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Starrsinn unter Aktivisten
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Starrsinn unter Aktivisten Eine neue Form der Debatte, basierend auf Neugier und Respekt

ms - 20.10.2022 - 14:00 Uhr

Dustin Lance Black ist maßgeblich für zwei Dinge bekannt: Für das Drehbuch zum Film “Milk“ gewann er einen Oscar und hielt eine bis heute berührende Rede über den Traum, eines Tages als schwuler Mann gleichberechtigt und offen homosexuell in den USA leben zu können. Einige Jahre später fand Black in dem zwanzig Jahre jüngeren, britischen Olympiasportler Tom Daley seinen Partner fürs Leben, heiratete, wurde zusammen mit Daley Vater eines Sohnes und gehört seitdem zu den berühmtesten und mächtigsten Gay-Paaren weltweit.

In seinem Buch “Mama´s Boy“ aus dem Jahr 2019 hat Black, der seit vielen Jahren auch unermüdlich als LGBTI*-Aktivist unterwegs ist, seine eigene Kindheit verarbeitet, die jetzt in einem neuen HBO-Dokumentarfilm thematisiert wird. Exklusiv gegenüber LGBT-Nation blickte Black dabei jetzt auch auf die aktuelle Situation in den USA – im November bei den Zwischenwahlen entscheidet sich maßgeblich, welche Rechte der LGBTI*-Community künftig noch zugestanden werden, dabei steht immer mehr auf dem Spiel: Homo-Ehe, die Legalität von gleichgeschlechtlichem Sex oder auch die Rechte für queere Menschen. Black dazu: „Meine Mutter hat mich angefleht, die Brücken, die sie gebaut hat, aufrechtzuerhalten. Das waren die Brücken innerhalb unserer Familie, zwischen Menschen, die sehr unterschiedlich wählen, sehr unterschiedlich denken, sehr unterschiedlich glauben. Aber das sind auch die Brücken, die in den letzten Jahren in den Vereinigten Staaten und jetzt weltweit eingestürzt sind. Wir alle sehen zu, wie all diese Brücken fallen. Und das wirkt sich auch auf unsere Familien aus.“

Wichtig für einen Weg aus dem immer brutaler werdenden Kulturkampf gegen die LGBTI*-Community sei es, eine einfache Philosophie wieder aufzugreifen: „Den Raum mit Menschen teilen, mit denen man nicht übereinstimmt; mehr Fragen zu stellen, als zu versuchen, zu beweisen, dass man Recht hat.“ Dabei blickt Black durchaus auch kritisch auf die eigene LGBTI*-Community, die sich auch in den USA zerstritten zeigt: „Jeder, der schon einmal in einer Bewegung gearbeitet hat, weiß, dass man mehr mit den Leuten in der Bewegung kämpft als mit den Leuten, gegen die man zu sein glaubt.“ Trotzdem sei das Engagement ein wichtiges, so der Oscar-Preisträger weiter: „Als Aktivist, der in der Bürgerrechtsbewegung arbeitet, um eine Minderheit zu verteidigen, werden Minderheiten ihre Errungenschaften immer verteidigen müssen. Sie sind nie von Dauer. Man ist eine Minderheit. Man ist potenziell jederzeit den Launen der Mehrheit ausgesetzt. Und so muss der Kern der Arbeit sein, den Aufbau von Koalitionen immer weiter anzugehen. Aber es ist hart, und von unserem jetzigen Standpunkt aus gesehen schwingt das Pendel in ähnlicher Weise zurück wie 2008, als Proposition 8 verabschiedet wurde (…) Der Kampf geht also weiter. Der Kampf muss globaler werden, denn wir lassen viele unserer Familienmitglieder in der Queer-Community an Orten wie Iran und Uganda und in ganz Osteuropa zurück. Es ist also ein Versprechen für die Ewigkeit, und ich werde nicht weggehen. Aber ich bin auch ermutigt davon, dass so viele Menschen bereit zu sein scheinen, sich diesem Kampf anzuschließen.“

Dabei betont Black auch, dass ein Umdenken und ein Wandel in der Gesellschaft hin zu mehr Akzeptanz für LGBTI* nur möglich sei, wenn man sich gegenseitig wieder mehr zuhört und zu einem ruhigen Gespräch zurückfindet – also genau das Gegenteil von dem, was derzeit sowohl in Deutschland wie aber auch in den USA oftmals der Fall ist. „Wir brauchen viel Mut, um das tatsächlich zu tun. Man hört es vielleicht nicht gerne, aber wenn man in diese gemeinsamen Räume mit Menschen kommt, mit denen man nicht einverstanden ist, fordere ich einen immer heraus, mehr Fragen zu stellen, als zu beweisen, dass man Recht hat. Mit Debatten, die man mit Argumenten der Wissenschaft und des Rechts führt und denen ich zustimme,  wird man die Menschen in diesem Raum nicht für sich gewinnen können. Es wird keine Meinung ändern. Es wird kein Herz ändern. Wenn man das erreichen will, muss man persönlich werden. Und man sollte neugierig darauf sein, warum jemand, der ganz anders denkt, so denkt, wie er denkt.“

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