Sack is back! Die irische Indie-Band über Liebe, Wahrheit und queeren Stolz
Nach über zwei Jahrzehnten kehrt die Dubliner Indie-Band Sack jetzt mit aller Kraft zurück: Mit ihrem neuen Album „Wake Up People!“ hat die Band ihr bisher bestes Werk abgeliefert, da sind sich die Musikkritiker einig. Frisch, direkt und ehrlich. Genauso ehrlich setzt sich die fünfköpfige Gruppe seit vielen Jahren für die LGBTIQ+-Community ein. Im Mai 2026 will die Band auch in Deutschland auf Tour gehen. SCHWULISSIMO sprach mit dem schwulen Frontmann und Sänger Martin McCann.
Martin, euer Song „Wake Up People“ ist ein kraftvoller Aufruf an uns alle. Was steckt dahinter?
Wake Up People ist ein Aufruf an die Menschen, alles zu hinterfragen, was sie sehen, hören oder lesen. Da KI und digitale Medien immer aufdringlicher und manipulativer werden, ist es heute schwieriger als je zuvor, die Wahrheit zu erkennen, besonders junge Menschen werden zunehmend von Lügen und Unwahrheiten beeinflusst. Leider haben Leute, die früher als Spinner galten, die in einer Café-Ecke über die Welt schimpften, heute Plattformen, um ihren Hass zu verbreiten, und sie gewinnen Anhänger. Wir als Spezies müssen aufwachen und diesem Hass und diesen Unwahrheiten entgegentreten. Jeder Mensch hat sein Päckchen zu tragen, aber Schweigen ist keine Option.
Ein zweiter Songtitel lautet „Do You Need Love?“. Brauchen wir in diesen verrückten Zeiten alle mehr Liebe?
Do You Need Love ist eine rhetorische Frage. Jeder Mensch braucht Liebe, aber manche gehen durchs Leben mit dem Gefühl, dass es niemanden für sie gibt, dass sie die Chance auf eine Partnerschaft verpasst haben. Manche verschließen sich dann, werden eigen, isoliert und verharren in ihren Gewohnheiten. Der Song vermittelt die Botschaft, dass die Liebe vielleicht einfach nur um die Ecke oder sogar direkt vor einem steht, aber wenn man sich ihr nicht öffnet, wird man sie vielleicht nie erleben.
Seit den 2000er Jahren habt ihr euch einen Namen in der Indie Szene Irlands und weit darüber hinaus gemacht. Euer Mix aus starken Melodien und cleveren Texten kommt auch international gut an. Seht ihr euch heute eher als Europäer oder als Iren?
Ich denke, wir haben immer beide Identitäten in uns getragen. Unsere Liebe zur internationalen Musik war immer stärker als unsere einheimischen Einflüsse, aber textlich hatten wir in Irland stets genug Stoff, insbesondere durch den Einfluss der katholischen Kirche auf die Gesellschaft. Diese Macht war während unserer Jugend enorm und prägte alle Aspekte des sozialen und sexuellen Lebens in Irland, also gab es reichlich zu schreiben. Unsere irische Identität ist uns sehr wichtig, aber wir sind auch viel gereist und haben andere Kulturen schätzen gelernt. Ich bin seit 13 Jahren mit einem Italiener zusammen, Italien liegt mir daher sehr am Herzen. Dublin verändert sich rasant, und wir begrüßen die multikulturelle Gesellschaft. Aber besorgniserregend ist der zunehmende Einfluss rechter Ideologien, die sich als Patriotismus tarnen.
Ihr seid fünf Männer in der Band. Viele Auftritte, viel gemeinsame Zeit. Wächst man dabei besonders eng zusammen oder geht man sich auch mal auf die Nerven?
John (Gitarre) und Tony (Schlagzeug) sind Brüder, und ich singe schon sehr lange mit ihnen. Die anderen Mitglieder sind im Vergleich zu uns dreien relativ neu. Natürlich geht man sich ab und zu auf die Nerven, das ist ganz normal. Aber wenn man zusammen Musik macht, entsteht eine sehr persönliche Verbindung, eine besondere Form von Freundschaft, die über Jahre wächst.
Wenn Du auf eure Karriere zurückblickst, gibt es besondere Momente, die dir im Gedächtnis geblieben sind?
Definitiv. Die Einladung, Morrissey auf Tour zu begleiten und in großartigen Orten in Europa und an der US-Westküste zu spielen, war ein Höhepunkt. Als Teenager war ich Smiths-Fan und sah sie in den frühen 80ern live, und dann selbst für Morrissey zu eröffnen, war wie ein Traum. Ein zusätzliches Highlight war, dass sein Publikum uns gleich beim ersten Konzert ins Herz schloss. Ich war überrascht, als er mir nach der Show ein Handtuch mit einer schwarzen Federboa und dem Wort DIVA umlegte und uns einlud, auch die US-Tourdaten mitzuspielen.
Du engagierst dich seit Jahren für die LGBTIQ+-Community. Sack tritt auch regelmäßig bei Pride-Events auf. Woher kommt diese Motivation?
Ich bin seit meinem 17./18. Lebensjahr offen schwul und habe die Aids-Epidemie erlebt, damals starben viele meiner älteren Freunde, die gerade einmal Anfang 30 waren. Es war eine schreckliche Zeit, aber sie hat mich stärker gemacht und mir den Antrieb gegeben, weiter für Gleichberechtigung und Selbstbestimmung zu kämpfen. Es ist wichtig, die zu ehren, die vor uns kamen, und ihr Vermächtnis weiterzutragen.
Wie geht es der queeren Community in deiner Heimat in puncto Anfeindungen?
Ausgrenzung gibt es überall auf der Welt, wenn es um LGBTIQ+ Rechte geht. Wir müssen darüberstehen und sichtbar bleiben, wer wir sind. Ich arbeite im Outhouse, einem LGBTIQ+ Zentrum in Dublin. Es ist bereichernd zu sehen, wie engagiert das Team dort täglich für Menschen aller Altersgruppen arbeitet. Was mich derzeit am meisten ärgert, ist die wachsende Feindseligkeit gegenüber trans* Menschen. Ich verstehe nicht, warum manche so viel urteilen, vor allem, wenn es sie selbst gar nichts angeht.
Lass uns über das Cover von „Wake Up People“ sprechen: Es ist stark, ausdrucksvoll und queer. Wie kamt ihr darauf?
Das Bild entstand zufällig, als ich T-Shirts für die Band entwarf. Als Grafikdesigner faszinierte mich KI-generierte Kunst, und als dieses Bild auftauchte, hatte ich sofort einen Geistesblitz. Johns Text zu Wake Up People ist für mich ein Protestaufruf. Ich war schon immer von Drag-Queens begeistert, den ultimativen Protestfiguren, und habe großen Respekt vor den Pionierinnen der Stonewall Aufstände. Mit Wake Up People als Slogan passte das Bild einfach perfekt zum Thema.
Ein paar letzte Worte zum Abschluss?
Ich kann kaum ausdrücken, wie sehr wir uns darauf freuen, endlich wieder nach Deutschland zu kommen. Das hätte schon längst passieren sollen. Hoffentlich sehen wir uns nächstes Jahr im Mai in eurer Stadt. Und falls ihr das Konzert verpasst, ihr findet mich bestimmt danach in der nächsten Bear-Bar, mit einem schönen deutschen Bier in der Hand. Prost!
Martin, vielen lieben Dank dir!