Warten auf den queeren Attentäter Neuer Hass in altem Gewand gegenüber LGBTI* möglich
Kommentar
Es ist ohne Zweifel ein grausamer und furchtbarer Amoklauf, der in Texas stattgefunden hat – und obwohl abermals viele junge Menschen sterben mussten, legt sich oftmals eine bleierne Müdigkeit über viele Menschen. Wir kennen die Bilder, wir kennen die Versprechungen, ja, wir kennen sogar die Wutausbrüche von Prominenten, die fordern: Nie mehr! Bis es dann eben doch einmal wieder passiert. Wieder steht ein Präsident am Rednerpult und bedauert und gedenkt der Opfer. Wieder wird gebetet. Wieder will man alles tun, was man kann, um die Waffengesetze – ach, nein, geht leider doch nicht. Wieder erklären uns Republikaner, es liege gar nicht an den laschen Waffengesetzen und man könne sich gegen die Verrückten eben nur verteidigen, wenn man selbst eine Vollautomatik mit mehreren hundert Schuss pro Minute in der Hand halte.
Eines war dann allerdings doch neu in diesem altbekannten und eigentlich sehr traurigen Schauspiel: Für einige Tage jagte der Vorwurf durch die sozialen Medien, der 18-jährige Attentäter könnte ein trans-Jugendlicher gewesen sein. Ein Vorwurf, der inzwischen längst wiederlegt wurde, aber zuvor bereits von einigen republikanischen Politikern munter geteilt worden war. Eine Randnotiz? Mitnichten in einem Bundesstaat wie Texas, in dem hoch offiziell gerade abermals Hetzjagden auf Eltern von trans-Jugendlichen von Seiten des Familienministeriums abgehalten werden. Der Vorwurf: Die medizinische Behandlung von trans-Jugendlichen ist Kindesmisshandlung.
Da stellt sich die Frage, was wäre gewesen, wenn der Attentäter tatsächlich queer gewesen wäre? Schwul, lesbisch oder eben trans? Was hätte es geändert? Mit Sicherheit, wie bereits versucht, hätte dieser Umstand zu einem erneuten Erstarken der republikanischen Kräfte im Kampf gegen die LGBTI*-Community beigetragen. Getreu dem Motto: „Seht her, liebe Mitbürger, die Queers und LGTBI* sind so verrückt, sie töten schon unsere ´normalen gesunden Kinder´, nachdem sie diese nicht genug mit der LGBTI*-Ideologie an den Schulen indoktrinieren konnten. Alarm, Alarm!“ Dummerweise, für die Republikaner, handelt es sich bei dem Attentäter wohl “einfach nur“ um einen weiteren verzweifelten jungen Menschen, der zur Waffe griff, weil er keinen anderen Ausweg mehr gesehen hatte.
Eines sollte uns aber klar sein: In den USA wurden allein in diesem Jahr bisher über 250 Gesetzesvorhaben gegen LGBTI* angestoßen, laut jüngsten Umfragen des Trevor Projects denkt etwa die Hälfte aller LGBTI*-Jugendlichen in den USA ernsthaft immer mal wieder an Suizid, es ist also nur eine Frage der Zeit, bis auch ein LGBTI*-Jugendlicher Amok laufen kann oder wird. Und dann? Es darf bezweifelt werden, dass die besonders dramatische Lage von LGBTI* im Vordergrund der Berichterstattung stehen wird, viel eher wird Tenor jener sein, den man schon heute gerne produziert hätte: „LGBTI* ist gefährlich, es indoktriniert und tötet unsere Kinder und LGBTI*-Menschen sind nicht normal.“
Die Stimmung dürfte daraufhin abermals noch mehr kippen und die Lage für LGBTI* sich noch einmal verschlimmern – dabei muss uns klar sein: Diese Anti-LGBTI*-Argumentationskette ist eine, die weit über die Grenzen der Vereinigten Staaten hinaus spürbar sein kann und freudig dann von allen homophoben Staatenlenkern (Ungarn, Polen) und rechten Parteien (AfD) aufgegriffen werden wird.
Wir sollten uns dieser Gefahr bewusst werden – wahrscheinlich, so bitter es klingt, ist es nur eine Frage der Zeit bis zum ersten “queeren Amoklauf“ in den USA.