Abenddämmerung in Brasilien Brasiliens LGBTI*-Community hat Angst vor einer zweiten Amtszeit des rechtsnationalen Präsidenten
Eine mediale Schlammschlacht, eine Fake-News-Orgie, eine Kampagne mit zweifelhaft fanatischen Methoden – wenn Medien in diesen Tagen die Wahl in Brasilien beschreiben wollen, geht den Redakteuren so langsam die Sprachgewalt aus. Wie lassen sich die Zustände in diesen Tagen im südamerikanischen Land am besten beschreiben, wenn der eigene Präsident aus Angst vor einer Wahlniederlage immer mehr verbal Amok läuft? Nebst dem politischen Gegner ist auch einmal mehr die LGBTI*-Community Opfer der Hetz-Kampagnen, die der homophobe Präsident Jair Bolsonaro immer wieder befeuert. Steht Brasilien kurz vor der Abenddämmerung? Die LGBTI*-Community kämpft bis zuletzt darum, dass der Wüterich, der immer wieder gerne als eine Mischung aus Marvels Anti-Held Hulk und Orangenmann Donald Trump beschrieben wird, nicht eine zweite Amtszeit lang über die Zukunft Brasiliens bestimmen darf.
Showdown in der Nacht zu Halloween
Mehrfach hatte Bolsonaro im Vorfeld der ersten Wahlrunde Anfang Oktober bereits bekundet, eine Niederlage schlicht nicht anerkennen zu wollen und stachelte unterbewusst bereits die Bereitschaft seiner Wählerschaft für Straßenkämpfe und Bürgeraufstände an. Sollte er verlieren, müsse es sich um Betrug, Fälschung und Stimmenklau handeln. Das Lied ist altbekannt, nur der Interpret kommt dieses Mal nicht aus den USA. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Bolsonaro nach der ersten Wahlrunde bis heute immer aggressiver gegen alle austeilte, die nicht auf seiner Seite sind. Der linke Herausforderer und ehemalige Präsident Luiz Inácio Lula da Silva lag mit 48 Prozent der Stimmen Anfang Oktober bei der ersten Wahl vor Bolsonaro, der auf 43 Prozent kam. Die finale Entscheidung fällt nun am kommenden Sonntag, der Nacht vor Halloween – ein passender Showdown für die zombiehafte Karikatur eines Politikers.
Für LGBTI*-Brasilianer eine Frage des Überlebens
In den TV-Duellen der letzten drei Wochen hatte nicht viel gefehlt und Bolsonaro wäre handgreiflich gegenüber seinem Herausforderer geworden. Lula hingegen hatte dem Präsidenten vorgeworfen, in der Corona-Politik komplett versagt zu haben und direkt verantwortlich für die rund 690.000 Brasilianer zu sein, die aufgrund von Covid-19 gestorben sind. Bolsonaro hatte bis zuletzt die Virus-Pandemie als einfache Grippe verharmlost. Die Vorwürfe von beiden Seiten wurden so von Tag zu Tag immer bodenloser, was der Seriosität der brasilianischen Politik insgesamt geschadet haben dürfte. Für die LGBTI*-Community geht es um viel, denn Bolsonaro hat seit seinem Amtsantritt vor rund vier Jahren nichts unversucht gelassen, die Rechte gerade von Homosexuellen immer weiter zu beschneiden und versuchte zudem auch, den Hass gegenüber Schwulen stetig anzufeuern. Für viele LGBTI*-Brasilianer ist der kommende Sonntag nicht nur ein Wahltag wie jeder andere, sondern eine Frage des eigenen Überlebens.