Offen schwuler Politiker Mecklenburg-Vorpommern: Silvio Witt wird Bürgerbeauftragter
Vor wenigen Wochen wurde Neubrandenburgs ehemaliger Oberbürgermeister Silvio Witt offiziell als neuer Bürgerbeauftragter für Mecklenburg-Vorpommern bestätigt. Seine Ernennung markiert einen besonderen Wechsel an der Spitze des Amtes, das traditionell als Bindeglied zwischen der Bevölkerung und der Verwaltung fungiert. Den offiziellen Start seiner neuen Aufgabe hat Witt für den 1. Januar 2026 angekündigt.
Vielfaltsbekenntnis und politischer Neuanfang
Silvio Witt, Jahrgang 1977 und gebürtig aus Neustrelitz, stand zehn Jahre an der Spitze der Stadt Neubrandenburg. Im Herbst 2024 legte er sein Bürgermeisteramt nieder, nachdem die Stadtvertretung ein Verbot für das Hissen der Regenbogenfahne am Hauptbahnhof beschlossen hatte. Vorausgegangen waren wiederholte Angriffe auf den parteilosen Witt durch rechtspopulistische Kommunalpolitiker, die auch seine offen schwule Identität zur Zielscheibe machten. Die Entscheidung, sich neuen Aufgaben zuzuwenden, fiel Witt nach diesen Erfahrungen offenbar nicht leicht, wurde aber von Menschenrechts- und Anti-Diskriminierungsinitiativen landesweit mit Respekt registriert.
Witt folgt auf Christian Frenzel, der nach kurzer Amtszeit überraschend zum Staatssekretär im Innenministerium berufen worden war. Die Nominierung für die neue Funktion erfolgte durch die Regierungsfraktionen von SPD und Linke. Bei seiner Wahl im Landtag erhielt Witt 44 Ja-Stimmen, 14 Abgeordnete votierten dagegen, drei enthielten sich, neun Stimmen wurden als ungültig gewertet. Das Ergebnis spiegelt sowohl Rückhalt als auch weiterhin bestehende gesellschaftliche Spannungen wider.
Die neue Rolle des Bürgerbeauftragten
Anders als politische Ämter setzt die Position des Bürgerbeauftragten explizit auf Unabhängigkeit und Parteilichkeit. Witt wird regelmäßig im gesamten Bundesland Sprechstunden abhalten, um Bürgerinnen und Bürgern bei Beschwerden über Behörden zur Seite zu stehen. Ein wichtiger Schwerpunkt der neuen Amtsperiode soll die stärkere Einbindung von Menschen mit Behinderung sein. Zudem fungiert der Bürgerbeauftragte als direkter Kontakt für Polizeiangehörige, die Missstände oder Fehlverhalten innerhalb der Institutionen melden möchten.
„Der Bürgerbeauftragte gibt denjenigen eine Stimme, die sich sonst nicht gehört fühlen. Ich sehe den neuen Aufgaben mit großer Verantwortung und Respekt entgegen“, so Silvio Witt nach seiner Ernennung. (Quelle: Landtag M-V)
Entwicklung eines wichtigen Amtes
Das Amt des Bürgerbeauftragten hat seit seiner Einführung Mitte der 1990er Jahre eine stetig wachsende Bedeutung erlangt. Hintergrund ist das zunehmende Bedürfnis von Bürgerinnen und Bürgern nach Transparenz, Teilhabe und direkter Antwort auf Verwaltungsentscheidungen. Mecklenburg-Vorpommern ist damit bundesweit Teil eines Trends zu mehr bürgernahen Ansprechpersonen, der laut aktuellen Studien auch das politische Vertrauen nachhaltig fördert. Landesweit steigen die Zahlen der Eingaben und Anfragen in diesen Strukturen kontinuierlich an, zuletzt lag Mecklenburg-Vorpommern mit mehreren tausend bearbeiteten Bürgeranliegen pro Jahr im deutschen Durchschnitt.
Fortschritt oder zögerliche Öffnung?
Silvio Witts Ernennung wird von zahlreichen queeren und demokratischen Organisationen als Fortschritt für Vielfalt und Gleichstellung im öffentlichen Dienst gewertet. Dennoch zeigen die Konflikte rund um das Hissen der Regenbogenfahne, wie kontrovers Identitäts- und Diskriminierungsfragen weiterhin im ländlichen Raum verhandelt werden. Ob mit Witts Amtsantritt ein sichtbares Zeichen für mehr Teilhabe gesetzt werden kann, ist offen – aber sein Weg ins neue Amt gilt vielen als Signal für den gesellschaftlichen Wandel in Mecklenburg-Vorpommern.