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Sugar-Daddys & junge Lover
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Life Sugar-Daddys & junge Lover

ms - 27.08.2022 - 17:00 Uhr

Wenn das Wort “Sugar-Daddy“ in einer Runde unter Freunden fällt, dann haben wir zumeist sehr schnell ein sehr spezielles Bild im Kopf und in den meisten Fällen ist dieses eher negativ konnotiert. Da ist er, der alte Mann, der einen armen jungen Kerl ausnutzt, nur um seiner Jugend willen. Oder wir betrachten die Situation aus der anderen Perspektive und sehen den jungen Boy, der ein sorgenfreies, bequemes Leben führen sowie alle Annehmlichkeiten genießen möchte und das auf Kosten eines anderen Menschen. Na klar, er nutzt den älteren Mann schamlos aus. Und immer wieder ist der gedankliche Schritt hin zur Prostitution nicht weit. Wir lachen darüber im Kreise der Freunde, mal verächtlich, vielleicht auch mal heimlich mit ein wenig Neid versehen. In unsere Fantasien schleicht sich die Vorstellung dann gerne abends und bedient dabei alle sexuellen Klischees, die dieser Zweisamkeit zugeschrieben werden. Allesamt sind dies Bilder, die in der Realität kaum mit der Wirklichkeit standhalten können. Wollen wir also einmal ehrlich auf den Mythos Sugar-Daddy blicken?

Rechtlich bedenklich ist eine Sugar-Daddy-Beziehung nicht, solange der oftmals als Toyboy titulierte Junge volljährig ist. Die Rollen zwischen dem meist finanziellen Förderer und dem jüngeren Mann scheinen indes erfahrungsgemäß klar verteilt. Wer eine solche Verbindung allerdings nur auf die einfache Formel “Sex-gegen-Geld“ herunterbricht, wird vielen dieser Beziehungen nicht gerecht. Natürlich spielt Sex auch eine Rolle, doch meistens dominieren darüber hinaus Themen wie Gedankenaustausch und ein gemeinsames Erleben der jeweils anderen unbekannten Lebensrealität. Ein älterer Mann kann Ruhe und Geborgenheit, Sicherheit und Weisheit weitergeben, während der junge Mensch die Leichtigkeit und Lebensfreude ins Rennen führen kann. In Metropolen wie Berlin, Hamburg oder München hört man auf Rückfrage auch oft die Antwort, dass junge Männer aus einer Laune heraus damit begonnen haben, ältere Herren zu treffen und inzwischen das Gefühl, begehrt zu werden, als äußert reizvoll empfinden. Durch die Wisch-und-Weg-Mentalität vieler App-Nutzer ist es für manche Jungs sehr ansprechend geworden, ein Gegenüber zu erleben, das längerfristig und intensiv Interesse hat. Ein Sugar-Daddy ist gut für das eigene Selbstwertgefühl. Zudem zeigte sich in den letzten zweieinhalb Jahren während der Corona-Pandemie auch, dass die eine oder andere Selbstlüge ob des freiwilligen Lebens als Single gerne auch einmal sehr schnell in sich zusammenfällt, wenn Lockdowns und Kontaktverbote die Einsamkeit in den eigenen vier Wänden befeuern. Vielleicht ist ein Mann, der kein Suchender ist, sondern einen emotionalen Hafen bietet, in diesen Zeiten attraktiver als je zuvor? 

Erfahrung und Zeit schlagen in puncto Intensivität jeden jungen Kerl mit Dauererektion.

Die Gründe, warum zwei Männer unterschiedlichen Alters freiwillig eine solche Beziehung eingehen, sind sicherlich mannigfaltig. Fakt ist allerdings, dass diese Gemeinschaft immer gesellschaftsfähiger wird - egal ob homo- oder heterosexuell. Einige Umfragen der letzten Jahre bekräftigten, dass im Schnitt über vierzig Prozent der Deutschen kein Problem mehr mit solchen eher unkonventionellen Beziehungen hat. Jeder fünfte Mann könnte sich auch problemlos vorstellen, selbst einmal ein Sugar-Daddy zu werden. Vielleicht ändert sich das Bild vom Sugar-Daddy auch deswegen innerhalb der Gay-Szene, weil der Wunsch nach einer festen Beziehung gerade bei jungen Schwulen seit Jahren auf einem sehr hohen Level verweilt - rund neunzig Prozent der jungen Homosexuellen unter dreißig Jahren wünscht sich eine feste und vor allem auch längerfristige Beziehung (Studie Deutschen Aidshilfe). Dabei sind heutzutage drei von vier Jungs Single. Im Gegensatz dazu blicken neunzig Prozent der Herren über vierundvierzig Jahre auf längere Partnerschaften zurück. Insgesamt sind beinahe sechzig Prozent der Daddys in einer Beziehung. Die Argumente von Langlebigkeit und Erfahrung sind also nicht von der Hand zu weisen.

