Direkt zum Inhalt
Homophober Präsident kämpft um Machterhalt
Rubrik

Bolsonaro schürt Angst Brasiliens Staatschef Bolsonaro wettert gegen Wahlsystem und Homosexuelle

ms - 19.07.2022 - 11:00 Uhr

Der brasilianische Staatschef Jair Bolsonaro, ein ausgewiesener Feind von LGBTI*-Rechten und dem Klimaschutz, befeuert jetzt aus Angst vor dem eigenen Machtverlust die Stimmung in seinem Land. In weniger als drei Monaten stehen in Brasilien Neuwahlen um die Präsidentschaft an und so nutzt der rechte Hardliner jetzt jede Möglichkeit, um gegen die Wahl an sich und auch erneut gegen homosexuelle Menschen zu wettern.

Bei einem Treffen im Präsidentenpalast mit rund fünfzig ausländischen Diplomaten behauptete Bolsonaro, es gäbe angebliche Schwachstellen im elektronischen Wahlsystem des Landes, sodass es keine hundertprozentige Garantie für die Sicherheit der Wahl geben würde. Zudem könnten die Wahlmaschinen auch manipuliert werden. Experten befürchten, dass der Präsident mit seinen dreisten Behauptungen nur eine Grundlage schaffen will, um bei einer möglichen Niederlage gegen seinen linken Herausforderer Luiz Inácio Lula da Silva den Wahlausgang anzweifeln zu können – das perfide Spiel erlangte spätestens mit Donald Trumps Niederlage an internationaler Popularität. Beweise für seine Behauptungen konnte Bolsonaro nicht vorbringen. Zudem wurden seine Falschaussagen von den Wahlbehörden mehrfach entkräftet, zuletzt hatte das brasilianische Wahlsystem erst im Mai einen Sicherheitstest erfolgreich absolviert und bestanden. Das Wahlsystem des Landes ist seit 1996 vollständig elektronisch.

Ganz nach dem Vorbild Donald Trump bedient sich Bolsonaro auch anderweitig der politischen Kampfpropaganda des amerikanischen Ex-Präsidenten und hetzt in den letzten Wochen und Monaten auch immer wieder gegen die Gay-Community des Landes. Bolsonaros Spitzname in der Bevölkerung ist daher auch nicht grundlos “Tropical Trump“. Bisher scheint Bolsonaro allerdings mit seiner Sündenbock-Propaganda nicht sonderlich erfolgreich zu sein – im Gegenteil. Beim letzten Karneval in Rio de Janeiro machten sich mehrere Sambaschulen mit satirischen Darstellungen über Bolsonaro lustig und kritisierten dabei die homophobe Haltung des Präsidenten. Das Motto einiger Sambaschulen war so: “Enough!“ Es reicht in puncto sozialer Ungerechtigkeit, LGBTI*-Anfeindungen und Machtgehabe, so die Botschaft. Ein Aspekt, weswegen sich immer mehr Brasilianer gerade auch beim Thema LGBTI* von den strikten Hass-Triaden des Präsidenten abwenden, dürfte schlicht auch die Unglaubwürdigkeit seiner Thesen sein. Bolsonaro stellt sich bis heute gegen die Entscheidung des Obersten Gerichts, dass Homophobie als Verbrechen einstuft, erklärte, dass die Weltgesundheitsorganisation bei Kindern Homosexualität fördern würde oder wollte als Gegenveranstaltung zu den Prides einen “Tag des Hetero-Stolzes“ einführen. Eine Mehrheit erreicht Bolsonaro damit anscheinend nicht mehr, obgleich er die strikten Befürworter seiner Hass-Propaganda auch in den letzten Monaten damit weiter radikalisiert hat. Die Interessenvertretung Gay de Bahia verzeichnete jüngst erneut einen Anstieg der Hasskriminalität um mehr als 30 Prozent – und das jedes Jahr. Über 400 Tötungsdelikte in Brasilien sollen ihren Ursprung in der Homophobie der Täter haben.

Es ist also tatsächlich genug und es wäre an der Zeit, dass Bolsonaro abgewählt wird - bei den rund 210 Millionen Wahlberechtigten in Brasilien liegt derzeit auch Bolsonaros Herausforderer Lula in den Umfragen weit vorne. Mit Blick auf die jüngsten homophoben Hass-Triaden und Behauptungen bezüglich des Wahlsystems erklärte Lula: „Es ist schade, dass Brasilien nicht einen Präsidenten hat, der 50 Botschafter einlädt, um über Dinge zu sprechen, die das Land interessieren. Beschäftigung, Entwicklung oder der Kampf gegen Hunger zum Beispiel. Stattdessen erzählt er Lügen gegen unsere Demokratie." Auch Human Rights Watch bestätigte in diesem Zusammenhang die “gefährliche Desinformationskampagne“ des Rechtspopulisten, der versucht, die Probleme des Landes der LGBTI*-Community zuzuschieben. Es bleibt zu hoffen, dass ihm das in den verbleibenden, rund drei Monaten bis zur Wahl mehrheitlich nicht mehr gelingen wird.

Auch Interessant

Groteske Gerichtsfarce

42 Menschen wegen Pride vor Gericht

In der Türkei stehen aktuell 42 Menschen wegen der Teilnahme an einem Pride vor Gericht. Pikant dabei: Jetzt zeigt ein Gutachten die Polizeigewalt.
Ehe für alle

Liechtenstein beschließt Homo-Ehe

Freude! Als letztes deutschsprachiges Land hat jetzt auch Liechtenstein die Ehe für alle beschlossen. Ab 2025 können Schwule und Lesben "Ja" sagen!
IDAHOBIT 2024

Massen-Outing oder Bundesrat-Klatsche?

Der IDAHOBIT 2024 wird spannend: Zwischen Gedenken, Aktivismus gegen Homophobie, Selbstbestimmungsgesetz im Bundesrat und Massen-Outing im Fußball...
Offene Fragen

Reformpläne für Regenbogenfamilien

Justizminister Buschmann (FDP) zeigt sich zuversichtlich, dass die Reform für Regenbogenfamilien kommt - es gebe aber auch noch "offene Fragen"...