Neue britische Studie Opfer-Schuldzuweisungen sorgen für massive Probleme unter LGBTI*
Es sind erschütternde Aussagen, die das britische Institut IICSA (Independent Inquiry into Child Sexual Abuse) jetzt vorgestellt hat: Aus ihrem aktuellen Bericht geht hervor, dass LGBTI*-Überlebende von sexuellem Missbrauch oftmals selbst dafür verantwortlich gemacht werden. Konkret wurde vielen queeren Opfern sowohl zeitnah als auch Jahre nach der Tat von behördlicher oder familiärer Seite in Großbritannien erklärt, dass ihre Sexualität oder ihre Geschlechtsidentität die Ursache und der Grund für ihren sexuellen Missbrauch gewesen sei. Sie hätten sich, salopp gesagt, den Missbrauch „selbst zuzuschreiben“.
Viele der inzwischen erwachsenen, befragten Männer gaben an, sie seien als Kinder beschuldigt worden, den sexuellen Missbrauch zudem "provoziert" zu haben, weil sie "ein Interesse an anderen Männern zeigten, indem sie stereotyp 'verweichlicht' waren".
Ein heutige 50-jähriger schwuler Mann erklärte weiter: „Meine Generation ist damit aufgewachsen, dass man ihr sagte, sie solle schweigen. Als jüngerer Mensch wurde mir gesagt, der Missbrauch sei eine Folge davon, dass ich homosexuell sei, zusammen mit all den negativen Beschimpfungen, die ständig verwendet wurden."
"Stigmatisierung und Mythen waren sehr ausgeprägt. Es wird viel zu viel Wert auf die Schuldzuweisung an das Opfer gelegt und wenig Verständnis für die Lebenserfahrungen von LGBTI* gezeigt. Dies führt dazu, dass sich die Überlebenden ungehört und entmutigt fühlen, was die Suche nach Hilfe erheblich erschwert“, so ein weiterer schwuler Überlebender im Bericht.
Die mehrfache Stigmatisierung hatte und hat laut IICSA fatale Folgen für LGBTI*-Menschen. Gerade queere Kinder und Jugendliche seien sowieso schon im Alltag mit „besonderen Herausforderungen" konfrontiert und müssten sich nun noch erklären lassen, dass Angriffe und Missbrauch im Grunde ihre eigene Schuld seien. Diese Opferbeschuldigung mache es queeren Menschen zudem auch in späteren Jahren oftmals schwierig, in Einklang mit ihrer eigenen Sexualität zu leben.
Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die heteronormative Kultur sich weiterhin negativ auf die LGBTI*-Überlebenden von sexuellem Missbrauch auswirkt. Zudem waren ältere LGBTI*-Menschen mit einem ablehnenden, religiösen Hintergrund am stärksten von sexuellem Kindesmissbrauch betroffen. In der bis dato größten Studienerhebung mit Schwerpunkt “Sexuelle Gewalt gegenüber LGBTI*“ im Frühjahr 2022 wurde zudem klar, dass sexueller Missbrauch ein weit verbreitetes Problem unter LGBTI*-Menschen im Vereinigten Königreich ist: Die Hälfte aller queeren Briten (53 Prozent, Galop Studie 2022) ist bereits Opfer einer sexuellen Gewalttat geworden.