© iStock / CasarsaGuru

Trotzdem bleibt für manche der Beigeschmack einer gekauften Beziehung bestehen, in der der Jüngere ausgenutzt wird. Fragt man betroffene junge Männer selbst, sehen sie die Situation oftmals deutlich differenzierter. Zu einem wirklichen Abhängigkeitsverhältnis komme es nur, wenn es ein sehr starkes Gefälle zwischen arm und reich gibt. Kurz gesagt, wenn dem jungen Mann keine andere Möglichkeit bleibt, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, und er im Härtefall sonst auf der Straße landen würde. Abseits dieser Extremsituation kann ein solches Verhältnis auf Augenhöhe stattfinden, wenn beide Partner auch Vorteile daraus ziehen und darüber hinaus emotional eine Verbindung aufbauen können. Besteht nicht sogar ein ganz ähnliches bindendes Miteinander bei vielen älteren heterosexuellen Paaren, wenn der Mann noch ganz klassisch zur Arbeit geht und die Frau zu Hause bleibt und die Kinder erzieht? Wir mögen das heute als rückständig oder gar frauenfeindlich definieren, aber vielleicht tun wir den Menschen, die in solchen Beziehungen leben, damit schlicht Unrecht? Nicht jede Frau zu Hause fühlt sich unterdrückt, viele haben sich auch sehr bewusst für dieses Leben entschieden. Wir neigen dazu, mit unseren eigenen Wertevorstellungen das Zusammenleben anderer Menschen leichtfertig zu beurteilen – ein Fehler, der selbst nicht nur diskriminierend gegenüber anderen ist, sondern uns zudem die Möglichkeit verwehrt, etwas über andere Lebensmodelle zu lernen und so den eigenen Horizont zu erweitern.

Der skeptische Blick auf ein Paar mit großem Altersunterschied reflektiert auf uns selbst zurück – und wir lassen uns dabei selbst in keinem guten Licht erscheinen.

Bleibt also vorerst der Altersunterschied als Kritikpunkt bestehen und vielleicht die als Provokation empfundene Tatsache, dass hier zwei Menschen sehr klar ihre Gemeinsamkeit definiert haben. Ehrlicher als in vielen anderen konventionellen Beziehungen wahrscheinlich. Aber dürfen Lebensjahre allein wirklich noch immer als Gegenargumente im 21.Jahrhundert Bestand haben? Und haben homosexuelle Männer per se nicht die großartige Möglichkeit, Lebens- und Partnerkonzepte individuell zu gestalten, ohne gesellschaftlichen Rollenmodellen entsprechen zu müssen? Warum geben wir so leicht und jenseits von Zwang diese Freiheit auf, wenn wir mit demselben Raster einer heterosexuell geprägten Mehrheitsgesellschaft auf ein schwules Paar mit Altersunterschied blicken? Ist das nicht einfach, mit Verlaub gesagt, schlichtweg dumm? Und beschneiden wir uns damit nicht genau jener Freiheit, für die bis heute viele Menschen kämpfen? Der Chance, eine Beziehung gleichberechtigt und individuell angepasst definieren und leben zu dürfen.

Kommen wir noch einmal zurück zum Thema Sex - wie sieht es da im Detail aus, wenn man genauer nachfragt? Einige junge Männer finden gerade ältere Herren sehr attraktiv, anderen ist jede Form von Alterserscheinung ein Dorn im Auge. Schnell sind wir wieder mit Bildern bei der Hand und malen uns genüsslich aus, wie “ekelhaft“ es doch sein müsse für einen jungen Mann mit straffer, jugendlicher Haut, einen älteren Kerl zu berühren, zu liebkosen. Wer sexuelle Anziehung nur in Verbindung mit makelloser Jugendlichkeit assoziiert, wird überrascht sein zu erfahren, dass “gelebte Haut“ älterer Männer eine hoch erotische Angelegenheit sein kann. Es muss keineswegs jedem gefallen, aber man könnte wenigstens versuchen, seinen eigenen Horizont in diesem Fall um die Erkenntnis zu erweitern, dass die eigene Engstirnigkeit oder schlichte Unerfahrenheit nicht auch allen anderen Männern innewohnen muss. Keiner muss einen älteren Mann sexuell anziehend finden, aber wir sollten den Mut aufbringen, einzuräumen, dass auch diese Begierde ein normaler Teil menschlicher Leidenschaft sein kann.

