Extremismus nach Belieben Amnesty International warnt vor neuer Eskalationsstufe in Russland
Schöne neue Welt: Nebst dem gleichzeitig verabschiedeten Gesetzentwurf zur radikalen Internetzensur für alle Russen und dem Verbot von jedweden LGBTIQ+-Themen digital in dieser Woche, will die russische Regierung jetzt zudem die bereits bestehenden Extremismus-Gesetze noch einmal verschärfen. Amnesty International warnt eindringlich vor einer weiteren Eskalationsstufe im Land.
Unerbittliche Verfolgung
Es dürfte nicht weniger als die Erlaubnis für absolute staatliche Willkür ohne jedwede Begrenzungen sein, was die Abgeordneten in der Duma mit Zustimmung von Präsident Wladimir Putin da beschließen wollen. Bereits jetzt erlauben die Extremismus-Gesetze weitreichende Aktionen der Polizei, wobei seit Ende 2023 auch die LGBTIQ+-Bewegung als „extremistische Vereinigung“ definiert wird. Die Verschärfung der bisherigen Richtlinien erlauben es dann künftig, Organisationen und Gruppen willkürlich zu verbieten.
Für Amnesty International ist klar, dass dies das finale Ende jedweder Meinungsfreiheit im Land sein dürfte. „Es ist ein Rundumschlag gegen die kritische Zivilgesellschaft in Russland. Wieder einmal geben die russischen Behörden ihre unerbittliche Verfolgung von Andersdenkenden als Bekämpfung von 'Extremismus' aus. Dazu greifen sie auf vage und übermäßig weit gefasste Gesetze zurück, die missbräuchlich und willkürlich ausgelegt werden können“, so Marie Struthers, Direktorin für Osteuropa und Zentralasien bei Amnesty International.
„Extremisten“ im Freundeskreis
Die Menschenrechtsorganisation betonte dazu überdies, dass die neuen Richtlinien künftig auch erlauben, dass informelle Personengruppen oder bereits ein Freundeskreis insgesamt als „extremistisch“ eingestuft werden kann, wenn gegen eine einzelne Person auch nur ein Verdachtsmoment besteht. „Sollte dieser Gesetzesvorschlag zur 'Bekämpfung von Extremismus' in Kraft treten, kann jede Gruppe – selbst ein privater Online-Chat oder eine Gruppe von Freunden – als 'extremistisch' gebrandmarkt und kriminalisiert werden. Die russischen Strafverfolgungsbehörden hätten mit einer solchen Gesetzesgrundlage dann augenscheinlich unbegrenzte Möglichkeiten, immer mehr Menschen zu verfolgen – selbst, wenn sie nur lose Verbindungen zu Personen aufweisen, die nach Ansicht der Behörden ´Extremisten´ sind“, so Struthers weiter.
Zusammen mit der angedachten neuen Internetzensur bedarf das Gesetzespaket der finalen Zustimmung des Oberhauses und des Präsidenten – beides scheint gesetzt zu sein. Abschließend hält die Osteuropa-Expertin fest: „Die geplanten Gesetzesänderungen sind ein eklatanter Verstoß gegen die internationalen Verpflichtungen Russlands und auch gegen die russische Verfassung, in der die Rechte auf Privatsphäre, Vereinigungsfreiheit und freie Meinungsäußerung verankert sind. Diese Entwürfe dürfen keine Gesetzeskraft erlangen.“