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UN kritisiert Trans-Pläne
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UN kritisiert Trans-Pläne Widerspricht ein Selbstbestimmungsgesetz dem Gleichstellungsgrundsatz?

ms - 29.11.2022 - 10:00 Uhr

Die UN-Sonderberichterstatterin für Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Reem Alsalem, übt jetzt Kritik an den Plänen der schottischen Regierung, ein neues Selbstbestimmungsgesetz für Trans-Personen durchzusetzen, obwohl diverse Aspekte unklar sind und teilweise gegen europäisches Recht verstoßen könnten. Schottland plant dabei ähnlich wie Deutschland im kommenden Jahr ein Selbstbestimmungsgesetz einzuführen, bei dem eine Geschlechtsänderung von Minderjährigen via Sprechakt möglich sein soll – weitere medizinische, psychologische oder juristische Abklärungen sollen allesamt entfallen.

Rebellion im schottischen Parlament

Erst Anfang des Monates war es zu einer Rebellion im schottischen Parlament gekommen, nachdem mehrere Abgeordnete der Regierungskoalition sich klar gegen die Pläne auch der eigenen Partei positioniert hatten – die schottische Ministerin für kommunale Sicherheit, Ash Regan, war deswegen sogar zurückgetreten. Ein Teil der Regierung unter der Ersten Ministerin Nicola Sturgeon will im Schnelldurchlauf das Gesetzesvorhaben durchsetzen, das eine Geschlechtsänderung für Jugendliche ab 16 Jahren vorsieht – ohne Einwilligung der Eltern, ohne medizinische Diagnose der Geschlechtsdysphorie und ohne ärztliche Beratung. Derzeit befindet sich das Gesetzesvorhaben in der zweiten von drei Phasen, in der Änderungen beraten werden können. Die inhaltlichen Risse über das neue Gesetzesvorhaben verlaufen quer durch die Parteien, sodass fraglich ist, ob ein möglicher Koalitionszwang nicht zu weiteren Verwerfungen in der Regierung führen könnte.

Öffnet das Gesetz Tür und Tor für Gewalttäter?

Die jüngsten Äußerungen der UN-Sonderbotschafterin Alsalem dürften die aktuelle Lage nicht befrieden, aber vielleicht Anstoß geben, sich tatsächlich vorurteilsfrei mit Pro und Contra des Gesetzesvorhabens auseinanderzusetzen. Vor allem bittet die UN-Expertin um mehr Zeit, um alle Standpunkte und deren Auswirkungen auf andere Gesetze fachlich zu erörtern. „Ich teile die Besorgnis, dass solche Vorschläge potenziell Tür und Tor für gewalttätige Männer öffnen würden, die so das Verfahren zur Erlangung eines Geschlechts und die damit verbundenen Rechte missbrauchen könnten. Dies birgt potenzielle Risiken für die Sicherheit von Frauen in ihrer ganzen Vielfalt, einschließlich Frauen, die als Frauen geboren wurden, Trans-Frauen, und nicht genderkonforme Frauen (…) Die laufenden Bemühungen der schottischen Regierung um eine Reform der bestehenden Gesetzgebung berücksichtigen nicht ausreichend die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Mädchen in ihrer ganzen Vielfalt, insbesondere derjenigen, die von männlicher Gewalt bedroht sind und die männliche Gewalt erfahren haben, da sie keine Schutzmaßnahmen vorsehen, die sicherstellen, dass das Verfahren, soweit dies nach vernünftigem Ermessen möglich ist, nicht von Sexualstraftätern und anderen Gewalttätern missbraucht wird. Dazu gehört der Zugang sowohl zu geschlechtsspezifischen Räumen als auch zu genderspezifischen Räumen.“

Ein Gesetz, das Frauen und Trans-Frauen schützt

Alsalem ist dabei auch wichtig zu betonen, dass ein Gesetz entstehen solle, dass sowohl Frauen wie auch Trans-Frauen gleichermaßen schützen kann, gerade mit Blick auf die oftmals diskutierten Schutzräume: „Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass das Bestehen auf Schutz- und Risikomanagementprotokollen nicht aus der Überzeugung resultiert, dass Transgender-Personen eine Gefahr für den Schutz darstellen. Sie basiert vielmehr auf empirischen Beweisen, die zeigen, dass die Mehrheit der Sexualstraftäter männlich ist, und dass hartnäckige Sexualstraftäter große Anstrengungen unternehmen, um Zugang zu den Menschen zu erhalten, die sie missbrauchen wollen. Eine Möglichkeit, dies zu tun, besteht darin, das Verfahren zu missbrauchen, um Zugang zu geschlechtsspezifischen Räumen zu bekommen, die aus Sicherheitsgründen normalerweise Frauen vorbehalten sind. Die Sicherheit und der Schutz aller Personen müssen durch das Gesetz geschützt werden.“

Dabei sei grundsätzlich allerdings klar: „Es ist wichtig zu betonen, dass Trans-Personen das Recht haben, ein Leben zu führen, das frei ist von Diskriminierung und Belästigung und ihre Menschenrechte wahrt. Sie haben Anspruch auf differenzierte und gleichberechtigte Dienstleistungen, die die besonderen Erfahrungen und Bedürfnisse von Trans-Personen anerkennen.“ Das eine bedeute laut Alsalem aber andererseits nicht, die Pflicht zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt zu beschneiden.

