Ikonisches Duo: Ende der Ära Kessler-Zwillinge wählen selbstbestimmten Abschied
Im mondänen Grünwald bei München ist nun ein Stück Showgeschichte zu Ende gegangen: Die legendären Kessler-Zwillinge, Alice und Ellen, haben zusammen die letzte große Bühne betreten – mit einem Abschied, der genauso radikal-elegant ist wie ihr Lebenswerk. Im stolzen Alter von 89 Jahren verließen sie, Hand in Hand, das Rampenlicht und entschieden sich, gemeinsam aus dem Leben zu gehen.
Ikonen ohne Ablaufdatum
Kaum zwei Künstlerinnen haben das europäische Varieté der 1960er und 1970er Jahre so geprägt wie die smarten Schwestern aus Sachsen, die schon früh Herz und Heimat gen Westen verlegten. Ob Fernsehrevue, glitzerndes Parkett oder die schier perfekte Synchronbewegung – die Kesslers standen für Glam, Glanz und ein fast schon magisches Doppel-Ich. Ihr Statement: Frau kann alles, vor allem im Duett!
In Italien avancierten sie zu TV-Wunderwaffen, machten als Modeikonen Furore und galten besonders unter queeren Zuschauerinnen und Zuschauern als Brückenbauerinnen zwischen „Camp“, Eleganz und dem leisen Augenzwinkern einer aufgeklärten Unterhaltungskultur. Ihre Nähe zur Schwulenszene war nie eine politische, aber immer eine sichtbare – und spätestens als Drag-Referenz wurden sie Kult. Das Geheimnis ihrer Beliebtheit? Vielleicht der rare Mix aus Perfektion und einer wohldosierten Unberechenbarkeit.
Autonomie bis zum großen Finale
Auch im Tod setzten die Schwestern ein Zeichen: Mit Ankündigung entschieden sie sich für einen gemeinsamen Gang über die letzte Schwelle, ganz nach den liberalen Vorgaben zum selbstbestimmten Sterben in Deutschland. Laut der Strafvorschriften darf hierbei niemand den tödlichen Akt selbst ausführen – Euthanasie bleibt verboten, assistiertes Sterben hingegen möglich, sofern Freiwilligkeit und Eigenverantwortung dokumentiert sind. Ein Thema, das in deutschen Feuilletons und unter Aktivistinnen und Aktivisten nach wie vor hitzig diskutiert wird.
„Zeit ihres Lebens haben Alice und Ellen Kessler eigene Entscheidungen getroffen – bis zum letzten Takt. Ihr Mut wird hoffentlich Nachdenklichkeit über Selbstbestimmung und den würdevollen Abschied auslösen.“– Bundesverband Lebenshilfe, Statement 2025
Ihre letzte Ruhestätte, so wurde bekannt, teilen sie sich gar in derselben Urne – ein finaler Schulterschluss, der den Mythos der Untrennbarkeit noch einmal betont. Am 17. November 2025 starben die Kessler-Zwillinge gemeinsam durch assistierten Suizid in Begleitung einer Ärztin und eines Juristen der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben.
Ein Abschied mit Botschaft
Für das europäische Showbusiness, aber besonders für queere Fans, bleibt das Vermächtnis der Kessler-Zwillinge unersetzlich: Sie brachten Glitzer, Chic und ironische Doppelbödigkeit auf die großen Bühnen. Ihre Kunst bestärkte Generationen queerer Künstlerinnen und Künstler in ihrer Sichtbarkeit. Die finale Frage, die bleibt: Welche Ikonen werden den Mut aufbringen, ein ähnlich selbstbestimmtes Kapitel aufzuschlagen?
Grüße von der letzten Showtreppe, Alice und Ellen – die Bühne bleibt ein kleines Stück dunkler, aber euer Licht wird weiter strahlen.
Wenn Sie sich in einer seelischen Krise befinden oder Suizidgedanken haben, wenden Sie sich bitte an die Telefonseelsorge unter 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222.
Dort erhalten Sie rund um die Uhr kostenlos und anonym Hilfe. Weitere Informationen und Chat-Angebote finden Sie unter https://www.telefonseelsorge.de.
In Österreich: Telefonseelsorge 142
In der Schweiz: Dargebotene Hand 143