Kein Platz für Gay-Eltern? Im neuen Familienbarometer werden Regenbogenfamilien praktisch nicht erwähnt.
In Deutschland gibt es immer mehr Regenbogenfamilien – das geht aus dem neuen Familienbarometer hervor, das heute im Bundesfamilienministerium vorgestellt worden ist. In diesem Familienbarometer werden zentrale Trends zum Familienleben in Deutschland analysiert und konkrete Optionen für die Weiterentwicklung familienpolitischer Leistungen aufgezeigt. Familien mit gleichgeschlechtlichen Paaren kommen in dem rund 50-seitigen Papier dabei allerdings ansonsten praktisch nicht vor.
Immer mehr Regenbogenfamilien in Deutschland
Lediglich in der Statistik wird kurz festgehalten, dass es eine deutliche Zunahme bei Regenbogenfamilien gibt: „Eine Zunahme unter den Lebensformen gibt es bei den gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Hier beträgt die Veränderung zwischen 2009 (63.000) und 2019 (90.000) fast 42 Prozent. Hinzu kommen 52.000 gleichgeschlechtliche Ehen, die 2019 geschlossen wurden (Destatis 2021). Stieffamilien sind statistisch bisher eher ungenau und uneinheitlich erfasst. Auf der Basis von Daten aus 2017/2018 wird geschätzt, dass 8 Prozent der Frauen und 9 Prozent der Männer mit minderjährigen Kindern im Haushalt in Stieffamilien oder auch Patchworkfamilien leben“, so die Zusammenfassung des Bundesfamilienministeriums. Mehr Regenbogenfamilien könnten so auch als politischer Auftrag verstanden werden, diese Familienkonstellationen und ihre Probleme besser im Blick zu haben.
Probleme von Regenbogenfamilien werden nicht genannt
Zu Beginn erklärt das Ministerium zudem, dass man mit dem Familienbarometer genauer auf den Familienalltag, das Arbeitsleben der Eltern und die wirtschaftliche Situation blicken wolle: „Welche Ressourcen stehen Familien zur Verfügung, um ihre Lebensentwürfe und -wünsche zu realisieren, und wo benötigen sie gegebenenfalls Unterstützung?“ Gleichgeschlechtliche Paare und ihre Kinder wurden hier nicht speziell mitgedacht, obwohl sich ihr Lebensalltag und ihre Probleme bis heute von denen klassischer Modelle um Vater-Mutter-Kind in vielen Aspekten unterscheidet. Oftmals erleben solche Regenbogenfamilien bis heute noch Stigmatisierung und Diskriminierung – auch das ein „Alltagsproblem“, das im Familienbarometer nicht bedacht wird.
Familienministerin Paus steht zum Familienbarometer
Das Familienbarometer wurde heute von Bundesfamilienministerin Lisa Paus zusammen mit Prof. Renate Köcher vom Allensbach-Institut sowie von Christian Böllhoff von der Prognos AG vorgestellt. Paus selbst ist voll des Lobes über ihr hauseigenes Familienbarometer: „Das Familienbarometer macht deutlich: Mit Familienpolitik können wir Zusammenhalt und Resilienz unserer Gesellschaft stärken. Dafür müssen wir die Rahmenbedingungen für Familien so gestalten, dass sie zu den Bedürfnissen von Familien passen – gerade in Krisen. Das Familienbarometer gibt dafür zuverlässig Orientierung.“
Überarbeitung des Abstammungsrecht? Kein Zeitplan bis heute!
Für lesbische Mütter wäre dabei zum Beispiel der Bedarf nach „zuverlässiger Orientierung“ von besonderer Wichtigkeit – die Ampel-Koalition hatte hier 2021 eine Überarbeitung des Abstammungsrechts versprochen, damit beide Mütter automatisch als Elternteile anerkannt werden und nicht wie bisher, die nicht biologische Mutter ein mühsames und finanziell langwieriges Adoptionsverfahren durchlaufen muss. Ob und wann diese Reform kommt, findet sich weder im Familienbarometer noch auf Linken-Anfrage seitens des Justizministeriums.
Hier erklärte man erst letzte Woche nur, man arbeite mit Hochdruck daran, doch einen genauen oder auch nur ungefähren Zeitplan bezüglich der Umsetzung sei „derzeit nicht möglich“ zu benennen. So mögen gerade Regenbogenfamilien wahrscheinlich der Aussage von Ministerin Paus zustimmen, die weiter mit Blick auf die Gesamtausgangslage bei Familien erklärte: „Die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit aber ist dabei in vielen Familien groß.“ Passend dazu ein weiteres Ergebnis aus dem Familienbarometer: 49 Prozent der Gesamtbevölkerung und 56 Prozent der Eltern mit Kindern unter 6 Jahren erwarten sich mehr Unterstützung seitens der Politik.