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Pinkwashing in der Kirche
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Pinkwashing in der Kirche OutInChurch-Initiative: Kirche betreibt Imagepflege auf Kosten von LGBTI*-Menschen

ms - 04.11.2022 - 10:00 Uhr

Mit harten Worten gehen die Initiatoren der #OutInChurch-Kampagne jetzt erneut mit der römisch-katholischen Kirche ins Gericht – Auslöser für die verständliche Wut ist die gestrige Preisverleihung des Katholischen Medienpreises bei der Deutschen Bischofskonferenz. Ausgezeichnet wurde dabei ausgerechnet das Autorenteam, das die TV-Dokumentation “Wie Gott uns schuf – Coming-Out in der Katholischen Kirche“ produzierte, eine Gemeinschaftsarbeit von rbb, SWR und NDR, welches rund 100 Mitglieder der Initiative begleitend zur Kampagne selbst porträtiert hatte. Insgesamt haben über 500 LGBTI*-Menschen, die hauptberuflich oder ehrenamtlich in der römisch-katholischen Kirche tätig sind, erstmals offen über ihrer Sexualität abseits der heterosexuellen Norm gesprochen und im Januar 2022 in einem Manifest ein Umdenken der Kirche gefordert.

Kirche legt Hände in den Schoß und macht nichts

Diese behält sich bis heute in Teilen vor, homosexuelle oder queere Menschen aufgrund ihrer Sexualität zu entlassen. In der Jurybegründung der Deutschen Bischofskonferenz sowie der Gesellschaft Katholischer Publizisten und dem Katholischen Medienverband heißt es: „Es ist ein tief berührender, erschütternder Film, der beschämt und aufrüttelt. Er zeigt Menschen, die sich nichts mehr ersehnen als Respekt, Akzeptanz ihrer Identität und Anerkennung ihrer Liebe.“ Natürlich sei eine Auszeichnung grundsätzlich schön, doch gleichzeitig hält die Initiative in einer Presseerklärung offiziell fest, dass der ständige Rat der Bischofskonferenz sich die Dokumentation mit dieser Preisverleihung zu eigen gemacht habe.

Bis heute hat sich nichts geändert

„Tatsache jedoch ist, dass 10 Monate nach Veröffentlichung der Dokumentation und Start der Initiative #OutInChurch, noch keine der Forderungen erfüllt ist. Im Gegenteil: Zahlreiche Bischöfe verweigern bis heute ein Gespräch mit Vertreter*innen von #OutInChurch. Der in der Jurybegründung formulierte Respekt und die Anerkennung queerer Menschen bleiben damit weiter in Frage gestellt“, so die Initiative. Wie wenig Respekt die deutschen Bischöfe tatsächlich für die rund 500 LGBTI*-Menschen haben, zeigt allein die Tatsache, dass keiner von ihnen zum Festakt eingeladen worden war. Auch durfte niemand von ihnen am gestrigen Abend als offizielle Vertretung sprechen.

„Das bedeutet: Wieder einmal werden die Menschen, die der Film ´Wie Gott uns schuf´ dokumentiert, nicht als für sich selbst sprechende Subjekte, sondern als Objekte ohne eigene Stimme behandelt. Doch genau das ist das Anliegen von #OutInChurch: Queere Menschen müssen endlich in einem Dialog auf Augenhöhe als gleichberechtigte Partner*innen eines Diskurses wahrgenommen und entsprechend behandelt werden. Mit der Preisverleihung wird ein Film ausgezeichnet, der die strukturelle Diskriminierung queerer Menschen in der Kirche zum Thema hat. Zugleich erleben queere Menschen bisher nicht, dass die Bischöfe sich weitreichend dafür einsetzen, diese Diskriminierung zu beenden. #OutInChurch erwartet daher von den Bischöfen, dass sie bei der anstehenden Sitzung des Ständigen Rates eine Änderung des katholischen Arbeitsrechtes und der Grundordnung des kirchlichen Dienstes vornehmen, so dass die Diskriminierung queerer Mitarbeitender – und damit großes Leid – beendet wird. Zugleich müssen sie den anstehenden Besuch beim Papst dafür nutzen, sich aktiv und glaubwürdig für die Änderung der im Katechismus formulierten Lehre, insbesondere der Sexualmoral, einzusetzen. Solange seitens der Bischöfe keine konkreten Taten folgen, nimmt #OutInChurch die Verleihung eines Medienpreises als Versuch einer reinen Imagekampagne auf dem Rücken queerer Menschen wahr. Das ist dann nichts anderes als Pinkwashing!“

Der Papst selbst beharrt auf alte Strukturen

Zuletzt bei der Deutschen Bischofskonferenz im September dieses Jahres in Fulda zeigte die Mehrheit der Bischöfe, dass ein wirklicher Neu-Anfang oder auch nur eine ernsthafte neue Ausrichtung der Kirche nicht zu erwarten ist. Zwar hatte der Vorsitzende der Versammlung, Bischof Georg Bätzing, erneut erklärt, wie wichtig neue Richtlinien für die Kirche wären, zum Beispiel auch und gerade im Umgang mit Homosexuellen und Frauen, doch auch bei der vierten Synodalversammlung kam nicht einmal die benötigte Zweidrittel-Mehrheit der Bischöfe für ein geändertes Grundlagendokument zur Sexualethik zusammen. Grundsätzlich befürwortete man zwar einen anderen Umgang mit LGBTI*-Menschen im Kirchendienst, die konkreten Forderungen der Kampagne #OutInChurch wurden aber auch damals nicht erfüllt. Papst Franziskus sowie die Kirchenleitung in Rom lehnen dabei jede Neu-Ausrichtung eisern und strikt nach wie vor ab. Mehrfach wurden sogar liberale deutsche Bischöfe bereits ermahnt, sich an die Lehren der Kirche zu halten und keine weiteren Veränderungen anzustoßen. So wird auch nicht erwartet, dass bei dem Treffen von Bischof Bätzing mit Papst Franziskus in diesem Monat eine Kehrwende zu verzeichnen sein wird.

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