Verstößt die Self-ID gegen das Gleichstellungsgesetz?

Eine Frage, die Alsalem ebenso noch unbeantwortet sieht, ist jene, ob das geplante Selbstbestimmungsgesetz am Ende gegen internationale Menschenrechte verstoße – zu viel sei noch unklar. In Teilen betrifft das im Grundsatz nicht nur die schottischen Pläne, sondern auch die Idee eines neuen Selbstbestimmungsgesetzes in Deutschland. Alsalem sieht ein ganzes Minenfeld an ungeklärten Rechtsfragen: Die Religion sowie die Weltanschauung sind so zum Beispiel seit dem schottischen Gleichstellungsgesetz von 2010 geschützte Merkmale. Wie verhält es sich nun, wenn gläubige Frauen Opfer von Gewalt werden und in Pflege- oder Schutzeinrichtungen für Frauen kommen sollen, in denen künftig dann auch Trans-Frauen untergebracht worden sind? Personen, die von gläubigen Menschen noch immer im Sinne der Religionsfreiheit als männlich gelesen werden können. Im rechtlichen Sinne stellt sich laut der Expertin eine „rechtswidrige mittelbare Diskriminierung aufgrund der Religion“ dar, gerade wenn religiöse Frauen aufgrund dessen von Dienstleistungen zur Gewaltbewältigung fernbleiben (Selbstausgrenzung).

Eine andere Frage wäre auch, nach welchen Aspekten das Gleichstellungsgesetz generell künftig angerufen werden darf – zählt das biologische Geschlecht oder auch das selbstdefinierte? Und wie wird verfahren mit Personen, die eine Geschlechtsanpassung rückgängig machen? „Es wäre wichtig, die Beziehung zwischen dem Gesetz zur Anerkennung des Geschlechts (Recognition Reform Scotland)  und dem Gleichstellungsgesetz (Equality Act) zu klären. Es gibt weiterhin mehrere miteinander zusammenhängende Fragen, die die beiden Gesetzestexte überspannen und die nicht ausreichend geklärt sind, sodass dies weitere Überlegungen und möglicherweise auch Änderungen erfordert“, so die UN-Sonderbotschafterin weiter.

Mehr fundierte Rechtssicherheit

Mit Dringlichkeit appelliert Alsalem so auch darauf, dass es eine „angemessene Absicherung während des Verfahrens der Zertifizierung selbst“ geben muss, eine einfache Geschlechtsanpassung via Sprechakt greife dort zu kurz. Auch wäre es sinnvoll den Ausgang mehrere Prozesse in Schottland sowie im Vereinigten Königreich abzuwarten, die die Frage nach der Definition einer Frau stellen. Zudem gibt es auch weitere Erwägungen mit Blick auf grundsätzliche Menschenrechtsfragen: „Bei der Fertigstellung dieses Gesetzentwurfs und künftiger Gesetze müssen die schottische und die britische Regierung auch sicherstellen, dass laufende und künftige Änderungen von Gesetzen, die Auswirkungen auf Frauen und Kinder haben, im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsverpflichtungen des Vereinigten Königreichs, insbesondere in Bezug auf die Verhütung von Gewalt und die Bereitstellung von Dienstleistungen für die Opfer solcher Gewalt sind.“

Vorschnell gehandelt könne das Gesetz nicht nur anfechtbar sein, sondern so auch Täter schützen, zur Retraumatisierung führen und eine Gefährdung für Frauen und Minderjährige sein. Zudem gäbe es eindeutig einen Unterschied zwischen dem biologischen Geschlecht und einer Geschlechtsidentität und in beiden Fällen bedürfe es zum Beispiel bei Gewalterfahrungen eine individuelle psychologische und medizinische Herangehensweise. Auch hier greife ein Gesetz für alle sozusagen nicht.

Betroffene anhören

Abschließend bittet Alsalem die schottische Regierung eindringlich, Bedenken ernst zu nehmen und Betroffenen vorurteilsfrei zuzuhören. „Dies sind alles komplexe Fragen mit sehr praktischen und realen Folgen für mehr als eine geschützte Gruppe und die Überschneidungen zwischen anderen geschützten Gruppen und der breiteren Gesellschaft. Ich appelliere daher nachdrücklich an die schottische Regierung, sich ausreichend Zeit zu nehmen, um eine gründliche Bewertung aller vorhersehbaren Folgen der vorgeschlagenen Änderungen vorzunehmen und sicherzustellen, dass die Vereinbarkeit mit verwandten Rechtsvorschriften, wie dem Gleichstellungsgesetz und anderen verwandten Gesetzen, sorgfältig geklärt wird, um Gesetzeskonformität zu erreichen“, so die UN-Sonderbotschafterin abschließend.  

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