Chemsex im Fokus HIV-Forscher untersuchen Spannungsfeld zwischen Chemsex und HIV
Chemsex führt in der Mehrzahl der Fälle nicht zu Angst und Depressionen – zu diesem Ergebnis kommt jetzt eine neue Studie über die mentale Gesundheit von schwulen Männern. Die Ergebnisse überraschen insofern, weil HIV-Experten in den letzten Jahren davon ausgegangen waren, dass gerade bei Menschen mit HIV der Konsum von Chemsex auch zu mehr Depressionen und Angststörungen führt – offenbar ist dies aber nicht der Fall. Entwarnung kann aber trotzdem nicht gegeben werden.
Chemsex unter HIV-positiven Schwulen
Chemsex wurde am häufigsten bei schwulen und bisexuellen Männern (MSM) mit HIV beobachtet. Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit, dass schwule Männer an Chemsex teilnehmen, dreimal so hoch ist wie bei heterosexuellen Männern, wobei schwule Männer mit HIV mit einer noch größeren Wahrscheinlichkeit Chemsex praktizieren. Knapp die Hälfte aller schwulen Männer mit HIV haben Chemsex (48,5 %). „Obwohl Chemsex ein Problem für die öffentliche Gesundheit darstellt, konnten wir feststellen, dass er mit einem geringeren Maß an Depressionen bei MSM, die mit HIV leben, assoziiert war. Ein kausaler Schluss ist jedoch nicht möglich, da MSM mit höheren Depressionswerten möglicherweise weniger Chemsex praktizieren“, so die Studienergebnisse.
Kurz gesagt, führt nicht der Chemsex zu niedrigeren Werten bei Depressionen, sondern Angstzustände selbst minimieren Chemsex. In einer früheren Studie gaben sogar 25 Prozent aller schwulen Männer an, dass sich Chemsex durchaus negativ auf ihre psychische Gesundheit auswirke. „Drogen, die häufig mit Chemsex in Verbindung gebracht werden, werden mit psychischen Problemen in Verbindung gebracht“, so die Studienergebnisse weiter. Dazu gehören Substanzen wie Mephedron, Crystal Meth und GHB/GBL.
Mehr Ängste und Depressionen unter Schwulen mit HIV
Generell lässt sich festhalten, dass jenseits von Chemsex Menschen mit HIV häufiger zu Depressionen und Ängsten neigen, in besonderer Weise offenbar schwule und bisexuelle Männer, so die Studie weiter: „Es ist bekannt, dass die Lebensqualität von Menschen, die mit HIV leben, beeinträchtigt ist, und sie leiden häufiger unter psychischen Problemen wie Angst und Depression. Eine geringere Lebensqualität kann sich bei bestimmten Untergruppen noch verstärken. So haben schwule und bisexuelle Männer, die Sex mit Männern haben, im Vergleich zu heterosexuellen Männern schlechtere Ergebnisse in Bezug auf ihre psychische Gesundheit. Diese mit der sexuellen Orientierung zusammenhängende Ungleichheit bei der psychischen Gesundheit wird auf die Minoritätsstresstheorie zurückgeführt. Die Minority-Stress-Theorie geht davon aus, dass tatsächliche und wahrgenommene Stigmatisierung, Angst vor Ablehnung, verinnerlichte Homophobie und das Verbergen der eigenen Sexualität zu einer höheren Prävalenz von psychischen Problemen beitragen“, so die Studienergebnisse weiter, die in dieser Woche von einer Gruppe von Forschern aus Schottland, Irland und den Niederlanden offiziell präsentiert worden sind.
Chemsex unter jungen Schwulen
Chemsex birgt dabei nach Angaben der Forscher weitere Risiken mit sich, beispielsweise auch ein risikoreicheres sexuelles Verhalten wie Gruppensex oder Fisting. Gerade für jüngere Homosexuelle mit HIV hat Chemsex offenbar dabei einen besonderen Reiz; Daten aus der europäischen EMIS-Studie legen nahe, dass sie eine fast fünfmal höhere Wahrscheinlichkeit haben, Chemsex zu praktizieren. Dabei zeigte sich außerdem, dass Chemsex weitere Auswirkungen mit sich bringt, darunter der Verlust von Freunden oder des Arbeitsplatzes; dies wiederum könnte in seiner Konsequenz zu Depressionen führen, sodass es durchaus wahrscheinlich ist, dass Chemsex indirekt doch zu einer Steigerung von psychischen Problemen beitragen kann.