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Neue Wege in Kanada

Neue Wege in Kanada Die kanadische Provinz New Brunswick sorgt gerade landesweit für Diskussionen rund um LGBTI*-Rechte!

ms - 04.07.2023 - 11:00 Uhr
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Eines hat der Premierminister der kanadischen Provinz New Brunswick mit rund einer Million Einwohnern bereits jetzt erreicht – Blaine Higgs ist in ganz Kanada derzeit Gesprächsthema. In dieser Woche trat ein neues Gesetz in Kraft, das es Lehrern ab sofort vorschreibt, Eltern zu informieren, wenn ihre Kinder unter 16 Jahren sich in der Schule einem anderen Geschlecht zugehörig fühlen und auch mit anderen Pronomen angesprochen werden wollen. Ein politischer Donnerknall, denn bisher galt Kanada in puncto LGBTI*-Rechte als besonders liberal – daran kratzt nun erstmals ein Premierminister einer Provinz.

180-Grad-Wende bei LGBTI*Gesetzen für Jugendliche

Zuvor war seit 2020 in ganz Kanada ein Gesetz verabschiedet worden, dass Trans-Jugendliche sowie Nicht-Binäre vor einem Zwangsouting vor den Eltern schützen sollte. Nun die 180-Grad-Wende in New Brunswick. Bei Jugendlichen unter 16 Jahren sollen die Eltern mit eingebunden werden. In Fällen, in denen es anfangs nicht möglich ist, die Zustimmung der Eltern einzuholen, sollen Schüler zu einem Sozialarbeiter oder Psychologen geschickt werden, um einen Plan zu entwickeln, wie sie sich an ihre Eltern wenden können.

Ebenso gestrichen wird die Möglichkeit, dass Jugendliche bei außerschulischen Aktivitäten wie beispielsweise bei Sportwettbewerben in dem Geschlecht antreten, mit dem sie sich selbst identifizieren; wichtig allein soll das biologische Geschlecht sein.   

Mehrheit steht hinter konservativem Minister

Premierminister Higgs von der konservativen PC-Partei erklärte vorab, er habe hunderte Beschwerden von Lehrern und Eltern zu den bisherigen Regeln erhalten. Eine landesweite Umfrage vom Mai dieses Jahres, durchgeführt vom kanadischen Institut Second Street, gibt Higgs offenbar teilweise recht: In der repräsentativen Umfrage gaben 57 Prozent der Kanadier an, dass Eltern ein Recht darauf haben, von der Schule informiert zu werden, wenn ihr Kind seine Geschlechtsidentität ändern möchte. Die Regierung von Higgs erklärte zudem, dass es bei den Änderungen darum gehe, sicherzustellen, dass sich auch die Eltern respektiert fühlen. In einem CBC-Interview sagte Higgs außerdem, er habe eine „enorme Menge an Unterstützung“ für seine Haltung erfahren.

Ein Gesetz nach amerikanischem Vorbild

Politisch sorgte der Richtungswechsel trotzdem für heftige Diskussionen, zwei Minister der Provinz traten aus Protest zurück, zwei weitere wurden direkt von Higgs entlassen. Inzwischen schaltete sich auch Justin Trudeau ein, der Premierminister für ganz Kanada, und erklärte, dass sich Trans-Kinder sicher fühlen müssen und nicht zur Zielscheibe von Politikern werden dürften. Sie sollten nicht um Erlaubnis bitten müssen, ihr „wahres Ich“ zu zeigen.

Der Vorsitzende der konservativen Opposition auf Bundesebene, Pierre Poilievre, entgegnete, Trudeau solle sich aus der Politik in New Brunswick heraushalten und sich nicht in „Entscheidungen einmischen, die bei den Provinzen und den Eltern“ liegen. Beifall kam von christlichen Verbänden, die Higgs´ Politik als „heroisch“ bezeichneten. Mehrere LGBTI*-Organisationen aus ganz Kanada zeigten sich indes besorgt. Die Canadian Civil Liberties Association sprach so von einem „verfassungswidrigen“ Gesetz, ganz nach amerikanischen Vorbild.

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