Daddy-Kult in den USA Was ist dran an der neuen Daddy-Ära in Amerika?
Schwule Daddys sind hot und absolut im Trend – gut, das wussten wir natürlich schon längst, doch nun wurde dieser Fakt endlich hoch amtlich von einer der renommiertesten internationalen Zeitungen bestätigt. Die New York Times erklärte in einem Leitartikel: Gay-Daddys sind in!
Die Daddy-Ära ist da!
Die New York Times (NYT) ist dabei natürlich für ihre exzellente Recherche-Arbeit bekannt und so bleibt es im Text nicht bei der einfachen Feststellung, dass viele schwule Männer auf Daddys abfahren, sondern es wird ausführlich analysiert. Der schwule NYT-Autor Mark Harris taucht dabei tief in die Welt der schwulen Daddys ein, nachdem er selbst auf offener Straße so bezeichnet wurde: „Die schwule Kultur befindet sich, um es generationenübergreifend verständlich zu formulieren, in ihrer Daddy-Ära. Und wie viele Queer-Trends ist auch dieser sowohl zutiefst verdächtig als auch irgendwie glorreich.“
Prominente Daddys
Je genauer man hinsieht, desto schwieriger werde es, allerdings überhaupt festzuhalten, was ein Gay-Daddy wirklich ist – auch manch heterosexuelle Prominente dürfen sich mit der Bezeichnung rühmen; beispielsweise wurden zuletzt die Schauspieler Ryan Gosling und Pedro Pascal („The Last Of Us“) mit einem Preis als „bester Daddy“ ausgezeichnet. „Es scheint ein Relikt einer früheren Ära zu sein, in der tatsächlich geoutete schwule Prominente so selten waren, dass wir keine andere Wahl hatten, als unsere Idole anderswo zu finden, entweder in Prominenten, von denen wir annahmen, dass sie sich nicht outeten, oder in solchen, von denen wir wussten, dass sie nicht schwul waren, aber so tun wollten, als wären sie es.“
Die Begrifflichkeit des schwulen Daddys sei dabei allerdings weit komplexer als ihn archetypisch auf eine älteren markanten Mann zurückzuführen – niemand käme so auf die Idee, von Brad Pitt als Daddy zu sprechen. Es brauche also immer auch diesen schwulen Touch und ja, auch eine dahinter liegende Homoerotik. Der schwule Daddy hat immer auch etwas mit Lüsternheit, Sexualität und geheimen schwulen sexuellen Wünschen zu tun.
Dominanz und Lust
„Das Wort sagt: 'Benutze mich, kümmere dich um mich, erziehe mich, erlaube mir, dein Spielzeug zu sein, sage mir, was ich anziehen soll und kaufe es mir vielleicht auch noch'. Allein der Wunsch, herumkommandiert, befehligt oder dominiert zu werden, zeugt von einem Verlangen nach einer Dynamik, die heute an Universitäten, Arbeitsplätzen und dergleichen verpönt ist“, so Harris. Studien kommen dem amerikanischen Autor dabei zugute, die unlängst aufzeigten, dass junge schwule Männer heutzutage durchaus nach älteren Herren gieren. Auch der Autor Tony Silva, der die Beziehungsdynamik zwischen jüngeren und älteren Männern untersucht, glaubt, dass dieser Trend auf die Sehnsucht nach Stabilität in einer zunehmend unsicheren Welt zurückzuführen ist.
Schwule Jungs und ältere Männer
Was fehlt, ist dabei natürlich auch der spielerische Aspekt an der „Daddy-Ära“ jenseits der akademischen Brille. Daddy-Liebhaber würden zudem argumentieren, dass hinter dem „Daddy“-Kult auch eine besondere Denkweise in der Gay-Community steckt. Darüber hinaus verbessert die offenbar immer stärker ausgeprägte Vorliebe für Daddys unter homosexuellen Jungs auch die historisch belastete Beziehung zwischen schwulen Männern und dem Altern.
Silva sagt dazu: „Viele der jüngeren Männer, mit denen ich gesprochen habe, sagten, dass sie Männer in ihrem Alter, also Männer in ihren 20ern oder frühen 30ern, für sehr unreif hielten und nicht nach den gleichen Dingen suchten wie sie. Sie sind an jemandem interessiert, der nicht nur emotional reif und stabil ist, sondern vielleicht auch eine Beziehung sucht.“ Im Gegensatz zu dem NYT-Autor betont Silva dabei überdies, dass in der schwulen Community eine Beziehung mit großem Altersunterschied im Gegensatz zu vielen heterosexuellen Beispielen nicht hauptsächlich etwas mit Geld zu tun hat: „Ich glaube, in der Gesellschaft gibt es das Klischee, dass jüngere Menschen nur wegen des Geldes an älteren Menschen interessiert sind, was hier definitiv nicht der Fall ist. Jüngere Männer sagten mir, sie fänden ältere Männer körperlich sehr attraktiv, beispielsweise graues Haar und silberne Bärte.“ Mit anderen Worten: „Daddy“ ist Camp! Die Beliebtheit spiegelt sich seit einigen Jahren auch online ab, der Begriff „Daddy“ gehört so beispielsweise bei Pornoanbietern zu den Top-Fünf-Begriffen im Suchverlauf.
Was genau ist ein Daddy?
Doch was macht einen schwulen Mann jetzt konkret zum Daddy? Harris bedient sich dabei eines Zitates: „Man kann es nicht definieren, aber man erkennt es, wenn man es sieht.“ Darüber hinaus betont er: „Es gibt einige Dinge, die ein Daddys niemals sein darf: übereifrig, als Daddy identifiziert zu werden. Bedürftig. Unerschütterlich ernsthaft. Humorlos. Unbegabt im Flirten.“ Außerdem: „Es geht um sexuelles Begehren und Begehrlichkeit, aber auch, und das ist ernster, um die schwierige und herausfordernde Beziehung, die schwule Männer zum Älterwerden haben. Zu viele schwule Männer denken immer noch, dass wir nur drei Stadien durchlaufen: Twink, 35 und Nichtsnutz.“
Und weiter: „Vielleicht ist der Ehrentitel Daddy auch eine Art zu sagen, dass schwule Männer jetzt etwas haben, was uns lange vorenthalten wurde - eine robuste lebendige Geschichte, einen kollektiven Stammbaum, ältere Menschen, die nicht nur verblassende Aufbewahrungsorte für angesammelte tragische Erfahrungen sind, sondern ein vitales Leben genießen. So gesehen ist ´Daddy´ eine Art, all das neu zu bezeichnen, was früher mit dem Altern verbunden war - ein Bart, der plötzlich von grauen Spuren durchzogen ist, ein Haaransatz, der nicht mehr das ist, was er einmal war, Lachfalten, die da sind, ob man lacht oder nicht. So gesehen hat das Etikett etwas Großzügiges.“