Kommt man auch hier ins Gespräch mit einem solchen Paar, zeigt sich oftmals, dass beide durchaus Freude am Sex empfinden, doch dem Liebesspiel oftmals andere Prioritäten beigemessen werden. Während in der eigenen Jugend viele, vor Testosteron nur so strotzende Männer guten Sex oftmals anhand zahlreicher Rollenwechsel und stundenlangen Bettspielen ausmachen, legen Sugar-Daddy-Verbindungen Schwerpunkte auf Intensivität, Genuss und auf die Fähigkeit, sich wirklich auf den anderen einlassen zu können. Es bedarf keiner sportlichen Meisterleistung, die einer Goldmedaille würdig wäre, sondern es reichen Ehrlichkeit und interessierte Hingabe aus. Anderes gesagt: Erfahrung und Zeit schlagen in puncto Intensivität jeden jungen Kerl mit Dauererektion. Von der Seite eines Sugar-Daddys aus betrachtet, zeigt sich oftmals, dass zudem wichtiger als jedes sexuelle Erleben eine feste Bezugsperson abseits von wechselnden, kurzlebigen Dates ist. Würde es sich nur um Sex drehen, wäre ein Callboy mit Sicherheit die kostengünstigere und schnellere Alternative. Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass eine Sugar-Daddy-Beziehung durchaus seine Berechtigung haben darf, wenn beide gleichberechtigt und freiwillig daran teilhaben. Wenn Ehrlichkeit und Offenheit die Eckpfeiler sind und von beiden Seiten keine gesteigerte Abhängigkeit vorhanden ist. Wer sich aus blanker Not heraus einen Sugar-Daddy sucht, läuft Gefahr, auf Dauer gerade auch emotional Schaden zu nehmen. Wer allerdings als junger Mann gefallen an Älteren findet und einen Sugar-Daddy als Spielart seiner eigenen Bedürfnisse definiert, kann auch längerfristig Freude und Erfüllung finden.

Vielleicht sollten wir uns auch von dem Begriff des Sugar-Daddys selbst gänzlich verabschieden, weil er in uns ein Bild erzeugt, das negativ goutiert ist, ganz so, als würde ein alter Mann einen naiven Knaben mit Süßigkeiten in eine Falle locken. Gleichzeitig bestätigen wir mit diesem Grundgedanken auch eine gesellschaftliche Prägung, die den meisten von uns zuteilwurde: Wir definieren eine gute Beziehung bewusst oder unbewusst damit, wie gut zwei Menschen optisch zueinanderpassen, und verfallen dabei dem gleichen krankhaft ausgeprägten Schönheitsideal wie weite Teile der Gesellschaft und auch der Gay-Community. Kaum ist einer der zwei Partner älter oder aus unserer fremdjustierten Definition heraus weniger ansehnlich als der andere, stellen wir wie selbstverständlich die Frage: Was will der schöne Mann vom anderen? Gelegentlich überzuckert mit einer Prise Neid. Der skeptische Blick auf ein Paar mit großem Altersunterschied reflektiert also auf uns selbst zurück – und wir lassen uns dabei selbst in keinem wirklich guten Licht erscheinen. Aus Respekt vor anderen Menschen wie auch als Chance für einen erweiterten Erkenntnisgewinn unsererseits sollten wir die alten Denkmuster endlich in die Klamottenkiste eines vergangenen Jahrhunderts legen. Wenn wir eine Beziehung ernsthaft führen, erleben wir immer Abhängigkeiten - ein ganz automatischer Vorgang, weil wir im positiven Sinn abhängig von einem Mann werden, den wir emotional in unsere Welt hineinlassen; der uns wichtig ist. Doch sollten wir nicht den Fehler begehen, leichtfertig ein pauschales Urteil über andere Formen von beziehungsgebundenen Verbindlichkeiten zu fällen, denn eine Beziehung zwischen zwei Menschen ist immer auch genau das: eine persönliche und individuelle Entscheidung, die auch nur diese beiden Menschen interessieren sollte. In diesem Sinne ist Liebe tatsächlich zeit- und alterslos und wir sollten mit Freude auf ein Paar blicken, das vielleicht unterschiedlich an Jahren sein mag, aber gemeinsam in die gleiche Richtung blickt.

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