Aktionsplan “Queer leben“ Kritik am Aktionsplan der Regierung kommt von LSVD, Hirschfeld-Stiftung und der SPD
Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, hat heute Nachmittag Details des neuen nationalen Aktionsplans bekanntgegeben. Der neue Aktionsplan “Queer leben“ sei dabei eine Agenda für eine Politik des Respekts und der Anerkennung von Vielfalt, so das Bundesfamilienministerium.
Viel Altbekanntes im neuen Aktionsplan
Der 70 Millionen Euro schwere Aktionsplan war zuvor heute im Bundeskabinett beschlossen worden. Darin verpflichtet sich die Bundesregierung laut Eigenaussage dazu, ressortübergreifend Maßnahmen zu ergreifen, um die Akzeptanz von LGBTI*-Menschen zu stärken - es ist in dieser Form der erste Aktionsplan seiner Art. Der queere Aktionsplan ist dabei in sechs Handlungsfelder unterteilt: Rechtliche Anerkennung, Teilhabe, Sicherheit, Gesundheit, Stärkung der Beratungs- und Communitystrukturen und Internationales. In wesentlichen Punkten nimmt der Aktionsplan dabei allerdings Bezug auf bereits bestehende, anderweitige Projekte, die von der Ampelkoalition schon im Januar 2022 angedacht worden sind, darunter die Reform des Abstammungsrechts bei Regenbogenfamilien, die angedachte Ergänzung des Grundgesetzes mit dem Diskriminierungsverbot aufgrund der “sexuellen Identität“ oder auch das geplante Selbstbestimmungsgesetz.
Unkonkret und viel Raum für Spekulationen
In den neu angekündigten Aspekten bleibt der Aktionsplan dann leider auch nach der heutigen Vorstellung relativ vage und lässt Raum für Spekulationen. Angekündigt ist eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, eine “Überprüfung“ der Asylverfahren für queere Geflüchtete oder ganz allgemein die “Unterstützung“ von Projekten zur Akzeptanz und Bekämpfung von Gewalt und Diskriminierung; zudem erwähnt wird eine “Sensibilisierung“ in der Kinder- und Jugendhilfe sowie in der Pflege von LGBTI*-Menschen. Ganz allgemein soll es dann auch eine Prävention gegen Rassismus, Sexismus und LGBTI*-Feindlichkeit geben ebenso wie eine unkonkrete Förderung von Diversität am Arbeitsplatz. Dazu wolle man Forschung betreiben zur Lebenssituation von LGBTI*-Menschen. Beim Thema Sicherheit will der Aktionsplan einen besseren Schutz vor Gewalt und Anfeindung schaffen und mehr “Aufhellung“ in das Dunkelfeld bringen. Dazu wolle man auch einen Dialog mit anderen Ländern und mit LGBTI*-Beratungsstrukturen auf dem Land führen. Auch soll die Gesundheitsversorgung für Trans-Menschen verbessert werden – konkreter wird die Auflistung des Bundefamilienministeriums hier auch nicht.
Agenda für mehr Vielfalt
Ein wenig konkreter wird der Plan dann nur in einzelnen Aspekten, beispielsweise wolle man die Ungleichbehandlung beim Thema Blutspende beenden und eine Schutzlücke beim gesetzlichen Verbot von Konversionstherapien auch für intersexuelle Kinder schließen. Sven Lehmann selbst erklärte bei der Vorstellung des nationalen Aktionsplans: “Dieser Aktionsplan ist die Agenda für eine Politik des Respekts und der Anerkennung von Vielfalt. Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie alle queeren Menschen müssen gleichberechtigt, frei, sicher und selbstbestimmt an der Gesellschaft teilhaben können.“ Dabei betonte er die historische Ausgangslage des Aktionsplans und erklärte weiter: „Mit dem Aktionsplan will die Bundesregierung Queerfeindlichkeit entschieden entgegenwirken und in allen Bereichen die Akzeptanz von LSBTIQ* nachhaltig fördern. Die Ministerien haben zahlreiche Maßnahmen in sechs Handlungsfeldern vereinbart, die nun in den kommenden Jahren zusammen mit der Community umgesetzt werden sollen und müssen.” Bundesfamilienministerin Lisa Paus bezeichnete den Aktionsplan “Queer leben“ als “Meilenstein“ für die Rechte von LGBTI*-Menschen. Zudem bekräftigte sie Lehmanns Erklärung, dass er selbst den Arbeitsprozess der kommenden Jahre mit den Verbänden und unter Einbeziehung der Länder koordinieren wolle.
Genauer Startpunkt, konkrete Finanzierung? Unklar!
Bezüglich der Finanzierung erklärte Lehmann etwas schwammig auf Rückfrage, dass jedes Ministerium selbst einen Finanzbedarf dafür ermitteln und anschließend bei den Haushaltsanmeldungen geltend machen müsse – es liegt also einmal mehr bei den einzelnen Ministerien, ob und wie Pläne überhaupt umgesetzt werden. Auch auf die Rückfrage, ab wann denn konkrete erste Umsetzungen, Gesetze oder Aktionen geplant seien, erklärte Lehmann lapidar, dass dies „im nächsten Jahr“ geschehen werde.
Kritik von mehreren LGBTI*-Verbänden
Kritik kommt bereits vom Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD), der zwar grundsätzlich seine Freude darüber ausdrückte, dass nun erste Maßnahmen veröffentlicht wurden, dann aber weiter erklärt: „Für den Erfolg des Aktionsplans ist eine auskömmliche Finanzierung für die Umsetzung der Maßnahmen in den einzelnen Ministerien entscheidend. Bedauerlicherweise hat die Bundesregierung die angekündigten Maßnahmen jedoch nicht mit ausreichenden neuen finanziellen Mitteln unterlegt. Im Sinne einer Selbstverpflichtung fordern wir die Bundesregierung auf, klare Zeit- und Arbeitspläne zur Umsetzung des Aktionsplans zu erstellen und ihrer heute konstatierten Selbstverpflichtung nachzukommen, indem die vorgestellten Maßnahmen beim Beschluss aller zukünftigen Haushalte eingepreist werden“, so Patrick Dörr vom LSVD.
Weitere Kritik kam auch von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die den Aktionsplan als “Hausaufgabenheft“ beschrieb, in dem oftmals eher von reinen Empfehlungen gesprochen werde. In anderen Bereichen verzeichnete die Bundesstiftung sogar Rückschritte, beispielsweise bei den Konversionsmaßnahmen. Auch aus der SPD kamen eher ernüchternde Worte, der Bundestagsabgeordnete Jan Plobner erklärte, er bedauere, dass inhaltlich nicht mehr Mut aufgebracht worden wäre.