Brandbrief von Psychologen Partnerschaft mit Katar ist „moralisch völlig inakzeptabel!“
Rund 150 namhafte und hochdekorierte, britische Psychologen kritisieren jetzt mit scharfen Worten die Entscheidung des Royal College of Psychiatrists (RC PSYCH), eine enge Partnerschaft mit dem staatlichen Gesundheitsdienstleister des Emirats Katar eingegangen zu sein. Das RC PSYCH ist die medizinische Fachorganisation für Psychiater im Vereinigten Königreich.
Homophobie und Frauenunterdrückung
Das College hat dabei einen Vertrag mit der staatlichen Hamad Medical Corporation unterzeichnet, um internationale klinische Prüfungen in Doha abzuhalten, wodurch Psychiater aus dem gesamten Nahen Osten und darüber hinaus eine Mitgliedschaft beantragen können – diese bekämen dadurch eine direkte Anlaufstelle in Großbritannien. Dagegen laufen jetzt mehr als 150 Psychiater aus führenden britischen Krankenhäusern und Universitäten Sturm und wandten sich in einem offenen Brief an den Präsidenten des Colleges.
„Eine geschäftliche Beziehung mit dem öffentlichen Gesundheitssystem Katars, das de facto eine Zweigstelle der Regierung ist, einzugehen, birgt das Risiko einer erheblichen Schädigung des Rufs des Colleges.“ Und mit Blick auf die Gegebenheiten im Emirat betonen die Fachärzte weiter: „Frauen werden in einer Reihe von Bereichen gleiche Rechte verweigert, und es gibt keinen gesetzlichen Schutz vor häuslicher Gewalt. Gleichgeschlechtliche Sexualität wird weiterhin mit der Todesstrafe geahndet.“
Dazu komme die Tatsache, wie das Land bis heute mit Wanderarbeitern umgeht, die mehr als neunzig Prozent der Arbeitskräfte in Katar stellen: „Todesfälle und Verletzungen von Wanderarbeitern im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar führten zu Forderungen nach Entschädigungen und Vorwürfen der Ausbeutung von Arbeitern“, betonten die Psychiater weiter.
„Moralisch völlig inakzeptable“ Zusammenarbeit
Dr. Bradley Hillier, beratender forensischer Psychiater und Unterzeichner des Briefes, sagte zudem gegenüber dem britischen Guardian: „Ich bin wirklich sehr beunruhigt darüber, dass das Royal College of Psychiatrists offenbar eine Geschäftsbeziehung mit einem Staat eingeht, der erhebliche Herausforderungen im Bereich der Menschenrechte hat. Dies scheint so offensichtlich im Widerspruch zur Position und den Werten des Colleges und seiner Geschichte zu stehen. Zudem ist es schwer vorstellbar, wie psychische Gesundheitsprobleme im Zusammenhang mit Geschlechtsdysphorie, dem HIV-Status oder Erfahrungen mit Homophobie behandelt werden könnten.“
Noch schärfer formulierte Prof. Michael Bloomfield, Facharzt für Psychiatrie und Leiter der Forschungsgruppe für translationale Psychiatrie am University College London, seine Kritik: „Es ist äußerst bedauerlich, dass wir uns in einer Situation befinden, in der unser College sich dafür entscheidet, in einem Land tätig zu sein, das verfassungsrechtlich homophob ist. Die Partnerschaft ist moralisch völlig inakzeptabel!“
Erste Prüfungen bereits in dieser Woche
Das Royal College of Psychiatrists erklärte nach der Kritik, man wolle eine Priorität darin setzen, „Ungleichheit zu bekämpfen und sich auf die Verbesserung der psychischen Gesundheitsversorgung marginalisierter Gruppen zu konzentrieren.“ So solle eine „koloniale Denkweise“ vermieden werden. Außerdem beteuerte die Leitung weiter, dass Inhalt und Durchführung der Prüfung in Doha denselben Standards, Werten und Kontrollen unterliegen würden wie Prüfungen in Großbritannien und dass diese auch Kompetenzen im Umgang mit psychischen Problemen von LGBTIQ+-Patienten umfassen würden.
Bisher existiert eine solche Partnerschaft nur mit Singapur. In Katar wollen bereits in dieser Woche rund 120 Personen ihre Fachprüfung über das RC PSYCH ablegen. Bei den Prüfungen führen die Kandidaten simulierte Konsultationen mit Schauspielern durch, die die Rolle von Patienten spielen, um zu beurteilen, wie ein Arzt in einer realen Situation handeln würde. Ob dabei auch Aspekte wie Homosexualität oder Geschlechtsdysphorie thematisiert werden, ist nicht bekannt.