Kampfansage gegen Orbán LGBTI*-Organisationen kämpfen gegen Anti-Homosexuellen-Gesetz
Heute wird das erste, LGBTI*-bezogene Vertragsverletzungsverfahren, das den Europäischen Gerichtshof erreicht, im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Im Fokus ist das EU-Mitglied Ungarn und die homophobe Gesetzgebung des Landes, angefeuert durch Ministerpräsident Victor Orbán. Der Schritt ist dabei nach Angaben mehrerer LGBTI*-Organisationen nichts Geringeres als ein Meilenstein für den Kampf um LGBTI*-Rechte in ganz Europa und markiert einen entscheidenden Moment in dem Verfahren: die Eröffnung eines sechswöchigen Zeitfensters, in dem die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert werden, dem Gerichtshof "schriftliche Stellungnahmen" zu dem Fall vorzulegen.
LGBTI* darf kein Sündenbock mehr sein!
Die LGBTI*-Organisationen Forbidden Colours, Reclaim und die ungarische NGO Háttér Society starten heute deswegen eine EU-weite Petition, um die EU-Mitgliedsstaaten dazu zu drängen, sich dem Gerichtsverfahren anzuschließen und Viktor Orbáns Anti-LGBTI*-Politik endlich in die Schranken zu weisen. Rémy Bonny, Direktor von Forbidden Colours, ist dabei wichtig, laut und klar "Genug!" zu sagen, damit Ungarn endlich damit aufhört, die LGBTI*-Community als Sündenbock zu missbrauchen.
Im Interview mit SCHWULISSIMO erklärte Bonny zudem: „Wir haben in ganz Europa bereits Rückschläge in Bezug auf LGBTI*-Rechte erlebt. Rechtspopulisten haben die LGBTI*-Communitys als Sündenbock auserkoren, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von den wirklichen Problemen abzulenken: Klimawandel, wirtschaftliche Ungleichheit und russische Aggression. Die Anti-LGBTI*-Bewegung hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten sehr gut organisiert. Ihre Ressourcen sind unbegrenzt: Sie werden vom Kreml aber auch von amerikanischen evangelikalen multinationalen Konzernen unterstützt. Sie können im Grunde alles und jeden kaufen, wie sie wollen. Aus diesem Grund haben wir in Ländern wie Polen und Ungarn Gegenreaktionen erlebt. Das liegt nicht daran, dass die Menschen konservativer werden, sondern daran, dass die Machthaber nicht koschere Verbindungen zu Anti-LGBTI*-Akteuren haben. Die LGBTI*-Bewegung hat sich an vorderster Front für die Verteidigung der Demokratie und Europas eingesetzt.“
Die Werte der Europäischen Union
Besonders in der Kritik ist dabei das sogenannte Anti-Homosexuellen-Gesetz in Ungarn, das in erster Linie homosexuelle aber auch queere Themen in den Medien und der Öffentlichkeit weitestgehend verbietet – trotz des massiven Einspruchs seitens der Europäischen Union hält Orbán weiter daran fest. Zuletzt hatte auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock im Dezember 2022 betont: "Hier geht es um unsere Werte, um unsere Rechtsstaatlichkeit als Europäische Union im Ganzen!" Die Europäische Union hatte kurz vor Weihnachten zuletzt beschlossen, EU-Gelder für Ungarn auf unbestimmte Zeit einzufrieren. Nach monatelangen Diskussionen hatte sich eine Mehrheit der EU-Staaten dafür ausgesprochen, 6,3 Milliarden Euro zurückzuhalten, da Ungarn in eklatanter Weise nach wie vor gegen die Rechtsstaatlichkeit (Stichwort: Korruptionsfälle) verstößt.
Das größte Menschenrechtsverfahren gegen ein EU-Mitglied
Nun könnte dem Ministerpräsidenten mit dem heute startenden Verfahren weiteres Ungemach ins Haus stehen. Die drei LGBTI*-Organisationen, die den Kampf gegen das Gesetz anführen, beabsichtigen, dies zum größten Menschenrechtsverfahren gegen einen Mitgliedsstaat in der Rechtsgeschichte der EU zu machen, so Bonny. Dabei soll auch ausführlich in Zusammenarbeit mit ELMA, der European LGBTIQ Media Association, dargelegt werden, welche weitreichenden und verheerenden Auswirkungen das Gesetz hat, das durch weitere mögliche Verschärfungen zudem eine weitreichende Zensur der LGBTI*-Community in Ungarn vorsieht.