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Transgender eine “Phase“?
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Transgender eine “Phase“? Ärzte sollen britische Jugendliche bei einer Selbstdefinition nicht unreflektiert bestärken

ms - 25.10.2022 - 13:00 Uhr

Die britische Gesundheitsbehörde NHS hat jetzt erste konkrete Schritte veröffentlicht, die eine Überarbeitung der Richtlinien für Trans-Personen vorsehen. Zuletzt war mehrfach darüber spekuliert worden, welche Änderungen das medizinische Fachgremium ergreifen wird, nachdem zuletzt der Skandal um die Londoner Tavistock Klinik international für Schlagzeilen gesorgt hatte. Die Fachabteilung für Trans-Jugendliche soll ungeprüft und vorschnell Medikamente und Hormone verschrieben und sogar Operationen an Minderjährigen durchgesetzt haben, ohne dass die betroffenen Jugendlichen oder deren Eltern umfassend aufgeklärt worden seien. Auch soll nicht anderen möglichen Ursachen für die Selbstdiagnose trans nachgegangen sein. Inzwischen formiert sich eine Klagewelle mit mehr als 1.000 betroffenen Familien, die den Schritt offenbar inzwischen bereuen. Der NHS hatte deswegen zuletzt angekündigt, die Abteilung in der Tavistock Klinik im Frühjahr 2023 zu schließen und mehrere neue Fachzentren für Jugendliche landesweit einzurichten. Zudem sollen die Richtlinien im Umgang mit jenen Jugendlichen deutlich verbessert werden.

Der NHS England hat jetzt erste Pläne zur Verschärfung der Kontrollen bei der Behandlung von unter 18-Jährigen, die ihr Geschlecht in Frage stellen, bekanntgegeben. Künftig sollen die Untersuchungen von Jugendlichen und Kindern durchwegs nur von Fachärzten für Kindermedizin geleitet werden und nicht mehr wie bisher von Therapeuten oder vermeintlichen Hormonspezialisten. Ziel sei es dabei, auch die Auswirkungen anderer Erkrankungen wie Autismus oder psychische Probleme effizienter zu berücksichtigen. Bisher habe es zumeist kaum oder gar keine schlüssigen Beweise zur Unterstützung der klinischen Entscheidungsfindung gegeben. Der Tavistock Klinik wird so beispielsweise auch vorgeworfen, dogmatisch auch mit dem eigenen Personal umgegangen zu sein – wer die unkritische Vergabe von Medikamenten intern hinterfragte, soll als transphob gebrandmarkt und schlussendlich oftmals entlassen worden sein.

Hat die Änderung des Vornamens bereits ungeahnte Folgen?

Nach Angaben der NHS England verweist der vorläufige Bericht auch darauf hin, dass selbst soziale Veränderungen, wie die Änderung des Namens, der Pronomen oder der Kleidung eines jungen Menschen, kein "neutraler Akt" sei, sondern "erhebliche Auswirkungen" auf das "psychologische Funktionieren" eines jungen Menschen haben kann. Eltern und Fachleute hatten zuvor seit langem Bedenken geäußert, dass Mediziner einen "affirmativen" Ansatz bei der Behandlung von Kindern verfolgen, einschließlich der Verwendung ihrer bevorzugten Namen und Pronomen. In den Vorschlägen für die neuen Richtlinien heißt es, dass der neue klinische Ansatz für jüngere Kinder "die Belege dafür widerspiegelt, dass die Geschlechtsinkongruenz in den meisten Fällen nicht bis ins Jugendalter anhält", und dass Ärzte darauf achten sollten, dass es sich oftmals nur um eine "vorübergehende Phase" handeln könnte. Anstatt eine Transition aktiv zu fördern, sollten die Mediziner einen "beobachtenden Ansatz" verfolgen, um zu sehen, wie sich die Bedingungen eines jungen Menschen entwickeln, so die neuen Pläne der NHS. Wenn ein vorpubertäres Kind bereits eine soziale Transition vollzogen habe, "muss der klinische Ansatz die Risiken einer unangemessenen Geschlechtsumwandlung und die Schwierigkeiten berücksichtigen, die das Kind bei der Rückkehr in seine ursprüngliche Geschlechtsrolle nach Eintritt in die Pubertät haben kann, wenn die Geschlechtsinkongruenz nicht bestehen bleibt".

Künftig soll eine soziale Transition, also auch das Ändern der Pronomen oder des Vornamens, nur dann in Betracht gezogen werden, wenn dies aus medizinisch fundierter Sicht notwendig erscheint, um ein "klinisch bedeutsames Leid" zu lindern. Dazu muss der Jugendliche nachweisbar zuallererst in der Lage sein, die „Auswirkungen der Bejahung einer sozialen Transition vollständig zu verstehen", so NHS England. Grundlage für jeden dieser Schritte ist eine diagnostizierte Geschlechtsdysphorie, sprich, das strikte Ablehnen der biologischen Geschlechtsmerkmale. Großbritannien und die NHS setzen damit genau gegenteilige Maßstäbe um wie jene, die beispielsweise mit dem geplanten Selbstbestimmungsgesetz in Deutschland angedacht sind. Hier wurde in den vergangenen Jahren die Definition von Transsexualität immer mehr von der Geschlechtsdysphorie getrennt, sodass sich auch ein Mensch als trans definieren kann, obwohl er seine Geschlechtsmerkmale annimmt und auch sexuell aktiv mit diesen ist – ein Fakt, der für Menschen mit Geschlechtsdysphorie praktisch unmöglich ist.

Abschließend hält der NHS auch fest, dass die meisten Kinder, die sich selbst als trans bezeichnen, nur eine “Phase“ durchmachen würden, Ärzte sollten junge Menschen nicht dazu ermutigen, diese Phase weiter zu vertiefen. Der NHS reagiert dabei auch auf den massiven Anstieg der Fallzahlen in Großbritannien, der sich nach Angaben der Fachleute anderweitig kaum noch erklären lassen könne. Wurden 2012 noch knapp 250 Jugendliche an den Dienst für Geschlechtsidentität überwiesen, waren es zuletzt 2021 über 5.000 minderjährige Kinder und Jugendliche. Ein "erheblicher Anteil der Kinder", die zur Behandlung zuletzt überwiesen wurden, hätten dabei Probleme mit der neurologischen Entwicklung oder familiäre sowie soziale Probleme, so der britische Gesundheitsdienst. Die Konsultation zu den Plänen und neuen Richtlinien endet im Dezember.

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