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Spiel auf Zeit

Gefährliches Spiel auf Zeit Wirtschaftsinteressen mit den USA stoppen vorerst das Todes-Gesetz für Schwule im Irak

ms - 26.04.2024 - 12:00 Uhr

Es ist ein bitteres und gefährliches Spiel auf Zeit, welches sich der Irak in diesen Tagen leistet – das irakische Parlament hat eine geplante Abstimmung über eines der grausamsten Anti-Homosexuellen-Gesetze weltweit kurzfristig verschoben. Die Entscheidung indes dürfte weniger mit einem echten Sinneswandel, sondern mehr mit politischem und wirtschaftlichem Kalkül zu tun haben. 

Legaler Mord an Homosexuellen?

Der Gesetzesentwurf sieht vor, im Rahmen von Anti-Prostitutionsgesetzen die reine Existenz von Homosexualität unter Strafe zu stellen, gleichgeschlechtliche Handlungen sollen mit der Todesstrafe geahndet werden. Menschen oder auch Organisationen, die sich der „Förderung der Homosexualität“ strafbar machen, sollen mit bis zu sieben Jahren Haft verurteilt werden.

Kommt das Gesetz tatsächlich in dieser Form, legitimiert es jedwedes Vorgehen gegen Schwule und Lesben – diese leiden zwar bereits auch jetzt unter den Repressalien von Polizei und Staat, allerdings ist Homosexualität grundsätzlich im Land bisher legal. Homosexuelle erleben trotzdem immer wieder gewalttätige Angriffe und auch Festnahmen, die dann mit den vagen „Moral-Klauseln“ im Strafgesetzbuch begründet werden. Kommt das neue Gesetz, sind Homosexuelle aber dann zu 100 Prozent Freiwild. Gay-Aktivisten erklärten, das neue Gesetz würde der „irakischen Regierung erlauben, legal mit Mord davonzukommen.“

Angst vor US-Sanktionen

Laut Reuters wurden die im April angesetzten Abstimmungen darüber nun sehr kurzfristig vertagt, offiziell aus Zeitmangel. Nach wie vor bekräftigen Vertreter der irakischen Regierung allerdings, dass man die Gesellschaft vor „abnormalen sexuellen Impulsen“ schützen müsse.

Der wahre Grund für den kurzfristigen Aufschub dürfte mit einem Treffen von Premierminister Mohammed Shia al-Sudani und US-Präsident Joe Biden in Washington zu tun haben. Aktuell laufen Verhandlungen über verstärkte US-Investitionen im Irak, die offensichtlich durch das leidige Thema Menschenrechte nicht belastet werden sollen. Biden hatte schon einmal mit Sanktionen gegen ein Gesetz reagiert, dass Homosexuelle mit dem Tod bedroht – die Rede ist von Uganda.

Warnung von US-Diplomaten

Offenbar wurde die irakische Führung auch sehr direkt von drei US-Diplomaten gewarnt, die laut Reuters erklärt haben: „Es wäre sehr schwierig, eine enge Zusammenarbeit mit einem solchen Staat im eigenen Land zu rechtfertigen. Wir waren sehr, sehr direkt: Wenn dieses Gesetz in seiner jetzigen Form verabschiedet wird, hätte das katastrophale Folgen für unsere bilateralen und geschäftlichen Beziehungen und den Handel.“

Ob der reine Blick auf wirtschaftliche Interessen das Hass-Gesetz allerdings dauerhaft wirklich stoppen kann, darf zumindest bezweifelt werden. Mehrere LGBTI*-Organisationen wie All-Out, Guardians of Equality Movement (GEM) oder Gala Iraq pochen darauf, jetzt erst recht den Druck weiter zu erhöhen, um das gefährliche Gesetzesvorhaben doch noch dauerhaft zu stoppen. Rasha Younes, die leitende Forscherin für LGBTI*-Rechte bei der Human Rights Campaign, bekräftigte: „Die irakischen Gesetzgeber senden die entsetzliche Botschaft an LGBTI*-Menschen, dass ihre Äußerungen kriminell und ihre Leben entbehrlich sind.“

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