Hinhaltetaktik in Bayern Der LSVD Bayern kritisiert Söders jüngste Aussagen zum Aktionsplan
Die bayerische LGBTI*-Community ist wütend, denn nun ist eingetroffen, was zuvor befürchtet worden war – der versprochene bayerische Aktionsplan für mehr LGBTI*-Akzeptanz kommt nicht vor der Landtagswahl in Oktober. Beinahe nebenbei hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Ende letzter Woche dies verkündet. Noch im Juli hatte Bayerns zuständige Sozialministerin Ulrike Scharf sogar auf der Münchner CSD-Bühne versprochen, dass der Aktionsplan noch im Sommer kommen werde. Bayern bleibt damit bis heute das einzige Bundesland in Deutschland, dass noch keinen Aktionsplan hat.
Reine Wahlkampftaktik?
Die Zeichen mehren sich zudem, dass der im Frühjahr überraschend von Söder selbst in einem Podcast angekündigte Aktionsplan zur reinen Wahlkampftaktik verkommt, denn inzwischen erklärte der bayerische Ministerpräsident sogar, man müsse sich nach der Wahl dann zunächst einmal mit dem Koalitionspartner darüber verständigen, höchstwahrscheinlich also erneut mit den Freien Wählern. SCHWULISSIMO fragte nach bei Markus Apel vom Lesben- und Schwulenverband Bayern, wie der Verein die jüngsten Entwicklungen bewertet.
Markus, wie blickst Du und der Bayern-LSVD auf die jüngsten Aussagen von Herrn Söder?
Markus Söder hat vor Monaten ein Versprechen abgegeben: Es soll endlich auch einen Queeren Landesaktionsplan für Bayern geben. Das bisherige politische Vorgehen der Staatsregierung und Regierungsparteien zeigt aber, dass hinter dieser Ankündigung weder eine durchdachte Strategie noch fundierte Inhalte stehen. Bis zum heutigen Tag ist der genaue Ablauf des geplanten Erarbeitungsprozesses bis Ende 2025 unklar. Ebenso die Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Staatsregierung und die Finanzierung der Maßnahmen. Außerdem gibt es nach wie vor keinen Kabinettsbeschluss. Söder scheint mehr von parteipolitischer Taktik getrieben als von echter Überzeugung queeren Menschen in Bayern zu mehr Freiheit und Sicherheit zu verhelfen.
Ist die Regierung denn inzwischen überhaupt bereits konkret auf den LSVD Bayern zugekommen, um gemeinsam ein Konzept zu erarbeiten?
Der LSVD Bayern hat kurz nach der Ankündigung Söders einen Brief an das zuständige Sozialministerium geschrieben, um möglichst frühzeitig in einen transparenten Austausch und Planungsprozess rund um den Aktionsplan zu kommen. Dieses Angebot wurde zum damaligen Zeitpunkt ausgeschlagen und man beriet sich seltsamerweise ausschließlich mit dem Bayerischen Jugendring wie der Erarbeitungsprozess aussehen soll. Nach Monaten der Unklarheit lud das Sozialministerium dann zu einer Auftaktveranstaltung ein, bei der unser Verband deutlich machte, dass es im weiteren Prozess auf Transparenz, Fachlichkeit und Planbarkeit ankäme. Man verständigte sich darauf, nach der vom LSVD organisierten zivilgesellschaftlichen Aktionsplan-Konferenz am 8. September in Gespräche zu gehen. Wir bemühen uns aktuell um ein Hintergrundgespräch mit der zuständigen Abteilung des StMAS, um miteinander planen zu können, statt dass nur übereinander geredet wird. Als LSVD Bayern erwarten wir eine enge Zusammenarbeit zwischen Staatsregierung und Fachverbänden der Community. Wir setzen uns beispielsweise für ein Steuerungsgremium ein, dass den Erarbeitungs- und Umsetzungsprozess rund um den Aktionsplan lenkt und fachlich begleitet.
Söder sagt, nach der Wahl müsse man darüber erst einmal mit dem Koalitionspartner – also den Freien Wählern höchstwahrscheinlich – sprechen. Besteht nicht die Gefahr, dass der Aktionsplan, selbst wenn er doch noch kommt, dann zu einer Art von inhaltsleeren Luftnummer verkommt?
Die Staatsregierung sagt, der "Aktionsplan Queer" sei gestartet - dabei kann natürlich kein Plan starten, der de facto noch gar nicht existiert. Wenn Söder und die Staatsregierung darüber sprechen, dass für den Aktionsplan etwa 700.000 Euro Budget zur Verfügung stehen, ist das eine Lüge. In diesem Betrag sind ausschließlich zwei Verwaltungsstellen innerhalb des Sozialministeriums, sowie die ohnehin bestehende Förderung für einige LSBTIQ*-Projekte enthalten. Sprich: Noch kein Cent für die Maßnahmen des Aktionsplans steht fest. Für die Community geht es um wirksame Maßnahmen gegen Queerfeindlichkeit, nicht um Labels und Papiertiger. Deshalb haben wir bei unseren Aktionsplan-Konferenz Anfang September mit fast 70 Organisationen aus ganz Bayern an konkreten Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Justiz, Kultur, Lebenslagen und Partizipation gearbeitet, die wir nach der Landtagswahl an die neue Staatsregierung übergeben wollen. Dieser Maßnahmenkatalog muss das fachlich-inhaltliche Fundament für den Aktionsplan bilden. Wir werden aufmerksam verfolgen, wie viel von diesen Inhalten am Ende Realität werden.
Angesichts der jetzt erneuten Hinhaltetaktik seitens der CSU, wie blickt der LSVD auf die kommende Landtagswahl im Oktober?
Queere Menschen und alle Wähler*innen in Bayern haben es verdient, konkrete politische Strategien im Bereich Gleichstellung und Antidiskriminierung zu erfahren. In unseren Wahlprüfsteinen zur Landtagswahl hat sich gezeigt, dass gerade die Regierungsparteien planlos bleiben, wenn es beispielsweise um flächendeckende queere Bildungsarbeit oder die Unterstützung von Regenbogenfamilien geht. Man setzt auf öffentliche Image-Pflege bei CSDs oder Parteiveranstaltungen statt auf echten Dialog und entschiedenes politisches Handeln. Viele queere Engagierte sind es leid, um jeden kleinen Fortschritt in Bayern kämpfen zu müssen. Gerade in einer Zeit in der LSBTIQ* massiven populistischen Angriffen ausgesetzt sind, ist das höchst fahrlässig. Wenn zivilgesellschaftliches Engagement von Populismus bedroht und von Verantwortungsträger*innen nicht ernst genommen wird, vergiftet das unsere Demokratie und am Ende auch uns als Gesamtgesellschaft.
Markus, vielen Dank dir für das Gespräch!