Direkt zum Inhalt
Chemsex im Fokus
Rubrik

Chemsex im Fokus HIV-Forscher untersuchen Spannungsfeld zwischen Chemsex und HIV

ms - 29.03.2023 - 10:00 Uhr

Chemsex führt in der Mehrzahl der Fälle nicht zu Angst und Depressionen – zu diesem Ergebnis kommt jetzt eine neue Studie über die mentale Gesundheit von schwulen Männern. Die Ergebnisse überraschen insofern, weil HIV-Experten in den letzten Jahren davon ausgegangen waren, dass gerade bei Menschen mit HIV der Konsum von Chemsex auch zu mehr Depressionen und Angststörungen führt – offenbar ist dies aber nicht der Fall. Entwarnung kann aber trotzdem nicht gegeben werden.

Chemsex unter HIV-positiven Schwulen

Chemsex wurde am häufigsten bei schwulen und bisexuellen Männern (MSM) mit HIV beobachtet. Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit, dass schwule Männer an Chemsex teilnehmen, dreimal so hoch ist wie bei heterosexuellen Männern, wobei schwule Männer mit HIV mit einer noch größeren Wahrscheinlichkeit Chemsex praktizieren. Knapp die Hälfte aller schwulen Männer mit HIV haben Chemsex (48,5 %). „Obwohl Chemsex ein Problem für die öffentliche Gesundheit darstellt, konnten wir feststellen, dass er mit einem geringeren Maß an Depressionen bei MSM, die mit HIV leben, assoziiert war. Ein kausaler Schluss ist jedoch nicht möglich, da MSM mit höheren Depressionswerten möglicherweise weniger Chemsex praktizieren“, so die Studienergebnisse.

Kurz gesagt, führt nicht der Chemsex zu niedrigeren Werten bei Depressionen, sondern Angstzustände selbst minimieren Chemsex. In einer früheren Studie gaben sogar 25 Prozent aller schwulen Männer an, dass sich Chemsex durchaus negativ auf ihre psychische Gesundheit auswirke. „Drogen, die häufig mit Chemsex in Verbindung gebracht werden, werden mit psychischen Problemen in Verbindung gebracht“, so die Studienergebnisse weiter. Dazu gehören Substanzen wie Mephedron, Crystal Meth und GHB/GBL.

Mehr Ängste und Depressionen unter Schwulen mit HIV

Generell lässt sich festhalten, dass jenseits von Chemsex Menschen mit HIV häufiger zu Depressionen und Ängsten neigen, in besonderer Weise offenbar schwule und bisexuelle Männer, so die Studie weiter: „Es ist bekannt, dass die Lebensqualität von Menschen, die mit HIV leben, beeinträchtigt ist, und sie leiden häufiger unter psychischen Problemen wie Angst und Depression. Eine geringere Lebensqualität kann sich bei bestimmten Untergruppen noch verstärken. So haben schwule und bisexuelle Männer, die Sex mit Männern haben, im Vergleich zu heterosexuellen Männern schlechtere Ergebnisse in Bezug auf ihre psychische Gesundheit. Diese mit der sexuellen Orientierung zusammenhängende Ungleichheit bei der psychischen Gesundheit wird auf die Minoritätsstresstheorie zurückgeführt. Die Minority-Stress-Theorie geht davon aus, dass tatsächliche und wahrgenommene Stigmatisierung, Angst vor Ablehnung, verinnerlichte Homophobie und das Verbergen der eigenen Sexualität zu einer höheren Prävalenz von psychischen Problemen beitragen“, so die Studienergebnisse weiter, die in dieser Woche von einer Gruppe von Forschern aus Schottland, Irland und den Niederlanden offiziell präsentiert worden sind.

Chemsex unter jungen Schwulen

Chemsex birgt dabei nach Angaben der Forscher weitere Risiken mit sich, beispielsweise auch ein risikoreicheres sexuelles Verhalten wie Gruppensex oder Fisting. Gerade für jüngere Homosexuelle mit HIV hat Chemsex offenbar dabei einen besonderen Reiz; Daten aus der europäischen EMIS-Studie legen nahe, dass sie eine fast fünfmal höhere Wahrscheinlichkeit haben, Chemsex zu praktizieren. Dabei zeigte sich außerdem, dass Chemsex weitere Auswirkungen mit sich bringt, darunter der Verlust von Freunden oder des Arbeitsplatzes; dies wiederum könnte in seiner Konsequenz zu Depressionen führen, sodass es durchaus wahrscheinlich ist, dass Chemsex indirekt doch zu einer Steigerung von psychischen Problemen beitragen kann.

Auch Interessant

Haftstrafe für Neonazi

Attentatspläne auf Community

2022 wurde ein schottischer Extremist gefasst, nun endlich folgte die Verurteilung. Der Neonazi wollte LGBTI*-Menschen "mit Blut bezahlen" lassen.
Schutz für LGBTI*-Jugendliche

Paris Hilton feiert neue US-Gesetz

Jahrelang hat sich Paris Hilton für einen besseren Schutz von Jugendlichen in Heimen eingesetzt, jetzt wurde das Gesetz im US-Kongress verabschiedet.
Schwulenhass in Michigan

Attentat auf Homosexuelle geplant

In einer Massenschießerei wollte ein 22-Jähriger Amerikaner so viele Homosexuelle wie möglich töten, durch Zufall konnte er vorab verhaftet werden.
Krisenmodus Weihnachten

US-Verbände warnen vor Problemen

US-Gesundheitsexperten warnen vor einer Krise: Ablehnung im Kreis der Familie erleben LGBTI*-Menschen besonders stark zur Weihnachtzeit.
Appell an Joe Biden

Queere Verbände gegen Militärgesetz

Queere Verbände kritisieren scharf das neue Bundesgesetz des US-Militärs: Werden Militärangehörige und ihre Regenbogenfamilien künftig diskriminiert?
Kritik an der Drogenpolitik

Zu wenig Zusammenarbeit landesweit

Es gibt erste positive Schritte, doch insgesamt zu wenig Zusammenarbeit bei der Drogenpolitik. Ein rapider Anstieg von Überdosierungen ist denkbar.
Gewalt in Berlin

Attacken auf LGBTI*-Menschen

Die Gewalt in Berlin gegen LGBTI* nimmt weiter zu: Über 90% der mutmaßlichen Täter sind junge Männer, die Opfer sind zumeist Schwule und Bisexuelle.
Niederlage vor Gericht

Anti-Homosexuellen-Gesetz in Ghana

Der Oberste Gerichtshof in Ghana schmetterte Klagen gegen das geplante Anti-Homosexuellen-Gesetz erneut ab - wann tritt das Verbot jetzt in Kraft?