebnisse werden Ende nächsten Jahres erwartet und die Experten betonen dabei trotzdem eindringlich, dass sich die Erforschung des HIV-Heilungspotenzials dieser Medikamente noch in einem frühen Stadium befindet – bis zu einem vielleicht möglichen Einsatz dieser Mittel in der Breite der Gesellschaft wird es noch dauern.